Die umstrittenen Abgastests an Affen können nach Expertenmeinung die Debatte um möglicherweise drohende Fahrverbote in mehreren Städten beeinflussen. "Für die Fragen rund um Fahrverbote ist das Gift", sagte Branchenexperte Stefan Bratzel vom Autoinstitut der Wirtschaftshochschule Bergisch Gladbach. Volkswagen attestierte er, es fehle ein "Großreinemachen", um bislang unbekannte Probleme aufzudecken. Allerdings gebe es "große Ängste, dass man sich rechtlich angreifbar macht. Das ist die Tragik."
Ob es Diesel-Fahrverbote wegen zu schlechter Luft in Deutschland geben könnte, bleibt offen. In 20 Städten werde es trotz aller Anstrengungen wohl auch bis 2020 nicht gelingen, die EU-Grenzwerte für Stickoxide einzuhalten, sagte Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) nach einem Gespräch bei der EU-Kommission. Die Brüsseler Behörde hält die deutschen Bemühungen für unzureichend. Damit wird eine Klage am Europäischen Gerichtshof immer wahrscheinlicher.
Der scheidende Präsident des Verbands der Automobilindustrie (VDA), Matthias Wissmann, verwies auf zuletzt gesunkene Stickoxidwerte in Stuttgart, München und Berlin. Die Branche kümmere sich in einer großen Initiative mit den Städten um gemeinsame Ideen, wie man die Emissionen weiter reduzieren könne. Das sei besser als Fahrverbote oder Technologievorschriften, sagte Wissmann am Dienstagabend auf dem VDA-Neujahrsempfang in Berlin. Auf die Versuche mit Affen ging er nicht konkret ein. Alle führenden Persönlichkeiten der Industrie wüssten: "Nur wenn man aus gemachten Fehlern lernt, wird man die Zukunft gewinnen."
Die Autoindustrie hatte Wissenschaftler eingespannt, die mit der von BMW, Daimler, VW und Bosch gegründeten Lobbyorganisation EUGT – der "Europäischen Forschungsvereinigung für Umwelt und Gesundheit im Transportsektor" – Gesundheitsgefahren von Dieselabgasen verharmlost haben sollen. Dabei waren auch Affen mehreren Tests ausgesetzt. Darüber hinaus förderte die Initiative eine Studie der Universität Aachen zur Stickstoffdioxid-Belastung am Arbeitsplatz – Probanden waren 25 Menschen. VW kündigte an, auf Tierversuche künftig verzichten zu wollen. Zuvor hatten die Wolfsburger als erste personelle Konsequenz ihren Cheflobbyisten Thomas Steg beurlaubt (wir berichteten). (dpa)
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Dietmar Seyerle