Von Hannes Breustedt, dpa
"Dies ist eine Zeit der beispiellosen Umwälzungen", sagt Chairman Bill Ford. Kurz zuvor hat sein Unternehmen Vorstandschef Mark Fields nach nicht einmal drei Jahren gefeuert. Nun muss eine radikale Personalentscheidung erklärt werden, die unter hohem Druck der Aktionäre zustande kam. Fields war bei Investoren in Ungnade gefallen, an der Börse gilt der zweitgrößte US-Autobauer als Problemfall, dem die Zukunftsideen fehlen. Mit Jim Hackett, der bislang für Innovationen zuständig war, soll ein Branchen-Outsider den Konzern wieder auf Augenhöhe mit der Konkurrenz bringen.
Das zentrale Ereignis, das den für Fields' verhängnisvollen Epochenwechsel in der Autowelt markierte, spielte sich im April ab. Da überholte der Elektroautobauer Tesla – mit seinem schillernden Chef Elon Musk schon länger ein Superstar an der Wall Street – Ford beim Börsenwert. Finanzprofis rieben sich ungläubig die Augen, ein Analyst bezeichnete die Wachablösung als "irrsinnig". Zum Vergleich: Tesla verkaufte im ersten Quartal weltweit rund 25.000 Neuwagen, während Ford alleine auf dem US-Markt über 617.000 Autos absetzte.
Während Tesla die Herzen der Anleger zufliegen, obwohl das Unternehmen seit seiner Gründung 2003 in den roten Zahlen steckt, war Fields, der mit Ford in den letzten fünf Jahren 26 Milliarden Dollar verdiente, schon länger angezählt. "Ford hat bislang keinen plausiblen Ansatz bei Mobilität und E-Autos", sagt Experte Christian Stadler von der Warwick Business School. Fields' Problem: Die Zukunft der Autobranche dreht sich um alternative Antriebe, Roboterwagen, künstliche Intelligenz, 3D-Druck, Mitfahr-Apps und nicht mehr um die schnöde Fertigung von Fahrzeugen.
Schlag ins Kontor
Tesla und Uber, aber auch die an selbstfahrenden Autos forschenden Tech-Giganten des Silicon Valleys, wie die Google-Mutter Alphabet und der iPhone-Riese Apple, liefern offenbar die attraktiveren Geschichten für Anleger. Für Fords Verwaltungsräte müssen die ständigen Vergleiche zwischen dem legendären Firmengründer Henry Ford und Tesla-Chef Musk – dem die Börse mit der Elektromobilität einen ähnlich innovativen Durchbruch wie Ford mit der Fließbandfertigung vor über 100 Jahren zutraut – ein Schlag ins Kontor sein.
Teslas Aktienkurs ist seit Jahresbeginn um über 40 Prozent gestiegen, das entspricht in etwa dem Kursverlust, den Ford in Fields' knapp dreijähriger Amtszeit erlitt. Nun hat das mächtige Direktorium um Chairman Bill Ford die Reißleine gezogen und den 56-jährigen Fields mit ein paar netten Worten in den Ruhestand verabschiedet. Mit dem 62-jährigen Hackett setzt Ford auf einen Quereinsteiger, dessen Karrierehöhepunkt bislang kennzeichnet, beim Möbelhersteller Steelcase das Ruder herumgerissen zu haben.
"Wahrer Visionär"
"Ich bin begeistert, mit Bill Ford und dem gesamten Team ein noch dynamischeres und lebhafteres Ford aufzubauen", sagte der neue Vorstandschef, der seit März 2016 die Innovationssparte "Ford Smart Mobility" leitete. Bill Ford, der Urenkel des Firmengründers Henry, griff bei der Vorstellung am Firmensitz in Dearborn nahe Detroit (US-Bundesstaat Michigan) kräftig in die Harfe: "Er ist ein wahrer Visionär, der einen einzigartigen Führungsstil mitbringt, der unser volles Potenzial erschließen wird."
Doch nicht alle teilen die Begeisterung. Branchenkenner Stadler äußert große Zweifel an der Entscheidung: "Fords Chefwechsel ist unnötig", sagt der Professor der Warwick Business School. "Dem Unternehmen geht es eigentlich recht gut in Sachen Profit". Tatsächlich hatte Fields dank florierender Geschäfte mit SUV und Pick-up-Trucks im US-Heimatmarkt in den letzten Jahren mit starken Zahlen auftrumpfen können. "Nur der Aktienpreis entwickelte sich in die falsche Richtung", meint Stadler. Allerdings geht inzwischen auch dem Auto-Boom in den USA zunehmend die Luft aus.
Der entscheidende Punkt sei jedoch, so Stadler, dass sich an den wesentlichen Problemen kaum etwas ändern dürfte. "Ein neuer Chef wird wahrscheinlich keinen erheblichen Unterschied machen – kurzfristig könnte Hackett einen positiven Effekt bewirken, doch auf Dauer steht er vor denselben Herausforderungen", sagt Stadler. Fields sei zudem zum Verhängnis geworden, dass er das Erbe des gefeierten Vorgängers Alan Mulally antreten musste. Ihm war es gelungen, Ford nach der schweren Rezession ab 2008 wieder auf die Beine zu bringen. "Jeder Nachfolger hätte es schwer gehabt, die Erwartungen zu erfüllen."
Axel
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