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50 Jahre Lamborghini Miura: Velocità Furiosa für Ferrari-Hasser

27.09.2016 07:30 Uhr
In seiner stärksten Ausbaustufe, dem Jota, leistete der V12 des Lamborghini Miura 440 PS.
© Foto: Lamborghini

Mit dem Miura lancierte Ferruccio Lamborghini explizit keinen Racer für Rundstrecken, sondern einen ungezügelten Überflieger, der alle Ferrari von der Überholspur verjagte. Dazu durchbrach das kaum zu bändigende Geschoss als erster V12-Bolide die 300-km/h-Schallmauer.

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Von Wolfram Nickel/SP-X

Kompromisslos aggressiv wie der namensgebende Kampfstier, extrem schnell wie alle Autos aus Sant'Agata Bolognese und geformt im atemberaubendem Design des Kultcouturiers Marcello Gandini, mit diesen Merkmalen war der Lamborghini Miura vor 50 Jahren der erste moderne Supersportwagen. Ein Mittelmotor-V12, der aus einzigartigen Klappscheinwerferaugen mit markanten Wimpern blickte und so die linke Bahn räumte. Immerhin war dieser Lamborghini der weltweit erste 300-km/h-Jäger, der speziell fürs Rasen auf Autostrada, Autobahnen und Highways entwickelt wurde. "2.000 Meilen in 20 Stunden", kein Problem mit dem Miura, meinte die amerikanische Fachpresse, die bei Fahrten mit dem Lamborghini in einen regelrechten Temporausch versetzt wurde.

Schließlich genügte die furiose Velocità dieses wilden Stiers, um sogar reinrassige Renner wie den Ford GT40 zu hetzen. Dabei wollte Sportwagenbauer Ferruccio Lamborghini eigentlich nur schnelle Ferrari verscheuchen. Allerdings musste der Pilot über die Coolness eines Steve McQueen verfügen, denn mit teilentleertem Tank wurde der Miura so leicht an der Vorderachse, dass er abzuheben schien. Dafür ermöglichten Mittelmotor-Konzept und Monocoque Kurvengeschwindigkeiten jenseits von Gut und Böse. Es war dieses Männerauto, das die Marke Lamborghini zum Mythos machte, weshalb der bis 1973 gebaute Miura bei Concours d‘Elegance noch heute auf Sieg abonniert ist.

"Wenn Du jemand sein willst, kaufst Du einen Ferrari. Wenn Du jemand bist, kaufst Du einen Lamborghini", soll Frank Sinatra 1969 gesagt haben, als sich der legendäre amerikanische Showstar den damals bereits legendären Miura zu seinem 54. Geburtstag gönnte. Als Farbe wählte Sinatra knalliges Orangerot, passend zu seinem Privatjet und einem Miura, der im selben Jahr zum Moviestar avancierte beim Kino-Blockbuster "The Italian Job".

Superreiche standen Schlange

Mit seiner Miura-Vorliebe war Sinatra nicht alleine. Auch andere Superreiche standen Schlange nach dem schnellsten Supercar der Welt. Schah Mohammad Reza Pahlavi von Persien parkte das nach einem Kampfstierzüchter benannte Auto in seiner Garage und auch Dean Martin, Jay Leno, Elton John, Rod Stewart oder Nicholas Cage wollten das Alpha-Tier im italienischen Sportwagenrudel. Insgesamt setzte Lamborghini in sieben Jahren 765 Einheiten seines bis zu 323 kW / 440 PS starken Überfliegers ab. Das genügte bereits für Platz drei unter den populärsten Powercars aus Bella Italia und einen Nimbus, der dem Hochgeschwindigkeitshelden bis heute Auszeichnungen sichert, die nur Jahrhundertsportwagen gewinnen. Sei es der englische Medienpreis "Coolest Car in the World" (2004), ein Concept Car als Hommage zum 40. Geburtstag (2006) oder zahllose Siege in Pebble Beach bei Concours d‘Elegance. Nicht zu vergessen, aktuelle Gebrauchtwagennotierungen im Multi-Millionen-Euro-Bereich sowie das Sondermodell Aventador Miura Homage zum Gold-Jubiläum des erst dritten Lamborghini-Serienfahrzeuges nach der Markengründung im Jahr 1963.

Damals erhielt der erfolgreiche Traktorenhersteller Ferruccio Lamborghini durch Enzo Ferrari den entscheidenden Anstoß zum Sportwagenbau. Wahrscheinlich war es Unzufriedenheit mit seinen privaten Ferrari-Fahrzeugen, die Ferruccio zum Bau eigener Sportwagen animierte. So äußerte er sich jedenfalls in zeitgenössischen Interviews. Während Maranellos Cavallino Rampante seinen Ruf durch Rennerfolge festigte, wählte die neue Marke mit Stier in Sant'Agata einen anderen Ansatz: Ferruccio Lamborghini wollte extreme Fahrleistungen mit hoher Alltagstauglichkeit kombinieren. Weshalb er sich sogar von Giotto Bizzarrini trennte, der zunächst für Ferrari tätig gewesen war und dann 1963 den ersten 3,5-Liter-V12 für Lamborghini konstruierte. Bizzarrini interessierte sich nur für reinrassige Rennwagentechnik, aber die gab es bei Lamborghini nicht. So übernahm nun das Trio aus Giampaolo Dallara (ehemals Ferrari), Paolo Stanzani und dem Ex-Maserati-Mechaniker Bob Wallace die technische Entwicklung des Miura.

Auf dem Turiner Salon 1965 debütierte der unter dem Codenamen P400 in Rekordzeit entwickelte Miura als noch Chassis mit V12-Motor. Es war ein Fahrwerk als neuartiges technisches Kunstwerk, bestehend aus geschweißten Vierkantrohren, die zur Gewichtsreduzierung gelocht waren. Unter 1.000 Kilogramm sollte das fertige Fahrzeug wiegen. Der 4,0-Liter-V12 war direkt hinter dem Cockpit platziert, Getriebe und Differential als Einheit am Rahmen. Was fehlte, war die Karosserie. Dafür engagierte Ferruccio Lamborghini den Stardesigner Nuccio Bertone, angeblich verbunden mit der Aufforderung: "Zeichnen Sie etwas, das Ihrem Namen Ehre macht." Auf dem Genfer Salon 1966 war es soweit: Lamborghinis Kriegserklärung an Enzo Ferrari feierte in aggressiven Konturen Weltpremiere.

"Das schärfste Auto aus Italien" 

Formen die der erst 25jährige Bertone-Mitarbeiter Marcello Gandini entworfen hatte. Die Medienresonanz war überwältigend: "Das Schärfste Auto aus Italien" oder „Ford muss sich fürchten“, hieß es, denn tatsächlich war der Le-Mans-Racer GT40 dem Miura-Konzept am nächsten. Kein Wunder, dass zahlungskräftige Lamborghini-Käufer schon bald endlos lange Lieferzeiten hinnehmen mussten.Ganz besonders nachdem Ferruccio mit dem Miura zum Grand Prix von Monaco fuhr und vor dem Hotel de Paris parkte. Ein Coup, der aufging, denn der Menschenauflauf ließ den Verkehr vor dem Casino während des Rennens zusammenbrechen.

Auf dem Brüsseler Salon 1968 wollte Lamborghini mit der Enthüllung eines Roadster-Prototyps das Feuer der Begierde nach den schnellen Kampfstieren noch heller lodern lassen, die Kundenreaktionen waren jedoch weit zurückhaltender. So ging der in Metallic-Azure lackierte Prototyp nicht in Serie, stattdessen lanciert Lamborghini im November den nachgeschärften P400 S. Dieser facegeliftete Miura blieb in den meisten Medien die Messlatte trotz des völlig neuen Ferrari 365 GTB 4 Daytona. Enzo Ferrari hatte im Duell mit dem Landmaschinenbauer aus Sant'Agata nachgelegt und konnte sich mit dem Daytona zumindest einen Sieg auf die Fahnen schreiben: In den Stückzahlen überflügelte er Lamborghini bei weitem.

Um so wichtiger war es Lamborghini, den Ruf des Miura als schnellstes Serienfahrzeug der Welt zu zementieren, zumal der P400 S im Unterschied zu vielen Konkurrenten dauervollgasfest war. Unter Beweis stellte diese Qualitäten Bob Wallace, der von Lamborghini zum "head-test-driver" ernannt wurde. Bei allen Straßen-Testfahrten erzielte Wallace Fabelwerte: So fuhr er in unter einer Stunde von Rom nach Neapel (230 km Distanz) und von Mailand nach Modena in 38 Minuten (170 km Distanz). Wahrscheinlich Rekorde für die Ewigkeit, zumal Wallace damals im Alltagsverkehr unterwegs war. Sein Meisterstück lieferte Bob Wallace aber erst als Entwicklungsleiter für den Miura Jota, der 1971 vorgestellt wurde. Diese Fahrmaschine wog dank Aluminiumbauweise nur noch 890 Kilogramm, entwickelte 324 kW / 440 PS und beschleunigte in 3,6 Sekunden auf Tempo 100. Mehr Velocità versprach anfangs nicht einmal der ebenfalls 1971 vorgestellte Lamborghini Countach!


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