Der Stuttgarter Automobilzulieferer Mahle will sich verstärkt als Systemlieferant für die Elektromobilität aufstellen. "Systemkompetenz ist ein entscheidender Erfolgsfaktor in der Elektrifizierung", sagt Mahle-Chef Arnd Franz. Das Zusammenspiel der einzelnen Komponenten sei wesentlich komplexer als im Verbrennungsmotor.
Auf der IAA Anfang September in München stellt das Unternehmen einen neuen E-Motor vor, der zwei Technologien in einem System vereint: einen kontaktlos, ohne seltene Erden auskommenden, magnetfreien E-Antrieb sowie einen Motor, der dauerhaft mit Höchstlast laufen kann. Das System lässt sich mit einem weiterentwickelten Thermomanagementsystem koppeln, das 20 Prozent mehr Reichweite bringt.
Außerdem will sich der Zulieferer verstärkt beim Laden von E-Autos engagieren. Über das Tochterunternehmen "Charge Big" bietet Mahle schon seit einigen Jahren Ladeparks samt Lastmanagement für große Unternehmen an. Zu den Kunden zählt beispielsweise der Stuttgarter Flughafen mit 100 Ladepunkten in den Tiefgaragen. Künftig will sich "Charge Big" auch kleinere Einheiten wie Mehrfamilienhäuser vornehmen und stellt auf der IAA ein Model mit sechs Anschlüssen vor.
Des Weiteren soll zusammen mit Siemens das induktive Laden wieder vorangetrieben werden. Um das Thema war es still geworden, seit BMW und Mercedes ihre gemeinsamen Entwicklungen eingestellt hatten. Jetzt zeigt Mahle auf der IAA ein kontaktloses Ladesystem mit elf kW Ladeleistung.
"Noch mindestens vier bis fünf Jahre sehr viel investieren"
Doch bei allen Aktivitäten in Sachen Elektromobilität, wirklich Geld verdient das Unternehmen damit noch nicht. "Wir müssen noch mindestens vier bis fünf Jahre sehr viel investieren, bis wir hier nachhaltige Gewinne erzielen", sagt Franz. Die würden dann allerdings fast dreimal so hoch ausfallen wie im Geschäft mit Verbrennern, das momentan die Forschung finanziert.
Gute Aussichten also, zumal Europa die Weichen eindeutig in Richtung Elektromobilität gestellt hat. 2035 werden weltweit aber nach Einschätzung von Franz immer noch die Hälfte aller Fahrzeuge einen Verbrenner unter der Haube haben. "Unsere Aufgabe ist, ihn fit für nachhaltige Kraftstoffe zu machen." Schon heute liefere Mahle die Technik für den Betrieb mit Biokraftstoffen wie Ethanol. Künftig gehe es darum E-Fuels und vor allem die Wasserstofftechnik für Nutzfahrzeuge voranzutreiben.
Als Schlüsseltechnik sieht Franz hier den Wasserstoff-Verbrennungsmotor für Nutz- und Baumaschinen. "Was Leistung und Effizienz angeht, kommt er bei Nutzfahrzeugen sehr nahe an den Diesel heran. Außerdem kann er zum Steigbügel für eine Wasserstoff-Infrastruktur werden, die wir für den möglichen flächendeckenden Einsatz von Brennstoffzellen-Lkw benötigen." Denn um eine teure Wasserstofftankstelle wirtschaftlich zu betreiben, seien 400 Pkw, aber nur 20 Lkw nötig. "Da genügt eine Spedition in der Nähe, die ihren Fuhrpark umstellt."
Aber natürlich sieht Mahle auch den wachsenden Bedarf an E-Fahrzeugen. Die Elektrifizierungsgrad werde jedoch regional sehr unterschiedlich ausfallen. Europa etwa schwenke zumindest bei Pkw bis in gut zehn Jahren praktisch komplett auf den batterieelektrischen Antrieb um. Ähnlich Nordamerika, mit einem etwas größeren Anteil von Verbrennern. Ganz anders stelle sich der chinesische Markt dar. Dort wären 2035 rund 55 Prozent der neuen Pkw vollelektrisch unterwegs. Weitere 40 Prozent stellen Plug-in-Hybride, die in China wegen ihrer viel größeren Reichweite als in Europa sehr beliebt seien.
Wachstumsregionen China und Indien
Wo die Musik spielt, da ist sich Franz auch sicher: in China und Indien. Dort sind die größten Wachstumsregionen, während in den USA oder Europa die Zahl der verkauften Autos immer weiter sinke. Doch wollen die Schwellenländer überhaupt nachhaltige Lösungen? "Als Systemlieferant können wir nur die motorseitigen Voraussetzungen schaffen, dass Wasserstoff, Ethanol, Bio-LNG oder E-Fuels als Treibstoffe funktionieren. Den Rest müssen Gesellschaft und Politik erledigen."