Von Armin Wutzer/AUTOHAUS
Anfang Juni ging Gerd Neumann, der langjährige Chef der Dekra Automobil GmbH, in den Ruhestand. Die Nachfolge in der neu formierten Geschäftsführung der Dekra Automobil GmbH übernahmen Wolfgang Linsenmaier, Guido Kutschera und Jann Fehlauer. AUTOHAUS hat die drei kurz nach Amtsantritt am Hauptsitz in Stuttgart zu einem Exklusiv-Interview getroffen, das wir vorab in Auszügen online veröffentlichen.
AH: Wie sind die ersten Wochen im neuen Amt gelaufen?
Linsenmaier: Ich finde, wir hatten einen guten Start. Natürlich ist jede neue Struktur erst einmal eine Herausforderung. Aber wir sind ja schon eine geraume Zeit im Unternehmen und kennen es aus den unterschiedlichsten Perspektiven. Von daher fühlen wir uns gut gerüstet.
Kutschera: Sehr wichtig war für uns in diesem Zusammenhang die Niederlassungsleitertagung Mitte Juni. Das war die ideale Plattform, um uns als neues Gremium vorzustellen, den Dialog zu suchen, erste Themen zu platzieren und aktuelle Herausforderungen zu besprechen.
AH: Was ist derzeit die wichtigste?
Fehlauer: Der rasante technologische Wandel der Fahrzeuge. Dort hält das automatisierte und vernetzte Fahren immer stärker Einzug. Und irgendwann werden wir sogar beim vollkommen autonomen Fahren ankommen. Das erfordert völlig neue Prüftechnologien. Denn auch die Systeme und Sensoren, die automatisiertes Fahren ermöglichen, müssen untersucht werden. Das bedeutet: Wir müssen die heutige Art der Prüfung, die mit dem HU-Adapter bereits einige elektronische Komponenten hat, erheblich weiterentwickeln. Die Herausforderung dabei ist, dass wir dafür viel mehr mit den Fahrzeugdaten arbeiten müssen. Wir müssen nicht nur prüfen: Welche Daten haben die Sensoren rückblickend in den letzten Fahrzyklen geliefert? Wir müssen auch die aktuellen Sensordaten und die Einstellung der Sensorik sowie die Systemredundanz kontrollieren. Damit das alles aber überhaupt möglich ist, brauchen die Überwachungsorganisationen einen gesetzlich geregelten Zugang zu den relevanten Fahrzeugdaten. Nur dann wird die Hauptuntersuchung der Zukunft – wir nennen sie HU 4.0 – eine hohe Qualität haben.
AH: Bedeuten die neuen HU-Prüfverfahren steigende Kosten für Autohäuser und Werkstätten?
Linsenmaier: Unabhängig von der HU brauchen Autohäuser und Werkstätten zusätzliche Mess- und Analysegeräte, um den Zustand eines Fahrzeugs im Hinblick auf Daten und Sensorsysteme beurteilen zu können. All das kostet Geld und macht auch die HU aufwendiger. Es ist aber schwierig, das zum jetzigen Zeitpunkt genau zu beziffern.
Kutschera: Die steigende Komplexität wird sich auch auf den Bereich Schadengutachten auswirken. Dort wird die Anzahl der Schäden aufgrund der Sensorik mit Sicherheit sinken. Vor allem Bagatellschäden wie kleine Auffahrunfälle oder Parkrempler werden abnehmen. Die Schäden, die übrig bleiben, werden dafür überproportional teuer. Denn diese sind dann meist gravierender. Gleichzeitig werden Ersatzteile immer kostspieliger. Und noch ein Punkt: Aufgrund der immer komplexeren Autos müssen auch die Gutachter immer besser ausgebildet sein um ein qualifiziertes Schadengutachten erstellen zu können.
AH: Der Markt für Hauptuntersuchungen ist stark umkämpft und wächst eher langsam. Trotzdem hat sich Dekra auf die Fahnen geschrieben, seinen Marktanteil zu steigern. Wie wollen Sie das erreichen?
Fehlauer: Zu versuchen, sich über die technischen Raffinessen einen Vorteil zu verschaffen, ist schwierig. Denn hier sind sich die Marktteilnehmer viel zu ähnlich. Ich sage nur HU-Adapter: Jede Prüforganisation nutzt quasi gleiche Gerät. Einziger Unterschied ist die Gehäusefarbe. Wir müssen uns darum durch die Mehrwerte abheben, die wir unseren Kunden bieten. Hier denke ich zunächst an die bestehenden Komplettpakete, die wir noch weiter ausbauen werden. Wichtig ist auch, noch stärker auf digitale Dienstleistungen zu setzen, wie wir es zum Beispiel mit unserem Dekra Service-Portal tun.
Kutschera: Ja, wir werden auch beim Kundenservice noch mehr tun – seien es nun Autohäuser, Versicherungen oder Endkunden. Heutzutage können Sie bis 22.00 Uhr beim Supermarkt um die Ecke einkaufen. Für uns bedeutet das, die Verfügbarkeit noch weiter zu erhöhen und unser Netzwerk auszubauen. Die Kunden sind nicht bereit, für einen Service 30 bis 50 Kilometer zu fahren. Auch die Betreuung überregional aufgestellter Kunden intensivieren wir ständig. Stichwort „One Face to the Customer“. Wir schauen uns deshalb unsere Vertriebsstrukturen genau an und richten unser Account-Management neu aus.
AH: Vielen Dank für das Gespräch!
Das ungekürzte Interview erscheint am 13. August 2018 in AUTOHAUS Ausgabe Nummer 16: https://next.autohaus.de/start/