Eine Reihe chinesischer Autohersteller bereitet sich darauf vor, in naher Zukunft auf dem europäischen Automarkt Fuß zu fassen. Bereits in den Nullerjahren gab es eine erste Welle chinesischer Marken, die allerdings scheiterte. Laut einer neuen Studie der PwC-Tochter Strategy& sind die Rahmenbedingungen für einen erneuten Anlauf deutlich besser. Der erwartete Vorstoß könnte europäische Autohersteller unter anderem dazu nötigen, ihre Vertriebsmodelle zu überdenken.
Anders als noch bei den ersten Europa-Abenteurern werden Newcomer wie Aiways, Byton oder Nio ab 2020 versuchen, vornehmlich mit elektrisch angetriebenen Fahrzeugen zu reüssieren, zumal die Kernkomponenten der Stromer wie Batterie, Motor und Infotainmentsysteme aus chinesischer Produktion kommen und der Technologievorsprung europäischer Hersteller bei Verbrennungsmotoren weiterhin hoch bleibt. Darüber hinaus werden die Chinesen, anders als etablierte Marken in Europa mit ihren klassischen Händlernetzen, auf eine kostengünstige Direktvermarktung ihrer Fahrzeuge setzen.
Als Gründe für die Expansion nach Westen nennen die Experten ein Abkühlen des chinesischen Automarkts genannt. Zudem ist Europa einer der wichtigsten Automärkte weltweit. Sollte ein chinesischer Hersteller hier erfolgreich sein, steigert dies seine Reputation in der Heimat. Schließlich sind die Chinesen dank der technologischen Umbrüche in der Autoindustrie bei E-Fahrzeugen und Batterien konkurrenzfähiger als zuvor, auch weil sie günstiger als europäische Hersteller produzieren. Gerade in Hinblick auf die Batterie, die künftig etwa die Hälfte des Fahrzeugwerts ausmachen dürfte, profitieren sie von einem klaren Technologievorsprung. In Europa gibt es bislang erst zaghafte Ansätze, eine Batterieindustrie aufzubauen.
Byton auf der CES 2019
BildergalerieNiedrigere Vertriebskosten
Der Eintritt chinesischer Hersteller könnte die Regeln des europäischen Automarkts fundamental verändern. Nach Ansicht von Strategy& müssen europäische Hersteller auf den erwarteten Vorstoß aus Fernost unter anderem mit einer Senkung der Vertriebskosten reagieren. Diese betragen derzeit gut 25 bis 30 Prozent vom Listenpreis. Um die Wettbewerbsfähig zu gewährleisten, müssten diese um vier bis sechs Prozent sinken.
Gleichzeitig wird es für deutsche Autohersteller zunehmend schwieriger, ihre Marktposition in China zu behaupten, so eine aktuelle Studie des Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach. Durch die rückläufigen Pkw-Absätze im vergangenen Jahr sowie in den ersten drei Monaten 2019 im Reich der Mitte sieht CAM-Leiter Stefan Bratzel die deutschen Hersteller aufgrund ihrer Abhängigkeit vom chinesischen Markt auch in Fernost vor besonderen Herausforderungen gestellt. (SP-X)