Paukenschlag bei Volkswagen: Kurz vor der Hauptversammlung bastelt Konzernchef Herbert Diess an einem großen Wurf. Die Arbeitnehmer bekommen die lange geforderte Batteriezellenfertigung, in Salzgitter will der Konzern dafür knapp eine Milliarde Euro investieren, wie das Unternehmen am Montagabend mitteilte. Zudem macht VW beim lange angepeilten Börsengang der Lkw-Sparte Traton nun doch ernst und will diesen vor der Sommerpause in trockene Tücher bringen - wenn die Bedingungen am Finanzmarkt stimmen.
Die Marktbedingungen hatten Diess und Lkw-Chef Renschler erst vor rund zwei Monaten einen Strich durch die Rechnung gemacht - Investoren waren enttäuscht, dass es nun doch wieder nicht klappen sollte. VW könnte früheren Medienberichten zufolge bis zu einem Viertel von Traton an die Börse bringen und damit rund sechs Milliarden Euro erlösen können.
Nun setzt Diess noch einen obendrauf: Die ebenfalls lange angedachte Überprüfung von Randbereichen im großen VW-Konzern scheint erste Früchte zu tragen. Beim Anlagenbauer Renk und dem Großmotoren- und Turbinenbauer MAN Energy Solutions sollen Optionen geprüft werden, Partnerschaften, Gemeinschaftsunternehmen - oder auch der Verkauf. "Die Automobilindustrie befindet sich in einem grundlegenden Wandel, den wir auch bei Volkswagen mit Vehemenz voranbringen", sagte Diess.
Entscheideungen werden begrüßt
Investoren hatten sich lange gewünscht, dass Diess das Thema Randgeschäfte verstärkt anpackt, des Öfteren waren Bestrebungen in dieser Hinsicht an Widerständen im Konzern gescheitert. "Die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat begrüßen die Entscheidungen und unterstützen sie ausdrücklich", sagte Betriebsratschef Bernd Osterloh. "Es handelt sich um Weichenstellungen, mit denen wir sowohl Beschäftigungssicherung als auch Wirtschaftlichkeit nachhaltig weiterentwickeln können."
Volkswagen ist der erste deutsche Autobauer, der in die Fertigung von Batteriezellen für Elektroautos einsteigt. In Salzgitter erforscht der Konzern bereits die Zellfertigung in einer Pilotlinie, nun soll es allerdings mit einem bis dato noch unbekannten Partner auch eine Serienfertigung werden.
Batteriezelle ist entscheidend für den Wettbewerb
IG-Metall-Chef Jörg Hofmann erklärte, Volkswagen habe damit eine "wichtige und richtige strategische Entscheidung" getroffen. Die IG Metall fordere seit Jahren den Bau einer Batteriezellenfabrik in Deutschland. Die Batteriezelle sei die zentrale Leistungskomponente im Elektrofahrzeug, hieran entscheide sich der Wettbewerb. "Die eigene Produktion sichert Know-how über wichtige Teile der Wertschöpfung und vermeidet Abhängigkeit von asiatischen Herstellern", sagte Hofmann. Für die Innovationskraft der deutschen Automobilindustrie sei das wesentlich: "Die Politik muss solche Entscheidungen der Unternehmen befördern und erleichtern."
Die Batteriezellfertigung gilt als teures Unterfangen, das mit hohen Investitionskosten verbunden ist. Die Arbeitnehmerseite hatte den Einstieg lange gefordert, auch um damit den Bedeutungsverlust der herkömmlichen Verbrennerproduktion aufzufangen. In Salzgitter baut VW derzeit vor allem Verbrennungsmotoren.
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), der auch im VW-Aufsichtsrat sitzt, hatte die Batteriezellfertigung für Elektroautos als «ganz und gar unverzichtbar» am Standort Deutschland bezeichnet. Der große Bedarf für eine solche Produktion stehe fest, auch stehe fest, dass damit Tausende Arbeitsplätze geschaffen werden könnten, hatte der SPD-Politiker kürzlich gesagt. Niedersachsen ist ein großer Anteilseigner von VW und hat großes Stimmgewicht.
Schwedischer Batteriehersteller Northvolt mit an Bord
VW hatte kürzlich bekannt gegeben, die Forschung zu Batteriezellen gemeinsam mit dem schwedischen Batteriehersteller Northvolt voranbringen zu wollen. Das von Volkswagen und Northvolt geführte Konsortium will sich auch an der von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) ausgelobten Förderung der industriellen Fertigung von Batterien beteiligen.
Diess forciert aktuell den Richtungswechsel des Konzerns hin zur Elektromobilität, auch gegen Widerstände in der Branche. In reinen Elektroantrieben sieht der Manager auf absehbare Zeit die größte Chance, Autoabgase nennenswert zu reduzieren und damit verschärfte Emissionsregeln in Europa und Quotenvorgaben in China einzuhalten.
Volkswagen will in den kommenden zehn Jahren auf der eigenen Produktionsplattform 22 Millionen Elektroautos bauen. Bis 2028 stehen knapp 70 neue Elektromodelle auf dem Plan. Dafür braucht VW auch die Versorgungssicherheit bei den Batterien. Auch der US-Elektroautopionier und VW-Rivale Tesla stellt seine Batterien inklusive den Zellen selbst in eigenen Fabriken her. (dpa)