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Anklage wegen Marktmanipulation: Volkswagen-Führung soll vor Gericht

24.09.2019 15:30 Uhr
Anklage wegen Marktmanipulation: Volkswagen-Führung soll vor Gericht
Der Volkswagen-Spitze wird Marktmanipulation im Abgas-Skandal vorgeworfen.
© Foto: picture alliance/Kay Nietfeld/dpa

Die Ermittlungen dauerten lange, jetzt sind sich die Strafverfolger sicher: Manager aus der obersten Führungsetage von VW sollen Anleger vor dem Beginn des Abgas-Skandals im Unklaren gelassen haben. Auch vier Jahre nach "Dieselgate" wird der Konzern das Thema nicht los.

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Von Jan Petermann und Christian Brahmann, dpa

Verschwiegene Milliardenrisiken, verspätete Information der Aktionäre – und dazu die drei gewichtigen Namen Herbert Diess, Hans Dieter Pötsch und Martin Winterkorn: Die Führungsspitze von Volkswagen ist wegen Marktmanipulation angeklagt.

Nach dem Willen der Braunschweiger Staatsanwaltschaft sollen sich die Top-Manager vor Gericht verantworten. Die Anklage muss dafür aber noch vom Landgericht Braunschweig zugelassen werden. Konzernchef Diess, Aufsichtsratschef Pötsch und dem früheren Konzernchef Winterkorn wird vorgeworfen, Anleger im Jahr 2015 nicht rechtzeitig über die drohenden finanziellen Folgen des Diesel-Debakels ins Bild gesetzt zu haben. Das teilten die Staatsanwälte am Dienstag mit.

Die Ermittler hatten untersucht, ob die Führungskräfte früher als eingeräumt von konkreten Täuschungen bei Abgasdaten wussten. Laut Anklage soll dies der Fall gewesen sein. Die Staatsanwaltschaft erklärte: "Den genannten – ehemaligen oder amtierenden – Vorstandsmitgliedern der Volkswagen AG wird vorgeworfen, entgegen der ihnen obliegenden gesetzlichen Pflicht den Kapitalmarkt vorsätzlich zu spät über die aus dem Aufdecken des sogenannten Diesel-Skandals resultierenden erheblichen Zahlungsverpflichtungen des Konzerns in Milliardenhöhe informiert und damit rechtswidrig Einfluss auf den Börsenkurs des Unternehmens genommen zu haben."

Investoren verlangen Entschädigung für den damaligen Einbruch des Aktienkurses: Sie argumentieren, dass die VW-Spitze die Finanzwelt früher über die Risiken der Dieselkrise hätte benachrichtigen müssen. Dazu läuft auch ein Kapitalmarkt-Musterverfahren in Braunschweig.

VW hatte nach Prüfungen von US-Umweltbehörden und -Forschern zugeben müssen, die Abgas-Software bestimmter Dieselmotoren so eingestellt zu haben, dass im tatsächlichen Betrieb auf der Straße deutlich mehr giftige Stickoxide (NOx) ausgestoßen wurden als in Schadstofftests. Am 18. September 2015 wurden die Manipulationen bekannt – die Manager standen im Verdacht, trotz möglicher Hinweise lange vor diesem Datum nicht auf die drohenden finanziellen Folgen eingegangen zu sein.

Ad-hoc-Mitteilung zwingend nötig

Eine rechtzeitige sogenannte Ad-hoc-Mitteilung wäre nach Auffassung der Staatsanwaltschaft zwingend nötig gewesen. Denn neben "Schadensersatzforderungen aller Art" habe 2015 bereits ein Rückkauf aller betroffenen Dieselwagen auf dem US-Markt gedroht – allein hierdurch hätte VW demnach Zusatzkosten von rund 16 Milliarden Euro einkalkulieren müssen. Durch absehbare Strafzahlungen wären nach Überzeugung der Ermittler noch einmal etwa 19 Milliarden US-Dollar dazugekommen. Und die gefährdete Zulassung neuer Modelle 2016 hätte die Umsatzerwartungen mit weiteren vier Milliarden Euro belasten müssen.

Den Angeschuldigten sei "aufgrund der sich aus der Brisanz der Thematik ergebenden erheblichen finanziellen Folgen bewusst gewesen, dass diese dem Kapitalmarkt mitzuteilen gewesen wäre", so die Staatsanwaltschaft. Sie hätten allerdings "jeder für sich bewusst und gewollt von der erforderlichen Ad-hoc-Meldung abgesehen", damit der Börsenkurs gehalten und Verluste vermieden werden konnten.

Der heutige Vorstandschef Diess kam im Juli 2015 in den Konzern und war zunächst nur Chef der Volkswagen-Kernmarke. Die Anklageerhebung sei unverständlich, erklärten seine Verteidiger von der Kanzlei Park: Weder Fakten- noch Rechtslage rechtfertigten den Vorwurf, Diess habe den Tatbestand einer strafbaren Marktmanipulation verwirklicht. Für ihn sei bis zur öffentlichen Bekanntmachung in keiner Weise absehbar gewesen, dass die Dieselaffäre zu finanziellen Konsequenzen in einer für den Kapitalmarkt relevanten Größenordnung führen könnte.

Verteidiger Tido Park sagte der Deutschen Presse-Agentur, die Anklage werde Diess in Bezug auf seine Verantwortung als Vorstandsvorsitzender nicht einschränken: "Er wird weiterhin mit vollem Engagement seine Aufgaben im Konzern wahrnehmen."

Pötsch war VW-Finanzvorstand, als der damalige Konzernchef Winterkorn die Abgastricks einräumte. Pötschs Anwalt Norbert Scharf sagte, sein Mandant müsse sich nichts vorwerfen: "Anklagethese und -erhebung sind unbegründet." Pötsch habe zwar schon im Sommer 2015 "mehrfach Berührung mit der US-Dieselproblematik" gehabt. Scharf erklärte jedoch: "Keine dieser Informationen hatte vor der Veröffentlichung der Notice of Violation (Bekanntmachung der Verstöße durch US-Behörden) am 18.09.2015 Inhalt und Qualität, dass für ihn daraus eine kapitalmarktrechtliche Relevanz erkennbar war."

Winterkorns Anwalt Felix Dörr wies die Vorwürfe "mit aller Entschiedenheit" zurück. "Herr Prof. Dr. Winterkorn hatte keine frühzeitige Kenntnis von dem gezielten Einsatz einer verbotenen Motorsteuerungssoftware in US-Diesel-Pkw", erklärte der Jurist. "Wesentliche Informationen, die ihn in die Lage versetzt hätten, bereits bekannte Probleme mit den US-Dieselmotoren zutreffend einzuordnen, erreichten ihn damals nicht."

"Eskalation war nicht vorstellbar"

Dörr zeigte sich "überrascht" von der Sicht der Strafverfolger. "Erkannte Probleme bei der Abgasreinigung von älteren Pkw wurden ihm (Winterkorn) als technisch lösbar und rechtlich beherrschbar geschildert. Vor diesem Hintergrund gab es bei Herrn Prof. Dr. Winterkorn die nachvollziehbare Erwartung an die Verhandlungsführer von VW, dass zeitnah eine Lösung gemeinsam mit den US-Behörden erzielt werden würde. Eine Eskalation war für ihn nicht vorstellbar."

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KOMMENTARE


Rudi S.

24.09.2019 - 14:42 Uhr

Es ist wirklich haarsträubend! Kaum sind 5 Jahre vergangen, schon stellt die Staatsanwaltschaft fest, dass einige Aktieninhaber um Rendite betrogen wurden. Aber dass Millionen von Dieselfahrern (und nicht nur die von VW) um Restwerte betrogen wurden, geschweige denn das Auto bekommen haben, für das sie an VW bezahlt haben, das ist kein Betrug. Verkehrte Welt! Die Spitze ist, dass Hr. Diess mit angeklagt wird, der zum fraglichen Zeitpunkt noch nicht einmal bei VW war.


Detlef Rüdel

24.09.2019 - 15:35 Uhr

Endlich, es war nur eine Frage der Zeit, wann die Anklage erhoben wird. Fakt ist: mit der Anklage, wurde auch erkannt, dass das verantwortliche Management dafür was 2015 passiert ist nunmehr auch die Konsequenzen zu tragen haben. Wenn dann, der Staatsanwaltschaft es noch gelingt, das Gericht davon zu überzeugen, das hier mit Vorsatz betrogen wurde, dann möchte ich nicht in der Haut der Verantwortlichen stecken. Was auch immer dabei heraus kommt: der Image Schaden am Standort Deutschland ist nicht zu bemessen. Kommt es darüber hinaus zu einer Verurteilung, der Verantwortlichen Personen, dann wird dass unwiderruflich weitere Konsequenzen in Bezug auf Sammelklage, usw. haben. VW ist gut beraten, möglichst hohe Rückstellungen zu bilden, um damit dann der Entschädigung entgegen zu treten.


Mr. T

24.09.2019 - 17:45 Uhr

Die Herren hatten wahrscheinlich nur Angst um ihre Bonis, weil dann die eigenen Aktienanteile sich negativ entwickelt hätten. Da sitzen die Herren ( außer Diess ) jahrelang an der Spitze des Konzerns und haben nix mitbekommen. Auch die Verhandlungen und Gespräche mit den US Behörden und die Folgen wurden komplett ausgeblendet. Diess hätte aufgrund seiner Branchenkenntnisse gleich die Reissleine ziehen müssen, hatte aber als Newcomer im Konzern anscheinend auch noch nicht das Standing. Ich hoffe man greift mit voller Härte durch und nicht wieder so einen Witz Prozess wie bei Hoeneß. Winterkorn war ja auch im Bayern Vorstand, auf dieser Ebene scheint es keine Hemmungen zu geben.


herbie

24.09.2019 - 18:53 Uhr

Wenn man als Chef eines Unternehmens sein Unternehmen nicht kennt und keine Informationen von einer Betrugssoftware weiß, dann frag ich mich warum solch ein Chef sein Unternehmen führt und 20 Millionen im Jahr verdient? Das ist ja zu vergleichen, wenn ich einen Buchhalter in meinen Unternehmen beschäftige und er kennt unsere finanzielle Situation ist, aber ich zahle ihn jeden Monat weiter sein Gehalt.Also liebe VW-ler Chefs, das glaube ich Euch nicht.


Dieter M. Hölzel

25.09.2019 - 12:36 Uhr

Mr.T., wenn eine Strafe verbüßt ist, hat der Schuldige gesühnt und seine Straftat ist ihm nicht mehr vorzuhalten. Dies sind die demokratischen Regeln in unserer Demokratie ! Herrn Höneß mit dem VW Skandal in Verbindung zu bringen und/oder - aus Ihrer Sicht - eine höhere Strafe zu verlangen, erheben Sie sich über Richter, bevor der Strafprozess beginnt, bzw., überhaupt erst Anklage erhoben ist. Schlimm genug, dass der ganze Skandal dem ges. Kfz.-Gewerbe sehr geschadet hat und Misstrauen dadurch befördert wurde.


Detlef Rüdel

25.09.2019 - 14:48 Uhr

@Rudi S nur zur Information: Am 9. Dezember 2014 wurde Diess’ Wechsel zur Volkswagen AG bekannt, somit war Herr Diess schon bei VW beschäftigt. Der Skandal kam wie bekannt erst 2015 an die Öffentlichkeit. Somit war er involviert.


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