Natürlich hat auch Michael Scholz sich diese Story schon mehr als genug anhören müssen: Ein Dienstwagenfahrer gibt nach zwei Jahren seinen Leasing-Geschäftswagen zurück – und das Ladekabel im Kofferraum des Plug-in-Hybriden ist noch immer eingeschweißt. Die Moral von der Geschichte: Für ein paar mickrige Extra-Kilometer elektrischem Fahren neben dem Tank auch noch die Batterie füllen, das lohnt nicht. Hauptsache, es gibt die Steuerersparnis für die angebliche Umweltfreundlichkeit. Solche Gartenparty-Geschichten müssen Scholz besonders weh tun.
Denn der Ingenieur ist bei Mercedes Spezialist für die Umsetzung der Plug-in-Technologie - und glaubt fest an die Vorteile der Kombination aus aufladbarer Batterie, Elektromotor und Verbrenner: „Wer das richtig macht, bekommt das Beste aus zwei Welten; davon möchte ich die Menschen überzeugen“, sagt der Fachmann. Sein Team hat sich dazu nach 15 Jahren Serien-Erfahrung mit der Elektrifizierung einiges ausgedacht. Die vierte Generation der Technik ist inzwischen breit in der Modellpalette ausgestreut – und in so vielen Kombinationen, wie bei keinem anderen Hersteller.
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Das hat natürlich auch den Hintergrund, dass die Schwaben besonders viele Flottenkunden haben; darunter eben viele Steuersparfüchse, die trotz Elektrifizierung sehr flott sehr lange Strecken fahren möchten, ohne dabei zeitaufwändig nachzutanken. Gerade dieses Nutzerverhalten hat zuweilen den elektrischen Teil des Plug-in weniger attraktiv gemacht, weil sich die Batterie meist nur im Kriechgang nachladen ließ.
"Inzwischen bekommen sie in den meisten Mercedes-Plug-in die Möglichkeit zum DC-Laden mit bis zu 60 kW. Da ist der leere Akku nach einer halben Stunde schon wieder 80 Prozent voll", sagt Scholz. Zudem redet der Techniker inzwischen über Akkus, die 100 Kilometer rein elektrische Reichweite bringen. In Zukunft werden es mit besserer Akkutechnik wohl auch deutlich über 150 Kilometer werden. Mehr als genug für den typischen Hin- und Rückweg zur Arbeit. Da bringen die Plug-in also im Gegensatz zu ihren Vorgänger-Generationen echte Ersparnis; in Euro und CO2.
In neun Baureihen von CLA über CLE, E-Klasse und GLC bis zum Flaggschiff S 580 e setzen die Zuffenhausener die Technik daher ein. Neben Vier- und Sechszylinder-Benzinern kombinieren sie den E-Motor dabei auch mit Dieselmotoren – eine Alleinstellung. Extralange Reichweite und die Fähigkeit, bis zu 2,7 Tonnen an die Anhängerkupplung von C- und E-Klasse, GLE oder GLC zu hängen, sind dafür die entscheidenden Argumente. Wichtig auch: Der Verbrauch bleibt bei moderatem Fahren etwa in einer E-Klasse im Drittelmix selbst bei leer gefahrenem Akku immer noch unter sechs Litern.
Mercedes C 220 d All Terrain
BildergalerieWobei: Ganz ohne Elektro-Unterstützung fahren die Plug-in nie. Bei der Weiterentwicklung der Technik haben sich die Schwaben wie ihre Konkurrenten neben eigenen Erkenntnissen auch von den jahrzehntelangen Erfahrungen der Hybrid-Pioniere wie Toyota inspirieren lassen. Eine Erhaltungsdosis E-Antrieb ist immer da und wird effizient eingesetzt. Der elektrische Antriebsteil unterstützt bei den gefahrenen sechs Baureihen mit Plug-in auf den Teststrecken immer wieder nahtlos und dynamisch die Kraft der Verbrenner – oder umgekehrt. Bei normalem Fahrverhalten über Landstraßen, Autobahn und Ortsverkehr sind so elektrische Anteile von deutlich mehr als 60 Prozent ein. Die Fabel-Verbrauchswerte aus den Testständen sind allerdings auch bei den neuesten Plug-in-Generationen unrealistisch. 2,5 Liter Verbrauch im Schnitt der knapp über 80 Kilometer Fahrstrecke in der C-Klasse sind aber auch erfreulich.
Dynamik und Fahrspaß stehen in der Plug-in-Strategie der Stuttgarter Überzeugungstäter zudem ganz oben. Die E-Motoren werden dazu immer leistungsfähiger. Elektrisch sind schon derzeit bis zu 110 kW/150 PS und 440 Newtonmeter Unterstützung drin. Ab dem kommenden Jahr werden die SUV zudem mit 115 kW statt bisher 95 kW noch einmal einen Boost bekommen. Genau dieser Extra-Schwung hilft erkennbar über jedes Turboloch und macht die schweren Plug-in zu sportlichen Fahrmaschinen. Bei den 60-kW-Motörchen der zweiten Generation war Mercedes davon noch ein Stück entfernt.
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BildergalerieMit sanfter Pädagogik zum Elektro-Erfolg
Bleibt nur noch die Aufgabe, die Kunden von den Vorzügen der elektrischen Komponente im Fahrzeug zu überzeugen; vor allem die obengenannten Lademuffel. Und da setzen Scholz und seine Kollegen neben den schnelleren Lademöglichkeiten auch ein bisschen auf pädagogische Eingriffe. Die Plug-in starten dazu ab Werk automatisch erst einmal im reinen Elektro-Modus. "Die Käufer sind ja grundsätzlich an dieser Antriebsart interessiert. So wollen wir sie das rein elektrische Gefühl auch stets erfahren lassen", erklärt Scholz. Wer danach behutsam Gas gibt, dem zeigt ein leichter Widerstand im Pedal, wann der Verbrenner dazugeschaltet werden muss. Oder eben nicht, wenn beim Mensch am Steuer der Elektro-Ehrgeiz geweckt ist.
Zudem gibt ein spezielles Programm dem Lenker Fahrempfehlungen wie rechtzeitiges Abbremsen oder Segeln. Dazu wertet der Computer Daten aus dem Navi und den Sensoren aus und errechnet das optimale Zusammenwirken der beiden Antriebskomponenten.
Wer auf diese Eigenarbeit mit Software-Empfehlungen ganz verzichten will, der kann aber auch gleich alle Assistenten einschalten und das "Hybrid"-Programm wählen. Dann wird der Mercedes zum Erziehungsberechtigten, bremst, lenkt, beschleunigt, rekuperiert und segelt, wie es jeweils mit maximalem Vorausschauen optimal ist. So ein Fahrerlebnis gibt dem Besitzer auch schon einmal einen Ausblick auf die vollautomatische und rein elektrisch angetriebene Autowelt der Zukunft. Auch so gesehen ist der Plug-in eben eine Übergangstechnologie. "Dieser Zeitraum wird nur länger als gedacht", sagt Michael Scholz – und sieht dabei ganz und gar nicht unglücklich aus.
Klaus Küspert