Draußen Auto-Show, drinnen Branchentreff – die IAA Mobility trennt im zweiten Jahr sauber nach Fach- und Privatbesucher. Während letztere vor allem die Open Spaces in der Innenstadt besuchen sollen, kommen Hersteller, Zulieferer und Journalisten in den Riemer Messehallen zusammen. Diesmal mit besonders starker chinesischer Beteiligung.
Grundsätzlich dürfen auch Privatpersonen in die auf den sogenannten IAA Summit, wo in sieben Hallen Unternehmen sich selbst und ihre Produkte präsentieren. Allerdings liegen die Preise für reguläre Karten in dreistelliger Höhe – und richten sich damit klar an Unternehmen. Entsprechend nüchtern fällt vor Ort das Drumherum aus: Die Überwältigungs-Architektur der Frankfurter IAA mit ihren teils mehrstöckigen Gebäuden ist hier nur noch selten zu sehen, stattdessen dominiert klassisch praktischer Messebau in Stahlrohr-Optik. Die deutschen Hersteller leisten sich immerhin noch vergleichsweise großflächige Ausstellungen.
Die neue Bescheidenheit bei Mercedes-Benz, Volkswagen und BMW hat nicht nur mit dem Fernbleiben der Messe-Kundschaft zu tun. Generell dürften auf die europäischen Hersteller eher schwierige Zeiten zukommen: Zwar sehen die Neuzulassungsstatistiken aktuell für fast alle Marken noch gut aus, allerdings verzerren Nachholeffekte das Bild. Denn aktuell werden in Deutschland und Europa vor allem die Autos ausgeliefert und angemeldet, die noch während der Produktionsengpässe im vergangenen Jahr gekauft wurden. Für das laufenden Jahr hingegen herrscht vielerorts Leere in den Bestellbüchern – ein Phänomen, das sich in der zweiten Jahreshälfte auch in den amtlichen Statistiken wiederfinden dürfte.
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Nicht wenige Hersteller sparen sich angesichts der wirtschaftlichen Lage gleich ganz den Weg nach München. Peugeot, Citroen und Fiat fehlen ebenso wie Hyundai, Kia und Toyota. Auch exklusivere Marken wie Ferrari, Jaguar und Volvo bleiben der Messe fern. Neben den deutschen Platzhirschen plus Opel und Ford sind vor allem Zulieferer, Mobilitätsdienstleister und It-Unternehmen vor Ort. Und natürlich die Chinesen. Für BYD, MG Motor und Xpeng soll die IAA zum Sprungbrett auf den Kontinent werden. Noch ist der Europa-Marktanteil aller chinesischen Hersteller zusammen mit knapp 2,5 Prozent relativ klein – gegenüber dem Vorjahr hat er sich aber bereits verdoppelt.
BYD zeigt Größe
Was die Produkte angeht, schlagen sich die Chinesen mindestens achtbar. BYD beispielsweise – mittlerweile größter E-Autobauer der Welt – hat seine elektrischen Mittelklassemodelle Seal und Seal U mitgebracht und zeigt sie auf einem der größten und auffälligsten Stände auf der Messe, Etwas kleiner tritt MG Motor auf, die den flachen Roadster Cyberster als seriennahen Prototypen mitgenommen haben. Und auch Akku-Gigant CATL baut groß. Dazu kommen zahlreiche kleinere Anbieter – und auffällig viele chinesische Besucher in der bayerischen Hauptstadt.
IAA Mobility 2023 - Impressionen Pressetag/Eröffnung
BildergalerieWährenddessen müssen die Deutschen ihre Elektro-Modellpalette noch neu justieren: Mercedes gibt einen Ausblick auf die Ende 2024 kommende elektrische CLA-Klasse, die den Einstieg in das bislang durch sehr große und sehr teure Modelle geprägte Batterieauto-Angebot erleichtern soll. Die Rahmendaten wie 750 Kilometer Reichweite und Mini-Ladezeit klingen verheißungsvoll, trotzdem ist das Auto so konstruiert, dass auch ein Vierzylinder-Verbrenner unter die Haube passt, sollte es nötig werden.
Audi hat nach mehrmaliger Verzögerung mit dem Q6 E-tron nun das erste elektrische Auto auf seiner neuen Premium-Plattform dabei, wenn auch nur als Prototyp mit neuem Interieur. Und BMW zeigt, wie man sich die batteriebetriebene Zukunft der Marke vorstellen kann – ab 2025. Die Studie Vision Neue Klasse zählt sicherlich zu den Höhepunkten der Show, ist aber ebenfalls bis auf weiteres nicht zu kaufen – anders als das frisch geliftete Model 3 auf dem Tesla-Stand eine Halle weiter. Vielleicht ist auch das einer der Gründe, warum BMW-Chef Oliver Zipse in einem Interview kurz vor Messestart noch einmal öffentlichkeitswirksam den EU-Fokus auf Elektromobilität beklagte, und Technologieoffenheit einforderte.
Dass die Europäer noch lange nicht im E-Zeitalter leben, zeigt auch ein zweiter Messe-Star: der neue VW Passat Variant. Der Mittelklasse-Kombi kommt immerhin mit Plug-in-Hybridtechnik. Und auch schon Anfang 2024. Mehr als ein Auslaufmodell für Europa ist der künftig in Tschechien neben dem Skoda Superb gebaute Markenklassiker aber auch nicht mehr. Rund 100.000 Verkäufe pro Jahr erwartet das Beratungsunternehmen Inovev in seiner Marktprognose. VW hofft, dass einige der fehlenden Kunden auf den elektrischen ID.7 umsteigen.
Wer gewinnt das "Volumenrennen"
Ein bedingungsloses Bekenntnis zum E-Auto ist die IAA Mobility trotz ihrer zunehmend Auto-alternativen Ausrichtung nicht geworden. Zumindest nicht von deutscher Seite. Ob sich das als Fehler herausstellt, hängt auch von der Entwicklung der chinesischen Hersteller ab. Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer sieht in München den Start eines "Volumenrennens": "Die Chinesen haben deutliche Skalenvorteile bei Elektroautos als alle westlichen Hersteller. Und um diese schneller zur Entfaltung zu bringen sind Preiskriege ein probates Mittel." Sollten BYD und Co. tatsächlich die Preise auch in Europa massiv senken können, dürften die Deutschen mit ihren kostenintensiven Spätstartern ernste Probleme bekommen.
Richtig gute Stimmung ist vor dem Hintergrund dieses Szenarios nicht. Das muss den Messebesucher allerdings gar nicht stören. Denn ob die Messe ein Erfolg wird, zeigt sich nicht allein in den Messehallen, sondern vor allem auf den Open Spaces in der Innenstadt, wohin die bunten und festlichen Anteile der IAA ausgelagert wurden.