Verkehrsminister Andreas Scheuer hat sein umstrittenes Vorgehen bei der gescheiterten Pkw-Maut verteidigt. Die Opposition und auch der Koalitionspartner SPD machten aber nach der erneuten Aussage des CSU-Politikers im Bundestags-Untersuchungsausschuss deutlich, dass für sie wichtige Kritikpunkte nicht ausgeräumt seien. Die Befragung Scheuers endete am späten Donnerstagabend nach rund zehn Stunden.
Die Opposition wirft Scheuer schwere Fehler im Haushalts- und Vergaberecht zu Lasten der Steuerzahler vor. Er habe die Maut-Verträge abgeschlossen, bevor Rechtssicherheit bestand. Die eigentlich vorgesehenen Betreiber fordern 560 Millionen Euro Schadenersatz, nachdem der Bund die Verträge nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) im Sommer 2019 gekündigt hatte. Der EuGH hatte die Maut gekippt.
Scheuer betonte im Ausschuss mehrfach, er habe nach "bestem Wissen und Gewissen" gehandelt. Er verstehe Unmut über das Projekt, hatte der CSU-Politiker vor der Befragung in Berlin gesagt. "Fakt ist aber, dass wir rechtens gehandelt haben." Vergabe- und Haushaltsrecht seien eingehalten worden. Scheuer wies auch erneut die Millionenforderungen der Maut-Betreiber entschieden zurück. Der Ausschuss schreibt nun einen Abschlussbericht, der im Mai oder Juni fertig sein soll.
Immer wieder verwies Scheuer in seiner Befragung auch auf seinen früheren Staatssekretär Gerhard Schulz, inzwischen Chef des bundeseigenen Lkw-Maut-Betreibers Toll Collect. Schulz galt als "Mr. Maut", bei ihm liefen viele Fäden zusammen. Mehrfach sagte Scheuer, er habe sich bei Schulz – einem "promovierten Europarechtler" – versichert: etwa auch zu Risiken beim EuGH-Verfahren.
FDP-Verkehrsexperte Oliver Luksic sagte an die Adresse Scheuers: "Statt ein wenig Demut an den Tag zu legen, weicht er Fragen aus, schiebt die Verantwortung auf seinen ehemaligen Staatssekretär und verweist auf Erinnerungslücken."
"Organisierte Verantwortungslosigkeit" im Ministerium
SPD-Obfrau Kirsten Lühmann sagte, im Verkehrsministerium habe es eine Art "organisierte Verantwortungslosigkeit" gegeben. Scheuer habe dem Ausschuss dargelegt, dass er sich voll auf Schulz verlassen habe – etwa zur Frage, ob vergaberechtlich alles in Ordnung sei. Schulz habe das bestätigt. Bei der Befragung von Schulz sei aber festgestellt worden, dass dieser "nicht immer voll im Film" gewesen sei. "Das zeigt, dass es nicht rund gelaufen ist, dass der Minister sich auf seinen Staatssekretär verlassen hat, der aber nicht immer alle Informationen hatte."
Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer hatte am Rande der Befragung Scheuers gesagt, es sei an Hybris nicht zu überbieten, wenn dieser es so darstelle, als sei alles richtig gelaufen. Es sei unglaublich, dass der für das Desaster verantwortliche Minister jede Verantwortung von sich weise.
FDP-Obmann Christian Jung sagte, Scheuer habe die Vorwürfe nicht entkräften können, dass er und sein Ministerium bei der Pkw-Maut gegen Vergaberecht, Haushaltsrecht und Europarecht verstoßen hätten. Luksic fügte hinzu: "Minister Scheuer hat einen Vertrag unterzeichnet, ohne die Entschädigungsregeln zu kennen und den Vertrag überhastet gekündigt, ohne genaue Faktenlage. Er ist Minister Ahnungslos und verantwortet damit selber das Maut-Chaos." Linke-Obmann Jörg Cezanne kritisierte, Scheuer habe weitreichende Entscheidungen auf nicht nachvollziehbaren Informationsgrundlagen gefällt.
FDP, Grüne und Linke fordern seit langem einen Rücktritt Scheuers. SPD-Obfrau Lühmann sagte, politisch liege die Verantwortung eindeutig beim Minister. Juristisch gebe es aber keinen Punkt zu sagen, es sei ihm strafrechtlich in irgendeiner Form etwas vorzuwerfen. Auf die Frage, ob die SPD einen Rücktritt Scheuers fordere, sagte Lühmann: "Nein, das ist nicht unsere Sache." Das müsse CSU-Chef Markus Söder gefragt werden.
Unions-Obmann Ulrich Lange (CSU) sagte dagegen, Vorwürfe gegen den Minister hätten sich an keiner Stelle bestätigt. Scheuer sei "eindeutig entlastet". Er habe Gesetze stringent umgesetzt. Es habe auch keine mangelhafte Organisation im Ministerium gegeben.
Scheuer sagte als letzter Zeuge im Untersuchungsausschuss aus, der vor mehr als einem Jahr seine Arbeit aufgenommen hatte. Für den Minister war es schon der zweite Ausschuss-Termin nach einer stundenlangen ersten Vernehmung im Oktober. (dpa)