Von Branchenberater und AUTOHAUS-Experte Detlef Borscheid
Der Automarkt in Europa (EU, GB, EFTA) ist wieder auf Talfahrt. Nachdem die Neuzulassungsentwicklung im Juli bereits eine Erholung (minus 3,3 Prozent) gezeigt hatte, lagen die Pkw-Verkäufe im August mit minus 16,6 Prozent deutlich unter dem Vorjahresniveau. In dem Urlaubsmonat waren teilweise recht unterschiedliche Nachfrageentwicklungen festzustellen. So fielen die Neuzulassungen in Frankreich wieder, da die im Juni gestartete staatliche Prämie für Verbrennerfahrzeugen bereits Ende Juli ausgeschöpft war.
In Italien erholte sich der Markt durch die neue staatliche Prämienregelung, die im August eingeführt wurde. In Spanien bestimmten die gesundheitlichen und wirtschaftlichen Unsicherheiten der Corona-Pandemie noch stark das Nachfrageverhalten. In Deutschland brachen die Neuzulassungen zwar um 20 Prozent ein, der Vergleichsmonat August 2019 war aber noch wegen der Umstellung auf den WLTP-Zyklus deutlich erhöht (wir berichteten). In Großbritannien sanken die Neuzulassungen, nachdem die Zahlen im Juli aufgrund des starken Nachholbedarfs infolge des Corona-Lockdowns deutlich geklettert waren.
Die Top-Länder im Einzelnen:
Deutschland
Die Pkw Neuzulassungen in Deutschland lagen mit 251.014 Pkw um ein Fünftel unter dem Wert von August 2019. Jedoch waren die Vergleichswerte in 2018/19 durch die Einführung des neuen WLTP Messverfahrens deutlich erhöht. Ohne diesen Effekt hätten die Zahlen auf ähnlichem Niveau wie in diesem Jahr gelegen. Auf der anderen Seite ist der August-Wert 2020 positiv beeinflusst von Nachholeffekten, die durch den Corona-Lockdown – Schließung des stationären Handels und teilweise Schließung der Zulassungsämter – entstanden waren.
Frankreich
In Frankreich sind die Pkw-Neuzulassungen nach den Zuwächsen in den Monaten Juni und Juli wieder deutlich gefallen. Im August wurden mit 103.631 Pkw minus 19,8 Prozent weniger zugelassen als im Vorjahresmonat. Dies liegt daran, dass ein wesentlicher Teil der staatlichen Förderung von Neufahrzeugen, die am 1. Juni 2020 erweitert wurde, bereits Ende Juli ausgeschöpft war. Mit der erweiterten Förderung kamen nicht nur Elektro- und Plugin Hybridfahrzeuge in den Genuss einer Kaufprämie, sondern (begrenzt auf 200.000 Pkw) auch sparsame Verbrenner. Die Prämie für Verbrennerfahrzeuge war bereits Ende Juli ausgeschöpft. Damit blieb nur die Elektro-Prämie in Kraft, die den Markt nur bedingt stützte.
Italien
In Italien hat sich der Automarkt im August nach den sehr schwachen Vormonaten stabilisiert. Die Pkw-Neuzulassungen lagen mit 88.801 Einheiten nur knapp unter dem August 2019 (minus 0,4 Prozent). Die Marktstabilisierung kam durch die neue Prämienregelung zustande, die im August eingeführt wurde (das Förderprogramm "ECO Incentive" wurde alternativ durch die beiden zusätzlichen Programme "Decreto Rilancio" und "Decreto Agosto" verstärkt). Dies beinhaltet Anreize zum Kauf von Elektro- und Hybridautos sowie sparsamer Verbrennermodelle. Elektrofahrzeuge können bei der Verschrottung eines älteren Fahrzeugs von Anreizen in Höhe von bis zu 10.000 Euro profitieren. Wenn ein neues Euro-6-Fahrzeug mit einem CO2-Ausstoß von bis zu 110 g / km und einem Preis von bis zu 40.000 Euro gekauft wird und gleichzeitig ein Wagen verschrottet wird, der mindestens zehn Jahre alt ist, gibt es einen Preisnachlass von 3.500 Euro. Ohne Verschrottung eines Altfahrzeugs werden 1.750 Euro gewährt.
Spanien
In Spanien schrumpfte der Pkw-Markt im August um 10,1 Prozent auf 66.925 Stück. Die gesundheitlichen und wirtschaftlichen Unsicherheiten der Coronavirus-Pandemie beeinflussen immer noch stark das Nachfrageverhalten und überkompensieren die positiven Effekte der staatlichen Unterstützung. In Spanien gibt es zwei Prämiensysteme: "Moves II" (Käufer neuer BEVs und PHEVs, die weniger als 45.000 Euro kosten) und "Renove". Letztere Prämie wird beim Kauf eines schadstoffarmen Neufahrzeugs gezahlt, wenn ein mindestens zehn Jahre altes Fahrzeug verschrottet wird.
Großbritannien
In Großbritannien wurden 87.226 Pkw zugelassen, was einem Rückgang von 5,8 Prozent entspricht. Der August ist traditionell ein Monat, in dem die Neuzulassungen dort sehr niedrig sind, da die Verbraucher auf den Nummernschildwechsel warten, der am 1. September stattfindet. In den ersten acht Monaten dieses Jahres liegen die britischen Neuzulassungen um fast 40 Prozent unter der entsprechenden Vorjahresperiode. Ohne staatliche Förderprogramme wird es schwer sein, eine durchgreifende Veränderung der Nachfrageentwicklung zu erreichen.
Prognose
Die Neuzulassungsprognosen für dieses und das nächste Jahr sind von großer Unsicherheit geprägt. Klar ist, die Risiken überwiegen. So liegt dem Ausblick zugrunde, dass keine zweite Corona-Infektionswelle kommen wird. Umfang und Dauer der Pandemie sind jedoch weitgehend unbekannt. Daher gibt es erhebliche Risiken für Unternehmen, die zu Liquiditätsproblemen führen können und für die Beschäftigten, deren Einkommen durch steigende Arbeitslosigkeit sinken können.
Aufgrund des äußerst niedrigen Neuzulassungsniveaus in den ersten acht Monaten in Europa (minus 32,8 Prozent) wird es zu einem deutlichen Rückgang um 25,3 Prozent auf 11,8 Milllionen Pkw kommen – trotz der erwarteten Verbesserungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in den Restmonaten 2020 und dem damit verbundenen Anstieg der Auto-Nachfrage. Der Markt würde in diesem Jahr noch stärker einbrechen, wenn es nicht in vielen Ländern Europas staatliche Fördermittel beim Kauf von Elektro- und Plug-in-Hybridfahrzeugen und teilweise auch für verbrauchsarme Verbrennermotoren geben würde.