Von Hannes Breustedt, dpa
Ein Mann, eine Mission: Sergio Marchionne, Chef des transatlantischen Autoriesen Fiat Chrysler FCA, will den Konzern verkuppeln – dabei nehmen seine Anbandlungsversuche zunehmend manische Züge an. Beim großen Wettbewerber General Motors (GM) fiel der Italo-Kanadier zuletzt regelrecht mit der Tür ins Haus, blitzte aber ab. Auch sonst scheint sein Werben bislang vergeblich. Dabei meint es Marchionne angeblich nur gut – er stellt sich als Heiler einer kränkelnden Branche dar. Was führt er wirklich im Schilde?
Es stimmt – der Druck auf die Hersteller steigt: Autobauen wird teurer, und das Wachstum dürfte abflauen. Bei Trends wie autonomem Fahren oder Elektroantrieb mitzuhalten, und zugleich die regulatorischen Vorschriften einzuhalten, kostet viel Geld. "Das Geschäftsmodell der Zukunft erfordert hohe Investitionen", sagt Stefano Aversa vom Beratungshaus AlixPartners. Massenhersteller wie FCA müssten neue Wege finden, um das bezahlen zu können.
Das weiß auch Marchionne. Und mit Fusionen, die häufig kostensenkend wirken, hat er gute Erfahrungen gemacht. Mit Fiat war er nach der Finanzkrise beim angeschlagenen US-Rivalen Chrysler eingestiegen, hatte die Anteile über Jahre ausgebaut und ihn im vergangenen Herbst komplett geschluckt. Bislang gilt die Hochzeit als erfolgreich und stellt damit eine Ausnahme in der von Megaflops wie dem gescheiterten Zusammenschluss von Daimler und Chrysler traumatisierten Branche dar.
Konsolidierung als letzter Ausweg
Dass der 63-Jährige, der den FCA-Chefposten 2018 abgeben möchte, sich für Fusionen und Übernahmen begeistert, ist bekannt. Dennoch war die Deutlichkeit überraschend, mit der er dieses Anliegen zuletzt vorantrieb. Er forderte GM-Chefin Mary Barra mehr oder weniger öffentlich zum Zusammenschluss auf und machte mit einer Power-Point-Präsentation Schlagzeilen, die Konsolidierung als letzten Ausweg der gebeutelten Branche darstellt. Das offene Vorgehen ist ungewöhnlich, normalerweise findet sowas diskret statt.
Als Insider wolle er seinen Beitrag zur "Heilung" der am Kostendruck krankenden Autoindustrie beisteuern, betonte Marchionne aufopferungsvoll. Auch wenn der Top-Manager als geschickter Stratege gilt, den man nicht unterschätzen sollte, sorgte seine aktuelle Kampagne für einige Verwunderung. Analysten waren schnell mit Kritik zur Stelle und stuften den Vorstoß als durchsichtiges Manöver aus Mangel an Optionen und Alternativen ein.
"Fiat Chrysler verdient wenig Geld und hat die schlechteste Bilanz in der Branche", kommentierte Max Warburton vom Analysehaus Bernstein Research. Marchionne habe derzeit nicht viel außer seinem eigenen Renommee, womit er punkten könne. "Der Konzern ist fundamental überbewertet", so Warburtons vernichtendes Urteil. Das ist schon etwas hart, denn FCA konnte zuletzt durchaus auch Erfolge vorweisen.
Türöffner für Tech-Riesen
So boomt dank Verkaufsschlagern wie Ram-Pickup-Trucks oder Jeep-Geländewagen von Chrysler der Absatz im US-Markt. Aber die Gewinnmargen sind deutlich magerer als bei Ford oder GM. Zudem droht FCA bei Entwicklungen wie Elektroautos ins Hintertreffen zu geraten. Es kommt nicht von ungefähr, dass Marchionne auch Tech-Giganten wie Apple und Google die Tür zur Autobranche öffnen will.
Vor dem Hintergrund der Schwächen von FCA macht Marchionnes Brautschau insgesamt eher einen verzweifelten als einen souveränen Eindruck. Derzeit deutet wenig darauf hin, dass der FCA-Chef einen großen Konkurrenten für einen Zusammenschluss begeistern kann. Und beim Versuch einer feindlichen Übernahme von Schwergewichten wie GM, das einen viel höheren Börsenwert hat, würde er sich wohl verheben.
Doch selbst wenn FCA erstmal leer ausgehen sollte – die Zeichen der Zeit dürfte Marchionne mit seinem Fusionsappell erkannt haben. "Wir erwarten eine deutliche Konsolidierungswelle und neue Partnerschaften in der Autoindustrie", sagt AlixPartners-Experte Stefano Aversa. (dpa)
Ehemaliger Fiat Fan