Von Wolf von Dewitz, dpa
Der weiße Fleck soll weg auf der Weltkarte von Deutschlands Autobauern. Aus Sicht von Daimler, VW und BMW hatte der Atomstreit den Absatzmarkt Iran praktisch ausradiert, wegen der Sanktionen verkauften die deutschen Konzerne dort gar keine Autos, wie der Verband der Automobilindustrie (VDA) bestätigt. Das soll sich ändern - mit Blick auf das wohl baldige Ende der Sanktionen zeigen deutsche Autobauer ihr Interesse, ihre Aktivitäten in dem ölreichen Land am Persischen Golf hochzufahren. Doch bis gute Geschäfte gemacht werden, wird es nach Expertenmeinung noch dauern.
Traditionell spielt Teheran in der globalen Autowirtschaft durchaus eine Rolle. Denn der Iran ist in der Region Naher Osten bis Pakistan eins der wenigen Länder mit nennenswerter heimischen Autoproduktion - etwa eine Million Fahrzeuge waren es zuletzt. Vor allem Franzosen waren lange Zeit mit von der Partie - die iranischen Produzenten Khodro und Saipa nutzten Bauteile von Peugeot und Renault. Verkürzt gesagt: Außen waren es iranische Modelle, innen waren sie europäisch.
Die Sanktionsspirale im Atomstreit jedoch ließ die Finanzströme in den Iran versiegten, der daraus resultierende Wirtschaftsflaute betraf auch die dortige Autobranche. Laut Automobil-Weltverband OICA sank Irans Fahrzeugproduktion von 2011 bis 2013 um gut die Hälfte auf 630.000 Fahrzeuge ein. 2014 ging es zwar wieder hoch auf 925.000, der Wert von 2011 (1,4 Millionen) liegt jedoch in weiter Ferne.
"Inoffizielle" Importe
Bereits dieses Jahr geht es einer Studie von IHS Automotive zufolge um schätzungsweise 12,5 Prozent aufwärts, obwohl die Sanktionen nach der Einigung im Atomstreit noch gar nicht aufgehoben sind. Das dürfte sich bis 2016 hinziehen. Doch es werde wohl schon 2015 ruckzuck "inoffiziell" in den Iran importiert werden, so die Studienautoren. Vor allem chinesische Autobauer würden profitieren.
So gesehen sind Daimler, VW und BMW also unter Zugzwang. Offiziell geben sich die deutschen Konzerne eher verhalten und verweisen darauf, dass die Sanktionen erst noch fallen müssten. "Es gibt noch so viele Hindernisse, wir sind erst am Anfang", sagt ein BMW-Sprecher. "Wir verfolgen die aktuelle Entwicklung und führen erste Gespräche auf politischer Ebene", teilt VW mit. "Mögliche weitere Schritte ergeben sich aus der künftigen Entwicklung."
Zugleich zeigen die deutschen Firmen schon jetzt Präsenz. So reisten die Cheflobbyisten von Daimler und VW, Eckart von Klaeden und Thomas Steg, unlängst mit Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) in den Iran. Bei dem Besuch betonte Gabriel, die Auto- und Zuliefererindustrie sei eine der Branchen mit guten Chancen für die deutsche Wirtschaft.
Kürzlich kam Daimler-Chef Dieter Zetsche in Stuttgart auf das Thema Iran zu sprechen. "Wir werden natürlich Randbedingungen exakt verfolgen und uns im Rahmen dessen, was sich an neuen Möglichkeiten ergibt, bewegen", sagte er. "Insbesondere die Nutzfahrzeuge erfreuten sich einer großen Beliebtheit." Tatsächlich scheint sich schon jetzt etwas zu bewegen, laut Nachrichtenagentur Bloomberg zeichnet sich eine Zusammenarbeit von Daimler mit Iran Khodro beim Lkw-Bau ab.
Kein starker Wunsch nach europäischen Luxusgütern?
Doch selbst wenn Irans Wirtschaft dort in Gang kommt und die Kaufkraft der Iraner wächst, viele deutsche Oberklasseautos werden nach Einschätzung vom Peter Fuß von dem Beratungsunternehmen Ernst & Young auch künftig nicht zu sehen sein auf Teherans Straßen. "Es wird ein paar Reiche geben, die sich deutsche Luxusautos leisten - aber den starken Wunsch nach europäischen Luxusgütern wie noch zu Zeiten unter dem Schah wird es nicht mehr geben." Die Absatzzahlen dürften eher "homöopathisch schwach" bleiben, so Fuß.
Auch vor den harten Sanktionen war der Absatz mickrig, wie VDA-Zahlen belegen: 2005 hatten deutsche Autobauer 2.640 Fahrzeuge in den Iran verkauft, Höchstwert seit langem. Im Jahr 2000 waren es gar nur 22. Dennoch sei der Iran für die Autobranche immens wichtig, sagt Fuß. Grund: Das Land könnte zu einem "Hub" - einem Drehkreuz - für die ganze Region Naher Osten bis Pakistan werden. Auch deutsche Autobauer könnten in die dortige Produktion einsteigen, um günstige Autos herzustellen und in der Region zu verkaufen.
Stefan Bratzel von der Fachhochschule der Wirtschaft Bergisch Gladbach äußert sich eher vorsichtig. "Das ist kein Selbstläufer", sagt er zu den Chancen deutscher Autofirmen im Iran. Auch er meint, das größte Potenzial für deutsche Autobauer stecke weniger im Export in den Iran als vielmehr im Lizenzbau vor Ort - so könnten dort beispielsweise ältere Modelle vom VW Golf produziert werden.