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Hohe Neuwagenpreise: Wer soll das bezahlen?

19.05.2022 10:44 Uhr | Lesezeit: 8 min
Hohe Neuwagenpreise: Wer soll das bezahlen?
Für Autokäufer sind die Zeiten schlecht.
© Foto: picture alliance / Rupert Oberhäuser

Wenn Neuwagen aktuell überhaupt zu bekommen sind, dann allenfalls zu extremen Preisen. Das ist nicht nur eine Folge von Corona und Ukraine-Krieg, sondern hat tiefere Wurzeln.

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Gut 9.000 Euro in drei Jahren. Das ist der Betrag, um den die günstigste Ausführung des VW Golf seit 2019 in Deutschland teurer geworden ist. Der mittlerweile mindestens 28.500 Euro teure Bestseller ist kein Einzelfall: Nicht erst seit Start der Pandemie steigen die Preise für Neuwagen rasant. Gleichzeitig streichen die Hersteller immer häufiger preiswerte Klein- und Kleinstwagen aus dem Angebot. Wird der Autokauf zum Luxus?

Aktuell wichtigster Grund für das hohe Preisniveau sind die Produktionsengpässe im Zuge von Corona-Krise und Ukraine-Krieg. "Die aktuellen Lieferkettenprobleme sind fast ein Glücksfall für die Autoindustrie", weiß Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer. Weil Corona, Chipkrise und Ukraine-Krieg den Nachschub wichtiger Komponenten und Materialien stocken lassen, können die Hersteller viel weniger Fahrzeuge bauen als sie verkaufen könnten. Und knappe Güter sind teuer. "Die Autohersteller können ihre wenigen verfügbaren Fahrzeuge aktuell zu hohen Preisen verkaufen. Die jahrzehntelang üblichen Rabatte sind stark zurückgefahren", so Dudenhöffer.

Dazu kommt: Die Industrie baut und verkauft zurzeit vornehmlich Modelle mit hohen Margen – also teure Fahrzeuge mit viel Ausstattung, gerne auch E-Autos, die die eigene CO2-Bilanz verbessern. Günstige Kleinwagen ohne Extras sind aktuell neu kaum zu bekommen. Oder nur mit sehr langen Wartezeiten. Und auch in den größeren Fahrzeugklassen hat sein neues Auto in der Regel schneller, wer ein starkes und üppig konfiguriertes Modell wählt.

Zu wenig Alternativen?

Dudenhöffer erwartet, dass sich die Situation bis 2024 wieder entspannt. Das dürfte allerdings vor allem für die Verhandlungsposition des Kunden gelten. Sind wieder genug Fahrzeugalternativen vorhanden, sinken die Preise. Doch in einigen Fahrzeugklassen könnte es gerade bei den Alternativen haken. In den vergangenen Jahren ist beispielsweise die Klasse der günstigen Kleinstwagen stark geschrumpft. Einstige Bestseller wie Peugeot 108, Skoda Citigo oder Opel Adam werden nicht mehr gebaut, andere wie den VW Up oder die auslaufenden Stromer von Smart gibt es nur noch in relativ kostspieligen Elektro-Varianten. Und die auch nicht mehr lange oder in großen Stückzahlen.

Im einst heiß umkämpften Preisbereich von rund 10.000 Euro finden sich mit Dacia Sandero und Mitsubishi Space Star heute gerade noch zwei Modelle. Wettbewerber wie Kia Picanto (13.250 Euro), Renault Twingo (15.800 Euro) und Fiat Panda (13.490 Euro) werden mittlerweile für Beträge angeboten, für die es vor wenigen Jahren noch einen ordentlich ausgestatteten Kleinwagen gegeben hätte – ein deutlich größeres Auto mit mehr alltagspraktischem Wert.

Die eine Klasse höher angesiedelten Kleinwagen könnten die nächsten Opfer der Entwicklung sein. Vielerorts sind günstige Varianten wie die Dreitürer oder die schwach motorisierten Basisautos schon verschwunden. Und die Entwicklung geht noch weiter: So hat Audi kürzlich angekündigt, aus dem Segment komplett aussteigen zu wollen. Wie Audi-Chef Markus Duesmann gegenüber der "Frankfurter Allgemeine Zeitung" bestätigte, sind für die Kleinwagen-Modelle A1 und Q2 keine Nachfolger geplant. Folglich werden in einigen Jahren die kompakten Baureihen A3 und Q3 den Einstieg in die Audi-Welt markieren. Aktuell starten die Preise dort bei knapp 29.000 Euro.

Der Grund für den Strategieschwenk ist simpel: Mit größeren und teureren Autos lässt sich mehr Geld verdienen. Profitabilität kommt für viele Hersteller mittlerweile vor den nackten Absatzzahlen. Das gilt nicht nur für die Premiumanbieter: Auch die Volumenmarke Ford will sich künftig neu positionieren und in Europa neben dem Nutzfahrzeuggeschäft vor allem auf Modelle wie den Mustang und Mustang Mach-E setzen, die für "Freiheit und Abenteuer" stehen. Brot- und Butter-Autos wie Fiesta und Focus fallen dann wohl hintüber. Sollte es überhaupt Nachfolger für die beiden Markenikonen geben, werden sie sicher E-Autos und wahrscheinlich Crossover werden. Mit entsprechenden Preisen.

Trends führen zu Teuerung

Denn die beiden Trends führen zusätzlich zu einer Teuerung. Für Crossover können die Hersteller deutliche Preisaufschläge gegenüber einer klassischen Limousine durchsetzen – unabhängig von Nutzwert oder Produktionskosten. Beide müssen nicht zwingend wesentlich höher liegen. Die Kunden haben das bislang begeistert akzeptiert, was auch einer der Gründe für das Aussterben der günstigen Kleinst- und Kleinwagen von klassischem Zuschnitt ist. Dazu kommt nun aber der E-Aufschlag.

Weil vor allem die Batterietechnik viel Geld kostet, sind E-Mobile einige Tausend Euro teurer als vergleichbare Verbrenner. Die E-Autoprämie federt das nur teilweise ab, weil die meisten Hersteller ihre E-Varianten tendenziell in hohen Ausstattungslinien und mit starken Antrieben anbieten, was bereits für vergleichsweise hohe Grundpreise sorgt.

All die Phänomene zusammen – die Lieferkettenprobleme, der SUV-Trend, die Elektrifizierung und die Umstellung der Hersteller auf gewinnstarke Modelle – müssten den durchschnittlichen Privatkunden aktuell wenig stören. Denn er ist höchstens für ein Drittel aller Neuwagenkäufe verantwortlich; der überwiegende Teil der Privatautos wird gebraucht gekauft. Doch auch dort steigen die Preise: Im April verlangten Inserenten beim Online-Marktplatz "Mobile.de" im Schnitt 31.801 Euro und damit rund 6.800 Euro beziehungsweise 27 Prozent mehr als ein Jahr zuvor.

Schlechte Neuwagen-Verfügbarkeit

Kleinwagen legten um 27,8 Prozent, Nutzfahrzeuge sogar um 31,1 Prozent zu. Hauptgrund sind in diesem Fall nicht längerfristige Entwicklungen und Trends, sondern vor allem die schlechte Neuwagen-Verfügbarkeit. Firmenflotten schieben zurzeit häufig die Erneuerung ihres Fuhrparks auf, was den Nachwuchs an Leasingrückläufern stocken lässt. Dadurch steigen die Preise und reißen auch gleich den übrigen Markt für relativ neue Gebrauchtwagen mit.

Für Autokäufer sind die Zeiten also schlecht. Und für Neuwagenkäufer mit kleinem Budget dürften sie das auf absehbare Zeit auch bleiben. Denn vor allem neue preisgünstige E-Mobile sind höchstens am Horizont zu erkennen. Die meisten Hersteller füllen erst einmal die größeren Fahrzeugklassen mit ihren höheren Gewinnversprechen. Blickt man nach China, könnte sich das allerdings irgendwann wieder ändern. Denn dort feiert die Kleinstwagenklasse im E-Zeitalter plötzlich ein fröhliches Comeback, überholte beim Absatz zuletzt auch das Kleinwagen-Segment. Bleibt für die hiesige Industrie zu hoffen, dass der Trend nicht nach Europa überschwappt und fernöstliche Hersteller die klaffende Marktlücke hierzulande füllen.

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