Das geplante Lieferkettengesetz könnte die in der chinesischen Region Xinjiang tätigen deutschen Unternehmen in Bedrängnis bringen. Nach einem Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags könnten Firmen zu einem Abbruch der Zusammenarbeit mit staatlichen Zulieferern gezwungen sein, wenn diesen Menschenverletzungen gegen die Minderheit der muslimischen Uiguren nachgewiesen werden. "Mit Inkrafttreten des Lieferkettengesetzes erscheint - unter Anwendung der gesetzlich verankerten Kriterien - eine Pflicht deutscher Unternehmen zum Abbruch der Geschäftsbeziehungen zu ihren chinesischen Zulieferern fast unausweichlich", heißt es in der 128-seitigen Expertise, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Zuerst hatte die "Süddeutsche Zeitung" über das von den der Grünen-Abgeordneten Margarete Bause in Auftrag gegebene Gutachten berichtet.
"Die Verantwortung der deutschen Unternehmen, die in Xinjiang tätig sind, ist mit diesem Gutachten klarer denn je", kommentierte Bause die Ergebnisse. "Jedes deutsche Unternehmen muss sich jetzt ernsthaft die Frage stellen, ob es Geschäftsbeziehungen nach Xinjiang unter diesen Bedingungen weiter aufrechterhalten will." In der chinesischen Provinz ist zum Beispiel Volkswagen mit einem Werk vertreten.
Gesetz soll Beteiligung deutscher Unternehmen an Zwangsarbeit verhindern
Das Kabinett hatte im März das umstrittene Lieferkettengesetz verabschiedet, das der Beteiligung von Zwangsarbeitern an der Herstellung von Produkten deutscher Unternehmen entgegenwirken soll. Das parlamentarische Verfahren läuft allerdings noch. Die Wirtschaft befürchtet Wettbewerbsnachteile für deutsche Unternehmen im europäischen Vergleich.
Menschenrechtsgruppen schätzen, dass Hunderttausende Uiguren, Kasachen, Hui oder andere Mitglieder muslimischer Minderheiten im Nordwesten Chinas in Umerziehungslager gesteckt worden sind. Die Vorwürfe gegen China reichen von Folter über sexuellen Missbrauch bis Zwangsarbeit. China spricht hingegen von Fortbildungszentren.
Zur Frage, ob es sich beim Vorgehen der chinesischen Führung gegen die Uiguren um Völkermord handelt, trifft das Gutachten keine klare Aussage. Am Montagabend fand dazu eine Anhörung des Menschenrechtsausschusses des Bundestags statt. Keiner der geladenen Experten - Juristen, Menschenrechtsaktivisten, Politologen und Kulturwissenschaftler - sah den Tatbestand des Völkermords als juristisch belegt an, eher schon den Vorwurf der Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Der Berliner Jura-Professor Florian Jeßberger wies allerdings darauf hin, dass man zwischen der alltagssprachlichen und juristischen Verwendung des Völkermordbegriffs unterscheiden müsse.
Die Parlamente Kanadas, Großbritanniens und der Niederlande haben China bereits Völkermord vorgeworfen. Der neue US-Außenminister Antony Blinken hat von Genozid gesprochen, dies aber als seine persönliche Meinung kenntlich gemacht. China weist die Vorwürfe entschieden zurück.
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