Das Arbeitsgericht Braunschweig hat die Kündigung eines ehemaligen VW-Motorenchefs wegen der Dieselaffäre durch den Konzern für unzulässig erklärt. Sein Verhalten sei "nach der Würdigung aller Umstände und dem Ausgang der Beweisaufnahme nicht als Pflichtverletzung" zu sehen, begründete die Kammer am Donnerstag ihre Entscheidung. Der Ex-Manager hatte sich gegen seinen Rauswurf gewehrt. Die Richter gaben seiner Klage überwiegend statt.
Die Kernfrage des Streits
Kernfrage des Streits war, ob die Führungskraft bei einem Treffen mit leitenden Technikern im November 2006 zumindest implizit die Weiterentwicklung einer manipulativen Softwarefunktion genehmigte. Diese aktivierte die volle Reinigung von Dieselabgasen nur in Tests.
Im Straßenbetrieb - wenn also niemand genau hinsah - stießen VW-Autos dagegen deutlich überhöhte Mengen an Stickoxiden (NOx) aus. Als dies später nach Rückrufen sowie Analysen von Wissenschaftlern und US-Behörden aufflog, war der Dieselskandal in der Welt.
VW feuerte den früheren Bereichsleiter, wogegen dieser vorging. Damit hatte er Erfolg: Das Gericht geht von der "Unwirksamkeit der zwischen den Parteien im Streit stehenden Kündigungen" aus. Vorwürfe, er habe die Nutzung der Abgassoftware damals nicht unterbunden, ließen sich nach näherer Prüfung nicht als Verletzung von Pflichten werten.
In der letzten Verhandlung Ende Januar hatte ein wichtiger Zeuge ausgesagt. Dieser Mann - gleichzeitig einer der Angeklagten im laufenden ersten Betrugsprozess zur Dieselaffäre am Braunschweiger Landgericht - hatte das Ergebnis des Treffens im Spätherbst 2006 als Billigung aufgefasst, das Täuschungsprogramm weiterzuführen. Er habe dies allerdings als "anrüchig" empfunden, erklärte der frühere Chef der Antriebselektronik von Volkswagen.
Von mehreren Mitarbeitern getrennt
Nach Einsicht in Akten der Staatsanwaltschaft hatte sich der Konzern im August 2018 von mehreren hochrangigen Mitarbeitern getrennt. Der vor das Arbeitsgericht gezogene Kläger gehört nicht zu den vier Beschuldigten im ersten großen Betrugsprozess. Er soll aber zu einer erweiterten Gruppe zählen, gegen die die Ermittler in Braunschweig ebenfalls Anklage erhoben. Deren Zulassung steht noch aus.
Die Besprechung Ende 2006 war jedoch auch schon Thema im aktuellen Strafverfahren. Der dort mitangeklagte hochrangige Elektronik-Entwickler erklärte, er habe sich zum Start der "Diesel-Offensive" in den USA beim Vorgesetzten absichern wollen, ob man die Testerkennung wirklich verwenden solle. Allen Anwesenden sei klar gewesen, dass der spätere Skandal-Motor EA189 US-Grenzwerte ohne die heikle Softwarefunktion keinesfalls werde einhalten können. Der Motorenchef, der jetzt vor dem Arbeitsgericht gewann, meinte daraufhin nach Darstellung des Angeklagten: "Lasst euch nicht erwischen!"
Vor zwei Jahren erlitt Volkswagen in einem Kündigungsstreit zur Dieselaffäre schon einmal eine Schlappe. Das Arbeitsgericht gab der Klage eines Ex-Leiters der Dieselmotoren-Entwicklung statt. Auch hier soll VW das Arbeitsverhältnis zu Unrecht aufgelöst haben: Der Betriebsrat sei fehlerhaft informiert worden, zudem machte ein Zeuge vom Aussageverweigerungsrecht Gebrauch. Zwei vom Konzern benannte Zeugen lehnte das Gericht hingegen ab, weil sie nicht bei einer umstrittenen Sitzung im Jahr 2011 waren. VW betonte, überzeugt zu sein, dass der Manager erhebliche Pflichtverletzungen begangen habe.
Tim