Agentursystem: Zukunftsmodell mit Fallstricken

Das Agenturmodell ist in aller Munde. Immer mehr Hersteller und Importeure beschäftigen sich hiermit oder haben bereits Agenturmodelle umgesetzt. Es stellt sich jedoch die Frage, ob das Agenturmodell tatsächlich die Erwartungen erfüllt, die offensichtlich in dieses gesetzt werden, oder ob das Agenturmodell vielleicht doch eine Gefahr für den klassischen Autohandel darstellt, für die es einige halten. Bisherige Agentursysteme Unternehmensberater und AUTOHAUS-Experte Walter Missing hatte bereits in AUTOHAUS 16/2020 zutreffend darauf hingewiesen, dass viele der bereits praktizierten Agenturmodelle keine echten Agenturmodelle sind. Auch der Autor dieser Zeilen hat in AUTOHAUS 21/2020 im Zusammenhang mit der Frage des Direktvertriebes ausgeführt, dass der EuGH bereits 2005 festgestellt hatte, dass die bisher praktizierten Agenturmodelle keine "echten" Handelsvertreterverträge seien. Dies hat zur Konsequenz, dass auf die "unechten" Agenturmodelle auch die Regelungen für Vertragshändler und damit auch die GVO 330/2010 Anwendung findet. Run auf Agentursysteme Der jetzige "Run" auf Agenturmodelle ist nur so zu erklären, dass die Hersteller sich von den Beschränkungen im Hinblick auf den Direktvertrieb und im Hinblick auf das europäische Recht befreien wollen. Gerade die mit den gewonnenen Daten sich ergebenden zusätzlichen Geschäftsmodelle veranlassen offenbar immer mehr Hersteller und Importeure Überlegungen anzustellen, wie sie diese Geschäftschancen ohne Einbeziehung des stationären bisherigen Handels nutzen können. Grenzen des Agenturmodells Allerdings erscheint mehr als fraglich, ob das Agenturmodell die eventuell von den Herstellern und Importeuren offensichtlich gesetzten Erwartungen erfüllt. Unabhängig davon, dass bereits die EU-Kommission in ihrem Evaluierungsbericht zur GVO 330/2010 vom September dieses Jahres ausgeführt hat, dass davon auszugehen ist, dass auch hinsichtlich der Agenturmodelle weitergehende Regelungen in eine Nachfolge-GVO mitaufgenommen werden, ergeben sich allein aus dem deutschen Handelsvertreterrecht eine Vielzahl von Konsequenzen. Zunächst muss der Hersteller oder Importeur den Agenten gemäß § 86a HGB die zur Ausübung der Tätigkeit erforderlichen Unterlagen zur Verfügung stellen. Auch heißt es im Gesetz, dass der Unternehmer dem Handelsvertreter "Muster" zur Verfügung stellen muss. Dies bedeutet für den Automobilvertrieb, dass der Hersteller oder Importeur der Agentur sowohl Lagerwagen als auch Vorführ-Fahrzeuge zur Verfügung stellen muss. Daneben sind in Anlehnung an die EuGH-Entscheidung aus dem Jahr 2005 auch Beteiligungen der Agentur am Restwertrisiko oder aber im Rahmen einer Inzahlungnahme nicht möglich. Provisionsanspruch der Agentur Darüber hinaus hat die Agentur einen Provisionsanspruch nach § 87 HGB. Dies betrifft in erster Linie naturgemäß die Geschäfte, die die Agentur für den Hersteller oder Importeur abgeschlossen oder vermittelt hat. Allerdings sieht § 87 HGB ausdrücklich vor, dass auch eine Provision zu zahlen ist, wenn das Geschäft auf die Tätigkeit der Agentur "zurückzuführen" ist. Dies ist immer dann bei Geschäften der Fall, bei denen die Tätigkeit der Agentur "mitursächlich" für den Abschluss des Vertrages ist. Der BGH hat bereits mehrfach ausgeführt, dass es gerade nicht erforderlich ist, dass der Vertragsabschluss überwiegend durch die Agentur verursacht worden ist. Wenn daher sich ein Kunde bei einer Agentur beraten lässt und/oder eine Probefahrt durchführt, ist eine entsprechende Mitursächlichkeit in jedem Fall gegeben. Dies bedeutet, dass der Agentur auch dann eine Provision zusteht, wenn sie den eigentlichen Vertrag weder vermittelt noch abgeschlossen hat. Wenn jedoch der Agentur bereits in diesen Fällen ein Provisionsanspruch zusteht, stellt sich die Frage, warum dann nicht auch für Folgegeschäfte auch ein Provisionsanspruch bestehen soll. Nach der gesetzlichen Regelung in § 87 HGB steht der Agentur nämlich auch für Nachbestellungen und Folgeaufträge ein Provisionsanspruch zu, unabhängig davon, ob eine Mitursächlichkeit hierfür gegeben ist. Dementsprechend wären auch Geschäfte des Herstellers mit Kunden, die im Zusammenhang mit dem Kauf des Autos stehen, provisionspflichtig. Hierzu zählen gerade auch Geschäfte im Zusammenhang mit den übermittelten Daten, beispielsweise zahlungspflichtige Software-Updates oder andere Telematikdienste. Buchauszugsrecht Konsequenz eines Agenturmodells ist es weiter, dass der Agentur ein Recht auf einen Buchauszug zusteht (§ 87c Abs. 2 HGB). Dies bedeutet, dass der Hersteller oder Importeur der Agentur eine Übersicht aller provisionspflichtigen Geschäfte vorlegen muss. Die Rechtsprechung ist in diesem Zusammenhang sehr großzügig hinsichtlich der Anforderungen an die Provisionspflicht. Daher wird unter das Recht auf Buchauszug auch die Pflicht des Herstellers oder Importeurs gehören, sämtliche Geschäfte offenzulegen, die mit Kunden abgeschlossen worden sind, mit denen die Agentur irgendwie in Kontakt stand. Wenn der Hersteller oder Importeur einen Buchauszug verweigert oder aber wenn Zweifel daran bestehen, ob der Buchauszug richtig oder vollständig ist, kann die Agentur sogar nach § 87c Abs. 4 HGB verlangen, Einsicht in die Geschäftsbücher des Herstellers oder Importeurs zu nehmen. Agenturmodell ein Zukunftsmodell? Alleine diese Beispiele zeigen, dass das Agenturmodell für die Hersteller und Importeure nicht der Heilsbringer ist, für den diese das Modell offensichtlich halten. Ganz im Gegenteil: Durch ein Agenturmodell können sich sowohl die Rechtsposition als auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des klassischen Autohandels deutlich verbessern. Allerdings gilt insoweit, dass es sich um ein "echtes" Agenturmodell handeln muss. Aufgrund der Ausführungen der EU-Kommission im Rahmen des Evaluierungsberichts zur bisherigen GVO 330/2010 besteht zumindest die leise Hoffnung, dass die Kommission möglichen Versuchen der Hersteller und Importeure, Agenturmodelle einzuführen, die keine richtigen Agenturen zum Inhalt haben, entgegenwirkt. Denn ein Agenturmodell, welches kein Agenturmodell zum Inhalt hat, verdient den Namen auch nicht. Kurzfassung Neue Geschäftsmodelle veranlassen immer mehr Hersteller und Importeure dazu, Geschäftschancen ohne Einbeziehung des stationären Handels nutzen zu wollen. Agenturmodelle sollen bisherige Beschränkungen umgehen. Doch viele der bereits praktizierten Agenturmodelle sind keine "echten" Handelsvertreterverträge. Denn durch ein echtes Agenturmodell könnten sich sowohl die Rechtsposition als auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des klassischen Autohandels deutlich verbessern. Prof. Dr. Tim O. Vogels ist Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Fachanwalt für Arbeitsrecht. 2014 wurde er zum ordentlichen Professor an der Hochschule Fresenius für Wirtschaft und Medien GmbH berufen.

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