Volkswagen und Ford wollen künftig auch bei Elektrofahrzeugen und Roboterautos die Kräfte bündeln. Das verkündeten VW-Konzernchef Herbert Diess und Ford-Chef Jim Hackett am Freitag in New York. Im Rahmen der erweiterten Allianz wird VW Milliarden in Fords Tochter Argo AI für selbstfahrende Autos stecken. Die Amerikaner wollen im Gegenzug Hunderttausende Fahrzeuge für den europäischen Markt auf der E-Auto-Plattform MEB von VW fertigen.
"Unsere Allianz mit Ford entwickelt sich immer vielversprechender. Wir prüfen auch weitere Möglichkeiten der Zusammenarbeit", sagte Diess bei einer Pressekonferenz an der Wall Street in Manhattan. "Während Ford und Volkswagen weiterhin unabhängige Wettbewerber bleiben, vergrößert die Zusammenarbeit beider mit Argo AI die Leistungsfähigkeit, die Skaleneffekte sowie die geografische Reichweite auf dem Gebiet des autonomen Fahrens", ergänzte Hackett.
Volkswagen werde 2,6 Milliarden Dollar (2,3 Milliarden Euro) in Argo AI investieren, teilten die Unternehmen mit. Der Betrag ergibt sich aus einer Milliarde Dollar an Finanzmitteln, zudem bringt VW seine eigene Sparte AID für autonomes Fahren ein, die 200 Mitarbeiter hat und mit 1,6 Milliarden bewertet wird. Der bisherige AID-Sitz in München soll künftig als Europa-Zentrale von Argo AI dienen.
Enorme Herausforderungen
Die Branchenriesen - VW ist der weltgrößte Autobauer, Ford die Nummer Zwei in Amerika - stehen wie die gesamte Industrie vor enormen Herausforderungen durch den technischen Wandel. Bei innovativen Zukunftsthemen wie Roboterautos und E-Antrieben machen die Tech-Riesen aus dem Silicon Valley wie Google-Schwester Waymo und Apple, aber auch Tesla oder Uber mächtig Druck.
Ford und VW werden durch den Deal, bei dem Argo AI insgesamt mit sieben Milliarden Dollar bewertet wird, in Zukunft gemeinsam und zu gleichen Teilen eine deutliche Mehrheit an der Tochter halten. Innerhalb der nächsten drei Jahre wird VW zudem Ford laut Mitteilung weitere Argo-Aktien im Wert von 500 Millionen Dollar abkaufen. Auch die Amerikaner versprechen, weiter kräftig zu investieren.
Aufhorchen lässt indes die vergleichsweise hohe Bewertung, die Argo AI bei der Vereinbarung zwischen VW und Ford erhält. Zuletzt war über einen Firmenwert von lediglich rund vier Milliarden Dollar spekuliert worden, VW greift für die Beteiligung also offenbar tief in die Tasche. Das ist insbesondere bemerkenswert, da die hohen Erwartungen ans autonome Fahren von der Branche zuletzt eher gedämpft wurden. "Man muss heute investieren, um vielleicht 2030 die ersten Umsätze damit zu machen", sagte Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen.
Trotz des hohen Preises, den VW zahlt, bleibt Argo AI im Vergleich zu den führenden Firmen in der Roboterautoentwicklung eine recht kleine Nummer. So warb die General-Motors-Tochter Cruise Automation bei ihrer letzten Finanzierungsrunde zu einer Gesamtbewertung von 19 Milliarden Dollar Geld bei Investoren ein. Googles Schwester Waymo, die als Vorreiter bei der Technik gilt, trauen Analysten sogar eine Bewertung von weit mehr als 100 Milliarden Dollar zu.
Großes Interesse von Ford an MEB
Wie bereits seit Monaten vermutet wurde, hat Ford es bei der Kooperation insbesondere auf den VW-Elektroautobaukasten MEB abgesehen. Der kriselnden Europatochter von Ford fehlt ein solches System bisher. Angesichts verschärfter CO2-Abgasregeln in der Europäischen Union von 2021 an könnten daher Strafzahlungen drohen.
Nun steht fest: Ford wird der erste Autokonzern, der Volkswagens MEB-Plattform mit nutzt und will darüber innerhalb von sechs Jahren insgesamt mehr als 600.000 Wagen für den europäischen Markt produzieren. VW selbst werde den Baukasten in den nächsten zehn Jahren für 15 Millionen Autos nutzen. Ford fährt in Sachen E-Autos aber mehrgleisig und ist auch am Tesla-Rivalen Rivian beteiligt. Auch die Entwicklung von Elektroautos und entsprechenden Plattformen ist teuer: VW hat nach eigenen Angaben seit 2016 mehr als sechs Milliarden Euro in den MEB investiert.
VW und Ford hatten bereits im Januar beschlossen, bei leichten Nutzfahrzeugen zu kooperieren und über eine erweiterte Partnerschaft verhandelt. Dass große Autokonzerne gemeinsame Sache machen, ist angesichts hoher Kosten, Regulierungsdrucks, magerer Gewinnspannen und schwieriger Marktumstände keine Seltenheit mehr. Zuletzt hatten sich sogar die Erzrivalen Daimler und BMW bei Roboterautos verbündet, um die Technik für autonomes Fahren kostenschonender voranzutreiben.