Gefeiert wird das große Jubiläum dort, wo vor 100 Jahren alles begonnen hat: Beim Festival of Speed im Herzen Englands präsentiert der chinesische Autobauer MG Motor seinen neuen Sportwagen Cyberster.
Die Chinesen wiederholen das, was das 1924 als "Morris Garages" (MG) in Oxford gegründete Fabrikat einst groß machte: Durch leistungsstarke Typen mit Motorsport-Flair als faszinierende Fahrspaßmarke bekannt werden und mit bezahlbaren Serienmodellen Absatzerfolge auf dem Weltmarkt gewinnen.
Während etwa der legendäre MG TC 1946 in den USA einen Run auf britische und später auch deutsche sowie italienische Sportwagen lostrat und der von 1962 bis 1980 gebaute Roadster MGB zum damals weltweit meistgebauten offenen Zweisitzer aufstieg, eroberte der in China gebaute MG HS im Januar 2023 erstmals Platz eins der britischen Zulassungscharts.
Immer für Überraschungen gut
MG war eben schon immer für Überraschungen gut – und dazu gehört, dass die bis 2005 urenglische Marke schon seit den 1930er Jahren in Deutschland präsent ist und heute hierzulande als bisher einziger chinesischer Hersteller mit preiswerten Produkten erstaunliche Marktanteile erobert. Etwa mit dem passend zum 100. Jubiläum präsentierten, fast 200 PS starken Miniflitzer MG3 Hybrid, der so wie der kompakte Krafttyp MG 1100 in den 1960ern verblüffend viel Leistung zu kleinen Kosten bietet.
100 Jahre MG Modelle
BildergalerieErschwinglich waren schon die allerersten MG
"Safety Fast" – Sicher mit hohem Tempo, lautete seit den 1950ern das Marken-Credo. Optionale Sicherheitsgurte für den MG Magnette und vor allem große Scheibenbremsen, etwa im MGA 1600 Spezial oder MGB erzählten früh davon. Bis 1980 blieb der MGB aktuell, hatte in der Zwischenzeit fast alle Wettbewerber überlebt und mit einer Auflage von einer halben Million Exemplaren auch alle überholt.
Sich selbst hat der MGB dabei immer wieder neu erfunden, etwa 1974 durch massive Sicherheitsstoßfänger für den US-Markt. Und dann die ikonischen Sportkombi-Coupés MGB Berlinette vom Karossier Jacques Coune (ab 1963) und MGB GT (ab 1965) in Pininfarina-Couture. "Aston Martin des kleinen Mannes" nannten Fans diese eleganten Dreitürer zu noch bezahlbaren Preisen. Wer wollte, konnte die Vierzylinder-Typen MGB Roadster und GT ab 1967 auch als Sechszylinder-Modell MGC ordern und ab 1972 sogar V8-Power bestellen – aber das wollten am Ende nur wenige, denn MG war eine Sportwagenmarke fürs Volk. Und so präsentiert sich heute der MG Cyberster als moderner vollelektrischer Erbe des MGB ebenfalls zu relativ bezahlbaren Preisen.
Erschwinglich waren schon die allerersten MG, mit denen die Geschichte der Morris Garages 1924 begann. Basierten doch Sportler wie der Typ 14/28 auf billigen Volumenmodellen wie dem Morris Oxford Bullnose – auf die Morris-Garages-Geschäftsführer und Verkaufsgenie George Kimble dann einen deutlichen Preisaufschlag erhob, aber die MG-Typen blieben billiger als vergleichbare Sportler.
MG Cyberster
BildergalerieBezahlbarkeit, Zuverlässigkeit, Temperament und Rennsiege, dieser Mix machte MG in den "Roaring twenties" rasch zur anerkannten Größe im Club der Sportwagenhersteller. Der berüchtigte britische Land’s End Trial, die Mille Miglia oder der Nürburgring sicherten vor allem kleinen MG Midget, aber auch größeren Magnette sportlichen Ruhm und kommerziellen Erfolg. Aus den Morris Garages ging 1930 die MG Car Company hervor, die global dachte und deshalb sogar Edsel Ford, Sohn des Automobil-Tycoons Henry Ford, als einen der ersten Amerikaner mit einem Midget belieferte. Es waren die zarten Anfänge einer britisch-amerikanischen Liebesbeziehung, die bis Oktober 1980 dauerte: Der allerletzte MGB in US-Spezifikation ging ins Ford-Automobilmuseum nach Dearborn
Auch die Deutschen wurden schon ab 1932 mit MG beliefert, dazu hatten zwei Briten in Köln Importzentralen eröffnet. Und so kam es, dass MG eine Ausnahmestellung unter den Importmarken gewann und deutsche Superstars der Filmbranche wie Heinz Rühmann gewann. Keine Überraschung, dass diese deutsch-britische Freundschaft nach dem Zweiten Weltkrieg wiederbelebt wurde und hielt, auch als MG 1952 Bestandteil der British Motor Corporation (BMC) wurde. Tatsächlich hatte sogar der frühere BMW-Chef Bernd Pieschetsrieder ein Faible für englische Traditionsmarken, weshalb er 1994 den Kauf der Rover Group, zu der MG inzwischen gehörte, durch BMW initiierte.
BMW trennte sich schnell von MG
Eine Ära, die den Mittelmotor-Roadster MG F ermöglichte und die Grundlage für formidable Limousinen mit BMW-Genen wie den MG ZT (gebaut ab 2001) legte, aber geschäftlich so unglücklich verlief, dass sich BMW schnell wieder von MG trennte. Nach den dann folgenden fünf Jahren als MG Rover Group kam die Marke mit dem Logo des Oktagon in chinesische Hände. Und wieder begeistern sich die Germans für MG: Deutschland ist nach nur zwei Jahren global zehntgrößter Absatzmarkt für die nun chinesischen Modelle.
MG3 Hybrid
BildergalerieBrutal schneller MG Metro 6R4
Parallelen zu früheren Typen lassen sich nicht nur in den günstigen Preisen finden, auch das sportive Temperament neuer Typen wie des kompakten MG4 XPower (320 kW / 435 PS) oder des kleinen MG3 Hybrid (143 kW / 195 PS) erzählt von flotten Fahrleistungen, die schon die historischen Ahnen begehrenswert machten. Schließlich errangen Minis wie der Magic Midget EX 127 in den 1930ern Tempo-Weltrekorde, und in den 1950ern war es das Stromlinienfahrzeug "Roaring Raindrop" ("brüllender Regentropfen") EX181, das unter den Grand-Prix-Piloten Stirling Moss und Phil Hill auf Salzseen Vmax-Superlative mit bis 410 km/h erzielte.
"Ein Wagen, allen voraus"
Leise und langsam war kein Straßensportler mit dem Signet des Achtecks. Der MGA trat in den 1950ern mit Twin-Cam-Vierzylinder gegen Austin-Healey Six an, der kleine Midget toppte 1961 trotz winzigem 0,95-Liter-Vierzylinder die Fahrleistungen vergleichbarer Roadster (Werbeslogan: "Ein Wagen, allen voraus") und der MGB GT mit Rover-V8 war rasanter als ähnlich teure Sportkombi-Rivalen von Lancia HPE bis Volvo 1800 ES.
Der brutal schnelle MG Metro 6R4 entsprang in den 1980ern der Ära der Gruppe-B-Rallye-Boliden und galt für viele Briten als das beste englische Rallyeauto jener Ära. Dieser Metro nahm die Tempo-Marke nach 2,5 Sekunden, der Bugatti Veyron war nicht flotter. Heute soll der vollelektrische Cyberster seinen Verbrenner-Rivalen zeigen, welche Dynamik die Batterie-Ära bereithält. "MG Spirit reborn", jubeln bereits einige Medien. Ob das stimmt, wird der Blick zurück zeigen – beim nächsten MG-Jubiläum.