Von Matthias Brunnert/dpa
Höhere Bußgelder und mehr Fahrverbote für gefährliche Verkehrsdelikte sollen nach Expertenforderung Deutschlands Straßen sicherer machen. Der Verkehrsgerichtstag sprach sich für schärfere Sanktionen aus, vor allem für Überhol-, Tempo- und Abstandsverstöße.
Der Kongress, an dem bis Freitag in Goslar rund 1.850 Verkehrsexperten aus Ministerien, Gerichten, Unternehmen, Hochschulen und Verbänden teilnahmen, forderte auch eine Reform des Unfallflucht-Paragrafen und ein Ende der Abzockerei deutscher Autofahrer durch private Inkassobüros nach kleineren Verkehrsverstößen im Ausland. Der Überblick:
Höhere Bußgelder
Gefährliche Delikte wie Rasen, Drängeln oder Überholverstöße sollen schärfer geahndet werde. Die Bußgelder dafür sind in Deutschland derzeit deutlich niedriger als in vielen anderen europäischen Ländern. Eine pauschale Anhebung aller Bußgeldsätze auch für weniger gefährliche Delikte lehnt der VGT dagegen ab.
Dafür soll die Verkehrsüberwachung dichter werden, vor allem an gefährlichen Abschnitten und Unfallschwerpunkten. Die Kontrollen sollten so angelegt sein, dass die Verkehrsteilnehmer nicht den Eindruck gewinnen, sie sollten zugunsten öffentlicher Kassen abgezockt werden. Zudem solle wissenschaftlich untersucht werden, wie sich das Androhen härterer Strafen auf die Verkehrssicherheit auswirkt.
Bereits im Oktober 2017 war ein Gesetz in Kraft getreten, wonach Teilnehmer an illegalen Autorennen mit bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe bestraft werden können, wenn jemand dabei schwer verletzt oder getötet wird.
Abzocke durch Privat-Inkasso
Das Abkassieren deutscher Autofahrer durch private Inkassobüros nach kleineren Verkehrsdelikten im Ausland muss nach Ansicht des Verkehrsgerichtstages verboten werden. Allein 2017 gab es 450.000 entsprechende Fälle. Nach Angaben des ADAC verlangen Inkassobüros als zusätzliche Gebühr teilweise das 20-fache des eigentlichen Bußgeldes für Park -oder Mautverstöße. Erschwerend komme hinzu, dass die Forderungen für die tatsächlichen oder vermeintlichen Verstöße teilweise erst Jahre später geltend gemacht werden, was die Verifizierung erschwere. Auch deshalb müsse das private Inkasso öffentlich-rechtlicher Bußgelder aus Straßenverkehrsverstößen innerhalb der EU ausgeschlossen sein.
Cannabis am Steuer
Gelegentliche Cannabis-Konsumenten, die erstmalig im Straßenverkehr auffallen, sollen künftig nicht mehr automatisch den Führerschein verlieren. Stattdessen sollten diese Fahrer zur medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU). Dort könnten sie nachweisen, dass sie zum Führen von Kraftfahrzeugen weiterhin geeignet sind.
Grundsätzliche Zweifel an der Fahreignung hat der Verkehrsgerichtstag bei Personen, denen Cannabis als Medikament verordnet wurde. Er forderte dennoch kein Fahrverbot. Diese Patienten sollten aber im Interesse der Verkehrssicherheit von qualifizierten Ärzten umfassend über die Beeinträchtigung ihrer Fahreignung und Fahrsicherheit informiert werden. Dies sei in einem amtlichen Dokument nachzuweisen.
Automatisches Fahren
Das nach der Straßenverkehrsordnung geltende Handyverbot am Steuer soll beim automatischen Fahren nicht gelten, fordern die Experten. Der Gesetzgeber solle klarstellen, dass Fahrerin oder Fahrer das Mobiltelefon und andere elektronische Geräte nutzen dürfen, wenn ein automatisches System die Kontrolle über das Fahrzeug übernommen hat.
Die während der Fahrt gespeicherten Daten sollen nicht nur im Fahrzeug selbst, sondern auch bei einer neutralen Instanz gespeichert werden. Hintergrund sind mögliche Rechtsstreitigkeiten, zum Beispiel, wenn im Fall eines Unfalls darum gestritten wird, ob zum fraglichen Zeitpunkt der Fahrer oder das automatische System die Kontrolle über das Fahrzeug hatte.
Unfallflucht
Das unerlaubte Entfernen vom Unfallort soll auch bei Blechschäden strafbar bleiben. Ein zusätzliche Entziehung der Fahrerlaubnis solle es aber nur noch geben, wenn Personen- oder Sachschaden ab 10.000 Euro entstanden ist. Der Gesetzgeber solle zudem die Vorschriften zur "tätigen Reue" reformieren. Eine Strafmilderung oder das "Absehen von Strafe" sollte nicht nur möglich sein, wenn sich jemand nach Parkremplern nachträglich meldet, sondern auch nach Unfällen im fließenden Verkehr. Zudem solle der Gesetzgeber präzisieren, wie lange man am Unfallort warten muss, wenn man einen Schaden telefonisch gemeldet hat.
Ansprüche Schwerstverletzter
Menschen, die bei Verkehrsunfällen schwerste Verletzungen mit Spätfolgen erlitten haben, sollen besser versorgt werden. Der Verkehrsgerichtstag sprach sich dafür aus, dass die Haftpflichtversicherungen die Aufwendungen für vermehrte Bedürfnisse, wie zum Beispiel die Pkw-Umrüstung oder die Schaffung behindertengerechten Wohnraums, sicherstellen sollen.
Markus Wieser