Hiobsnachricht für das Saarland: Der US-Autobauer Ford hat sich bei einem wegweisenden Investitionspaket gegen sein Werk im saarländischen Saarlouis entschieden. Stattdessen soll eine Elektroauto-Plattform im spanischen Valencia entstehen, wie der Konzern am Mittwoch bekanntgab. Dort sei "das am besten positionierte Werk", um Fahrzeuge auf Basis einer Elektro-Architektur zu produzieren, hieß es von der Firma.
Die Entscheidung trifft die 4.600 Ford-Beschäftigten im Saarland hart. Denn die Autoproduktion ist an dem Standort nur bis Mitte 2025 gesichert, dann läuft die Herstellung des Verbrenner-Modells Ford Focus aus. Ab dann stehen die Bänder still – es sei denn, Ford legt doch noch andere Pläne auf den Tisch.
Die Belegschaft hatte gehofft, dass die Jobs dank Elektroinvestitionen auch nach 2025 großteils sicher sind. Diese Hoffnung macht der Beschluss des Managements nun zunichte. Von Arbeitnehmervertretern und aus der Politik kam scharfe Kritik.
Saarlands Ministerpräsidentin Anke Rehlinger und Wirtschaftsminister Jürgen Barke (beide SPD) bezeichneten die Entscheidung als "Farce". Es dränge sich der Eindruck auf, dass das interne Bieterverfahren nie fair gewesen sei. Denn tatsächlich liege Saarlouis im Vergleich zu Valencia "deutlich vorn". Dass die Belegschaften beider Standorte in dem Bieterverfahren gegeneinander ausgespielt worden seien, sei "schäbig". Die Landesregierung werde für die Arbeitsplätze kämpfen.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) forderte von Ford "zeitnah konkrete Pläne für die Zukunft des Werks in Saarlouis". Der Konzern sei als Eigentümer des Werkes, Arbeitgeber und bedeutender Automobilhersteller im größten europäischen Automobilmarkt Deutschland in einer besonderen Verantwortung, sagte Habeck.
"Belogen, betrogen und verarscht"
Markus Thal, Betriebsratsvorsitzender des Standortes Saarlouis, sagte: "Wir wurden belogen, betrogen und verarscht. Drei Jahre hat man uns gegen die Wand laufen lassen." In einer ersten Stellungnahme sprachen die Betriebsräte von einem "abgekarteten Spiel" und einem "Scheinverfahren". Man habe gekämpft, sei der klare Sieger im Bieterwettbewerb gewesen und werde nun um den Erfolg gebracht. Der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrates in Deutschland, Benjamin Gruschka, bezeichnete die Entscheidung von Ford als "Komplettversagen der Europazentrale". Nach Ansicht der Betriebsräte habe die Standortentscheidung offenbar von Beginn an festgestanden.
Nach der Grundsatzentscheidung des Managements stehen in Valencia nun Umstrukturierungen an. Die Investitionssumme und das konkrete Automodell werden zu einem späteren Zeitpunkt festgelegt. In Saarlouis sieht die Zukunft düster aus. Es drohe eine Schließung oder ein Verkauf, sagte Betriebsrat Gruschka mit Blick auf das Focus-Produktionsende 2025.
Kosten entscheiden
Ford-Europachef Stuart Rowley sagte der dpa, dass die Entscheidung pro Spanien keine Entscheidung zur Schließung des Standorts in Saarlouis sei. "Wir bemühen uns nun um Wege, um so vielen betroffenen Beschäftigten wie möglich eine Zukunft zu geben." In technischer und strategischer Hinsicht seien die beiden Standorte gleichauf gewesen, in finanzieller Hinsicht sei Valencia hingegen im Vorteil gewesen.
Auf die Frage, ob Saarlouis im Ford-Konzern nach 2025 noch eine Zukunft habe, sagte Rowley, man werde nun eine Task Force gründen und das weitere Vorgehen mit den Arbeitnehmervertretern und der saarländischen Landesregierung besprechen. Man blicke auf Möglichkeiten, die innerhalb und außerhalb von Ford liegen. Konkreter wurde er nicht. Zu dem Vorwurf, die Entscheidungsfindung sei unfair verlaufen, sagte Rowley: "Das ist nicht richtig – wir haben binnen sechs Monaten viel Zeit investiert, um uns mit den Entscheidungsträgern beider Standorte zu beraten."
Der Betriebsrat glaubt nicht mehr an entsprechende Angebote von Ford. "Das sind Beruhigungspillen, von denen haben wir genug bekommen", sagte der Arbeitnehmervertreter Thal. "Die können sie alle mitnehmen und nun anderen einführen." Nun müsse man sehen, welche rechtlichen Möglichkeiten es noch im Rahmen des Tarifvertrages gebe.
Fokus auf E-Mobilität
Ford ist im Umbruch. Im Zeitalter der Elektromobilität hinkte der US-Autobauer zunächst Wettbewerbern hinterher und schien die Zeichen der Zeit zu verschlafen. Inzwischen investiert Ford aber kräftig in die Elektromobilität, um auch in Zukunft im Wettbewerb bestehen zu können. In den Plänen der Amerikaner spielt die Kölner Europazentrale eine große Rolle, insgesamt zwei Milliarden US-Dollar will der Konzern dort in den kommenden Jahren investieren und Elektroautos herstellen, die Produktion soll Ende 2023 starten.
In der Domstadt hat Ford rund 15.000 Beschäftigte. Dort basieren die geplanten Stromer auf der Elektroplattform von VW. In Valencia will Ford eine eigene Plattform installieren, um damit weitere Elektromodelle zu bauen. Wann dort die ersten Ford-Stromer vom Band rollen, ist unklar – "später im Jahrzehnt", heißt es hierzu vage.
Branchenexperten haben für den Fortbestand des Ford-Werks in Saarlouis wenig Hoffnung. Damit Saarlouis doch noch in die Elektroproduktion einbezogen wird, müsste Ford in den kommenden Jahren einen Verkaufsboom bei Stromern erleben, sagte Stefan Bratzel von der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach. "Aber das ist absolut nicht in Sicht – mengenmäßig dürften die Standorte, wo bisher investiert werden soll, ausreichen."