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Doppelter Stresstest 2021: Warum der Druck auf die Autobranche anhält

01.12.2020 09:36 Uhr
Autoindustrie; Automobilproduktion; Fabrik; Autohersteller; Band; Werk
Auf die gesamte Autobranche warten schwere Zeiten.
© Foto: picture alliance / Westend61 | lyzs

Schon Ende des vorigen Jahres waren die Sorgen in Teilen der Autoindustrie groß - und von Corona war da noch keine Rede. Die Zweifachbelastung aus Pandemie-Folgen und Technologie-Umbruch könnte besonders Zulieferer verheerend treffen. Doch es gibt auch Hoffnung.

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von Jan Petermann / dpa

Die Einschläge kommen immer näher. Nach einem kurzen Aufbäumen im September fehlt dem Autogeschäft in Europa nach wie vor der Schwung, die Unsicherheit der Verbraucher hält den Absatz der für Deutschland so wichtigen Branche weit unter Vorkrisenniveau.

Sparprogramme mit Stellenabbau mehren sich. Dabei blieb vor allem kleineren Firmen bereits vor der Corona-Krise unter dem Druck der Elektrifizierung und Digitalisierung kaum Luft zu Atmen. Gleichzeitig sind Investitionen in die neue Autowelt überlebensnotwendig. Nun steht der Sektor, an dem allein in der Bundesrepublik direkt und indirekt gut zwei Millionen Arbeitsplätze hängen, vor einem womöglich noch härteren Jahr 2021. Aber Politik und Industrie steuern dagegen.

Milliardenhilfen für den Wandel und gegen die Krise

Für den Kauf von Elektro- und Hybridwagen gibt es Prämien, die bis Ende 2025 verlängert wurden. Kurzfristig brauchen jedoch insbesondere Zulieferer Unterstützung. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) legte Eckpunkte für ein Programm vor, das ab Januar den Übergang von Verbrennertechnik zu alternativen Antrieben sowie die Nutzung von Daten im Auto beschleunigen soll. Dafür sollen bis einschließlich 2024 mindestens zwei Milliarden Euro fließen.

Die Digitalisierung in Produktion und Fahrzeug-Vernetzung ist neben der E-Mobilität das zweite Kernthema, bei dem finanzschwächere Betriebe oft nicht Schritt halten können. Ein Zukunftsfonds, in den der Bund eine weitere Milliarde Euro einzahlen will, ist in Vorbereitung. Dieser soll den Wandel in Regionen mit besonders vielen Unternehmen des Wirtschaftszweigs ("Auto-Cluster") abfedern. 

Bei den Jobs geht es ans Eingemachte

Auch die Hersteller selbst sind in Zugzwang. Die Absatzkrise verlor im September zunächst etwas an Schärfe - danach setzte sich das Minus der Neuzulassungen fort. Fehlt Umsatz bei laufenden Kosten und enger Finanzierung, geraten die Unternehmen in die Bredouille. Viele von ihnen legen Programme zur Weiterbildung der Mitarbeiter auf. Parallel dazu landen aber Tausende Jobs aus der herkömmlichen Verbrennerproduktion auf der Streichliste.

Groß war der Aufschrei bei Continental, wo bis 2029 weltweit 30 000 Stellen "verändert", verlagert oder abgebaut werden. Weitere Werke schließen bald, Politiker und Betriebsräte kritisierten die Art der Umsetzung heftig. Bei Sensorik und Software gibt jedoch neue Stellen.

Im weltgrößten Autokonzern Volkswagen ist eine Verschärfung der schon laufenden Einsparungen bei der Kernmarke bisher nicht geplant. Die Strukturen werden aber radikal umgebaut, im Laufe der kommenden Jahre dürften bis zu 20 000 Jobs wegfallen. Währenddessen entsteht eine Software-Sparte mit mittelfristig mehr als 10.000 Beschäftigten. Die Tochter Audi hatte bereits 2019 beschlossen, 9.500 Jobs abzubauen. Beim Lkw-Bauer MAN tobte ein Streit über Kürzungen ähnlichen Umfangs.

Im Fall von Daimler war ein Abbau von bis zu 15.000 Jobs kolportiert worden, es gab Berichte über 30.000. Zahlen kommentiert man nicht - das Ziel seien möglichst sozialverträgliche Lösungen. BMW kappt 6.000 Stellen und verzichtet ebenso auf betriebsbedingte Kündigungen, im zweiten Quartal 2020 schrieben die Bayern erstmals seit elf Jahren rote Zahlen. Opel baute seit der Übernahme durch den französischen PSA-Konzern massiv Arbeitsplätze mit Abfindungsprogrammen ab.

Weitere Autozulieferer neben Conti wie Bosch, ZF und Schaeffler sparen ebenfalls stark. Und das sind nur die größten Vertreter einer Branche, an deren Wertschöpfung wiederum Beschäftigte im klassischen Maschinenbau, in der Chemie und angrenzenden Bereichen teilhaben.

E-Zulassungen, Ladenetz, Debatte über Verbrenner-Aus

Die von Staat und Industrie finanzierten Kaufanreize beleben die Nachfrage seit dem Sommer spürbar, manche Branchenvertreter wie VW-Chef Herbert Diess sprachen schon von einem entscheidenden Jahr 2020. Die absolute Zahl der E-Autos ist indes noch relativ gering. Kunden können maximal 9.000 Euro Zuschuss je Fahrzeug erhalten. Der Verband VDA begrüßte dies, Chefin Hildegard Müller betonte jedoch: "Zur Zukunft gehören weiterhin auch moderne Verbrenner. Hier muss mit aller Kraft daran gearbeitet werden, den Kraftstoffeinsatz CO2-neutral zu machen."

Eine Durchdringung der Flotte mit neuen Antrieben ist wichtig, um die verschärften Klimaziele einzuhalten. Dass auch Hybridwagen gefördert werden, ruft bei Umweltschützern Kritik hervor. Andere Konzepte wie die Brennstoffzelle oder Motoren für synthetisch produzierten Sprit stehen im Pkw-Markt noch am Anfang. Diskutiert wird auch über ein Zieldatum für ein Verbrenner-Aus. In Großbritannien sollen ab 2030 keine herkömmlichen Benzin- und Dieselautos mehr verkauft werden dürfen - weitere Länder haben verbindliche Endtermine im Blick.

Der Ausbau des Ladenetzes bleibt einstweilen der größte Hemmschuh. An Fernstrecken wächst zwar die Zahl der Ladesäulen. Doch viele private Nutzer müssen ihren Wagen zu Hause, in der Stadt oder bei der Arbeit laden können. Auch hier gibt es Zuschüsse, es sind Veränderungen im Bau- und Mietrecht nötig. Der Bund will erreichen, dass es bis Ende 2022 Schnelllademöglichkeiten an jeder vierten Tankstelle gibt. Trägt eine Selbstverpflichtung der Branche nicht Früchte, folgt ein Gesetz. 

Hersteller investieren in neue Modelle und Produktion

Lange wurde den deutschen Autobauern vorgeworfen, sie hätten viel zu spät mit dem Umdenken begonnen. Inzwischen haben entsprechende E-Modelle und Fertigungsverfahren Priorität in der Investitionsplanung - wenngleich Kritiker meinen, reichweitenstarke Wagen blieben ein Luxusprodukt. VW greift mit dem ID.3 in der Kompaktklasse an, wo bisher Südkoreaner und Franzosen tonangebend waren. Der Ausbau der Reihe reiner E-Autos um den ID.4, ID.5 und weitere Modelle auch bei Konzerntöchtern soll das elektrische Fahren schrittweise massentauglich machen. Bis 2025 pumpt die Gruppe 73 Milliarden Euro in E-Mobilität und Digitales. Bis 2030 sollen mindestens 70 E- und 60 Hybridmodelle auf dem Markt sein.

Daimler meldete im dritten Quartal 2020 rund 45.000 verkaufte Elektro- und Hybridwagen. Die Stuttgarter kündigten an, mittelfristig "die führende Position" bei E-Antrieben und Fahrzeug-Software anzustreben. Bisher sind die meisten Modelle im höheren Preissegment angesiedelt. BMW will ab November 2021 den Luxus-SUV iX verkaufen.

Nach dem i3, der als Pionier im Kleinwagensegment galt, wird das Auto neben dem iX3 der dritte vollelektrische BMW - Chef Oliver Zipse sieht "eine neue Ära". Daneben gibt es bei fast allen Herstellern neue Hybride. Der US-Rivale Tesla prescht derweil mit weiteren, mittlerweile auch preiswerteren E-Modellen vor und baut eine "Gigafactory" bei Berlin.

Vernetzung und autonomes Fahren

Deutsche Anbieter und Zulieferer rüsten sich hier zunehmend gegen die erdrückende Konkurrenz aus den USA und Asien. Der Bund will, dass Deutschland eine Führungsrolle einnimmt. Ein Gesetz dazu wird vorbereitet - man wolle "das erste Land weltweit sein, das fahrerlose Kraftfahrzeuge im Regelbetrieb sowie im gesamten nationalen Geltungsbereich erlaubt". 2022 schon sollen Autos mit autonomen Funktionen im Regelbetrieb unterwegs sein.

BMW und Daimler stecken viel Geld in die Technik. Volkswagen gibt bis 2025 etwa 27 Milliarden Euro für die Digitalisierung insgesamt aus - ein Ziel ist es, den Großteil der Betriebssysteme der Autos selbst zu programmieren. Künftig sollen ganze Flotten gesteuert werden können.

Und was passiert bei schweren Nutzfahrzeugen?

Ein erheblicher Teil des Ausstoßes von CO2 und Stickoxiden im Straßenverkehr entfällt auf Lastwagen, Busse oder Spezialfahrzeuge. Um klimaschonendere Modelle auf die Straße zu bringen, startet der Bund ein Abwrackprogramm über eine Milliarde Euro - in der Hoffnung, so das konjunktursensible Geschäft über die Krise hinaus anzukurbeln. Umweltschützer monieren, dass auch moderne Diesel gefördert werden. Umweltbundesamt-Chef Dirk Messner mahnte, dies könne dem Klimaschutz schaden, weil so die Anschaffung reiner Elektro-Lkw noch mehr in die Ferne rücken dürfte.

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