Volkswagen steht im "Dieselgate"-Skandal die nächste Milliarden-Rechnung ins Haus. Ein Vergleichentwurf mit dem US-Justizministerium sieht Strafzahlungen in Höhe von rund 4,3 Milliarden Dollar (4,1 Milliarden Dollar) vor, wie VW am Dienstagabend mitteilte. Volkswagen befinde sich in fortgeschrittenen Gesprächen mit dem Ministerium und der US-Zollbehörde. Parallel dazu bringen brisante Zeugenaussagen im Zuge einer Strafanzeige die Konzernspitze unter Druck.
Mit dem Milliarden-Kompromiss will der Konzern die seit über einem Jahr auf Hochtouren laufenden strafrechtlichen Ermittlungen der US-Justiz beilegen. Doch die Einigung soll auch noch weitere zivilrechtliche Bußgelder umfassen. Dem Autobauer werden wegen manipulierten Abgaswerten bei zahlreichen Dieselwagen Betrug und Verstöße gegen das US-Luftreinhaltegesetz vorgeworfen.
Im Rahmen des ausgehandelten Vergleichs, über den der VW-Aufsichtsratsrat "kurzfristig" befinden soll, müsste der Konzern auch ein Schuldbekenntnis abgeben. Damit würde der Autohersteller eingestehen, durch kriminelle Vergehen gegen US-Strafrecht verstoßen zu haben. Darüber hinaus soll VW seine Kontrollsysteme verstärken und sich für die nächsten drei Jahre von einem externen Aufseher prüfen lassen. Das US-Justizministerium wollte sich zunächst nicht zu den Vergleichsverhandlungen äußern.
VW hat für Rechtskosten im Abgasskandals bereits 18,2 Milliarden Euro beiseitegelegt. Diese Summe wird nun aber dem Konzern zufolge voraussichtlich nicht ausreichen. Mit Hunderten US-Zivilklägern - Kunden, Autohändler und US-Behörden - hatte sich VW bereits auf Vergleiche geeinigt, die über 17 Milliarden Dollar kosten könnten. Wie hoch die Belastung für das Jahresergebnis 2016 letztlich ausfallen werde, lasse sich derzeit noch nicht sagen, teilte der Konzern mit.
Volkswagen ist daran gelegen, die Auseinandersetzung mit dem US-Justizministerium noch vor Amtsantritt des künftigen Präsidenten Donald Trump am 20. Januar beizulegen. Konzernchef Matthias Müller hatte im November nach den US-Wahlen gesagt, er hoffe, dass sich das Ergebnis nicht negativ auf die Verhandlungen auswirken werde. Der Abschluss des Vergleichs wäre zwar teuer, aber zugleich ein Befreiungsschlag, durch den sich der krisengeschüttelte Konzern wieder richtig seinem Tagesgeschäft widmen könnte.
Milliardendeal belastet Dachgesellschaft Porsche SE
Die anstehende Einigung von Volkswagen mit den US-Behörden im Abgasskandal belastet auch die VW-Dachgesellschaft Porsche SE. Wegen ihrer Beteiligung an Volkswagen dürften die finanziellen Folgen auf das Konzernergebnis für das Geschäftsjahr 2016 drücken, wie die Porsche Automobil Holding SE am Dienstag in Stuttgart mitteilte. Konkrete Zahlen wurden nicht genannt.
VW hatte im September 2015 eingeräumt, mit einer speziellen Software in großem Stil Abgastests bei Dieselautos manipuliert zu haben. Laut US-Umweltbehörden sorgten die "Defeat Device" genannten Programme dafür, dass der tatsächliche Ausstoß des Schadstoffs Stickoxid zwischen Testmodus und Normalbetrieb um das bis zu 40-fache abwichen. Der Skandal hatte im September 2015 in den USA nach Vorwürfen der dortigen Umweltbehörden seinen Lauf genommen.
Die Affäre hat den Konzern in eine schwere Krise gestürzt. Kurz nach Bekanntwerden der Manipulationen war der damalige Vorstandschef Martin Winterkorn zurückgetreten. Weltweit sind rund elf Millionen Fahrzeuge betroffen, mehr als 550.000 davon in den USA. Außerhalb Nordamerikas sträubt sich VW mit Verweis auf die unterschiedliche Gesetzeslage gegen Wiedergutmachungen für geschädigte Kunden. Anwälte wollen aber auch in Europa Schadenersatz erstreiten.
Bereits am Montag hatte es neuen Ärger für VW in der Dieselaffäre gegeben. Die Bundespolizei FBI wirft der VW-Konzernspitze Vertuschungen in dem Skandal vor, wie aus einer von der Bundesanwaltschaft in Detroit veröffentlichten Strafanzeige gegen einen leitenden Angestellten hervorging (wir berichteten). Noch wenige Monate vor dem Auffliegen der Affäre im Herbst 2015 hätten Manager von Volkswagen bei Mitarbeitern die Verheimlichung der Abgas-Manipulationen abgesegnet, heißt es in dem Gerichtsdokument. (dpa)