Stellantis Deutschland: Wir kommen insgesamt gut voran

AH: Herr Bialkowski, der deutsche Handel sieht mit Stellantis noch Verbesserungspotenzial. So erreichen im aktuellen Markenmonitor des IfA-Instituts Peugeot die Note 4,01, Opel 4,71, Citroën 4,48. Nur Fiat hat sich von 4,05 auf 3,70 verbessert. Wie lauten Ihre Maßnahmen? L. Bialkowski: Stellantis Germany ist seit seiner Gründung zum 1.1.2023 eine noch recht junge nationale Vertriebsorganisation. Unser Mutterkonzern wurde vor zweieinhalb Jahren gegründet und vertreibt in dieser Konstellation global 14 Marken und hier in Deutschland aktuell acht Marken. Gleichzeitig mit der Gründung von Stellantis Germany im Januar, haben wir viele Bereiche und Prozesse neu gegliedert und ausgerichtet. Nehmen wir als eines der bedeutendsten Beispiele für unsere Partner die Gründung von Stellantis Financial Services: Drei Banken sind hier unter einem gemeinsamen Dach gebündelt worden. Diese strategisch wichtige Transformation führte in der Anfangsphase zu erheblichen Verwerfungen bei unseren Händlern im Daily Business. Ähnliche Herausforderungen in der Startphase hatten wir bei der Neuaufstellung der Leasys in Deutschland. Beide Veränderungen haben die Geschäftsbeziehungen unserer Händler im ersten Halbjahr beträchtlich eingeschränkt. Daher verstehen wir die Unzufriedenheit unserer Partner. Dank gemeinschaftlicher Anstrengungen von Stellantis Financial Services, Leasys und Stellantis Germany haben wir zahlreiche Lösungen implementiert. Wir kommen insgesamt gut voran und pflegen einen engen Dialog mit unseren Verbänden und deren Gremien. AH: Wie ist der aktuelle Stand bei den Vertriebs- und Serviceverträgen? L. Bialkowski: Der Prozess der Vertragsunterzeichnung läuft aktuell auf Hochtouren und wir befinden uns in der finalen Phase. Wir unterstützen dabei noch einzelne Partner mit Terminschwierigkeiten individuell und pragmatisch und sollten den Prozess bis Ende des Monats weitestgehend abgeschlossen haben. Die in den vergangenen Tagen stark steigende Anzahl an unterzeichneten Verträgen bestätigt uns in unserer Einschätzung, dass die Partner unser Angebot positiv annehmen. AH: Nicht alle werden unterschreiben. Mit wie vielen Vertriebspartnern rechnen Sie bei den einzelnen Marken? L. Bialkowski: Das ist richtig. Wir rechnen damit, dass nur vereinzelte Partner das Angebot zur Fortsetzung nicht annehmen werden. Das ist ganz natürlich und hat oft individuelle Gründe wie beispielsweise einen Generationswechsel oder eine auslaufende Pacht. Dadurch ergeben sich aber gleichzeitig Chancen für andere Partner, dieses zusätzliche Marktpotenzial optimal auszuschöpfen. Unser Ziel ist und bleibt, in der Fläche mit unseren Marken weiterhin nah an unseren Kunden zu sein. Wir gehen daher davon aus, dass wir eine stabile, für einige Marken sogar steigende Anzahl an Vertriebsstandorten sehen werden. AH: Liegt der Retailer-Vertrag, der für die Premiummarken und die Transporter, der am 1. April 2024 in Kraft treten soll, jetzt auch in der endgültigen Fassung vor? L. Bialkowski: Nach einem sehr intensiven Austausch auf europäischer und auch deutscher Ebene in den vergangenen Monaten wird der Vertrag aktuell schon in den drei Pilotmärkten, unter anderem in Österreich, ausgerollt und wird dort zum 4. September 2023 starten. Wir werden diese lokal bereits mit den Händlervertretern erörterten Muster in den nächsten Wochen noch final für den deutschen Markt besprechen und dann im vierten Quartal in die Kommunikation gehen. Geschäftsmodell AH: Ab wann informieren Sie die künftigen Retailer über das Geschäftsmodell, das dann ab 1. Januar 2027 für die Mainstreammarken gelten soll? L. Bialkowski: Wir haben hierfür die nächsten Monate, insbesondere das vierte Quartal 2023 vorgesehen. Dabei wird es nicht nur um das Geschäftsmodell als solches, sondern insbesondere auch um die damit einhergehenden Prozessveränderungen und natürlich die Details des zugrunde liegenden Retailer-Vertrags gehen. Für den Start des Retailer-Modells für unsere Premium- und Nutzfahrzeugmarken zum 1. April 2024 werden wir bis ins erste Quartal hinein mit den entsprechenden Partnern einen individuellen Business Case abstimmen. Ähnlich sehen wir dies dann auch für unsere Pkw-Mainstream-Marken vor. Hier ist die Erstellung der individuellen Business Cases allerdings erst für 2026 geplant, damit mögliche Marktentwicklungen realistisch reflektiert werden können. AH: Bis wann muss ein Händler entscheiden, ob er als Agent weiter machen will? L. Bialkowski: Diesen Partnern liegt bereits eine klar formulierte Absichtserklärung vor, auf deren Basis wir zum 1. April 2024 für die Premium- und Nutzfahrzeugmarken beziehungsweise zum 1. Januar 2027 für unsere Pkw-Mainstream-Marken einen Retailervertrag anbieten werden. Diese Partner entscheiden bis zur Unterzeichnung des Retailer-Vertrags im ersten Quartal 2024 beziehungsweise Ende des Jahres 2026, ob sie das Angebot annehmen. Neue CI AH: Mitte Juli haben Sie kommuniziert, wie die Regelungen für die Einführung der neuen CI aussehen wird. Wenn das Retailer-Modell eingeführt wird, wird Stellantis 70 Prozent bei den Mainstream- und 75 Prozent bei den Premiummarken erstatten - abzüglich der Abschreibung. Die Umsetzung soll Ende 2024 abgeschlossen sein. Ist das realistisch? L. Bialkowski: Der Zeitplan ist tatsächlich eine Herausforderung. Wir sind aber zuversichtlich, ihn einzuhalten. Dies zum einen, weil wir schon heute mit unseren Dienstleistern und Lieferanten die Kapazitäten dafür ausbauen, und zum anderen, weil wir mit unseren Partnern klare Zwischenziele vereinbart haben. Neben Bestandschutzregelungen sowie Finanzierungsangeboten werden wir unsere Partner auch mit einem gut strukturierten Projektmanagement durch diesen Prozess begleiten. Die mit dem Retailer- Modell verbundene Übernahme markenspezifischer Kosten wird insofern sicher den Prozess erleichtern. AH: Warum wird die neue CI bei den Mainstreammarken nicht zusammen mit der Agentur ab 1. Januar 2027 eingeführt? L. Bialkowski: Ganz klar: wir haben keine Zeit zu warten, wir wollen und müssen unsere Kunden schon heute von unseren Marken überzeugen! Wir haben tolle Produkte, wir haben starke und verlässliche Handelspartner und zusammen mit einem starken, frischen Markenauftritt werden wir erfolgreich sein. Im Stellantis Markenverbund hat jede Marke ihre eigene DNA und eigene Werte, die auch in der CI widergespiegelt werden - erfahrbar für jeden Kunden und jeden Interessenten. Die daher weiterentwickelten CI-Konzepte müssen daher zeitnah erlebbar sein. Markenorganisation AH: Zweifellos ist es eine Herausforderung die Marken unter einen Hut zu bringen. Sie sprechen von der "Sales Machine" und meinen damit die Organisation des markenübergreifenden Bereichs. Wie ist das organisiert? L. Bialkowski: Wir haben für die Mainstream-Marken Citroën, Fiat, Jeep, Opel und Peugeot eine schlagkräftige, übergreifende und zentrale Verkaufsfunktion unter der Leitung von Roberto Debortoli gegründet und sie bei uns intern als "Sales Machine" bezeichnet. Hier sind die Vertriebsfunktionen für diese fünf Marken sowie das Thema Car Flow gebündelt. Darunter fungieren fünf Vertriebsleiterinnen und Vertriebsleiter, die wiederum den jeweiligen Außendienst betreuen. Für Citroën ist das Laura Rebecca Schopf, für Fiat und Abarth Markus Asbeck-Wiemers, für Jeep Pietro Abbatangelo, für Peugeot Stefan Moldaner und für Opel Benedikt Wiesmann. Unterstützt werden sie von Viola Lupo, die als Sales Operations / Commercial Optimization Managerin die Vertriebssteuerung der Mainstream Marken verantwortet. Roberto Debortoli steuert in seiner Funktion den Außendienst und arbeitet dabei eng mit den Markenverantwortlichen zusammen. AH: Wie wird der Premiumbereich geführt? L. Bialkowski: Das Premium Cluster mit den drei Marken Alfa Romeo, DS Automobiles und zukünftig auch Lancia wird von Niccolò Biagioli geführt, der mit Marc Wiechert einen erfahrenen Vertriebsleiter für diese drei Brands an seiner Seite hat. Auch Wiechert steuert einen exklusiven Außendienst für das Premium Cluster. Lieferschwierigkeiten AH: Der Handel beklagt unter anderem Belieferungsprobleme und eine mangelnde Verfügbarkeit von bestimmten Fahrzeugen. Wie sieht die Lösung aus? L. Bialkowski: Innerhalb von nur sechs Monaten wurden die Transportkapazitäten verdreifacht, wodurch wir derzeit jede Woche mehr als 3.000 Fahrzeuge von unseren Lägern zu den Handelspartnern transportieren. Durch diesen starken Anstieg in der regulären Belieferung konnte gleichzeitig der Anteil der Selbstabholungen durch den Handel signifikant reduziert werden. Wir haben in den vergangenen Wochen bereits vermehrt Feedback von einzelnen Partnern erhalten, dass dort sogar mehr als erwartet Fahrzeuge angeliefert wurden. Parallel zum Aufbau von allgemeinen Kapazitäten, wurde die Anzahl von bereits zugelassenen, aber noch nicht ausgelieferten Fahrzeugen ebenfalls drastisch reduziert. Durch eine verbesserte logistische Abstimmung mit den Werken und der Produktion haben wir die Kapazitäten an den richtigen Stellen erhöht, sodass sich die Lieferzeit vom Compound zum Händler drastisch reduziert. Trotz dieser Verbesserungen gibt es dennoch einige individuelle Probleme von Händlern, die wir jetzt mit der neuen Struktur und dem neuen Außendienst final lösen werden. AH: Dem Handel wurden ausstehende Bonuszahlungen bisher nicht überwiesen. Wann kann damit gerechnet werden? Ab wann funktioniert das Prämienmodul? L. Bialkowski: Das Thema ist in der Tat eine Herausforderung für den Handel und auch für uns in den letzten Monaten gewesen. Das Problem ist durch die zahlreichen Transformationsmaßnahmen entstanden. Wir konnten dieses Thema aber weitestgehend lösen, noch offene Maßnahmen sind eingeleitet. Seit einiger Zeit kann beispielsweise auch die Abwicklung der B2B Flottennachlässe für Kundenaufträge bis zum 31.12.2022 ebenfalls über das etablierte Prämienmodul erfolgen. Mit Wirkung zum 3. Juli konnten wir einige systemisch bedingte offene Punkte lösen und umsetzen, sodass seitdem der vorhandene Backlog aufgelöst wurde und die Prämienabwicklung regulär laufen kann. AH: Wie ist die Betreuung durch den Außendienst für die jeweiligen Marken geregelt? Auch dazu gibt es Kritik. L. Bialkowski: Die Kritik ist verständlich und nachvollziehbar. Durch die Umstrukturierung innerhalb des Vertriebs hin zur Sales Machine wurden viele Zuständigkeiten neu zugeordnet. Ab September wird dann jeder Handelspartner einen, oder besser "seinen" Ansprechpartner haben, mit dem er das Tagesgeschäft besprechen und regeln kann. Und das betrifft übrigens zukünftig auch die weiteren Bereiche wie B2B, Aftersales oder LCV. AH: Die Fiat-Professional-Händler fragen sich, warum Stellantis aufgrund zahlreicher Strukturprobleme dabei ist, die langjährige Marktführerschaft in Europa aufzugeben. L. Bialkowski: Stellantis ist als Gruppe bei den leichten Nutzfahrzeugen in den ersten sechs Monaten des Jahres mit 19,4 Prozent Marktanteil auf einem starken zweiten Platz bei den Zulassungen gelandet. Wir haben dabei im Vergleich zum Vorjahr über 3.000 Fahrzeuge mehr zugelassen und liegen als Stellantis bei knapp 25.000 leichten Nutzfahrzeugen. Das beschreibt unsere außergewöhnliche Position in diesem Sektor. Selbst wenn wir bei einer Marke temporär mit Produktions- oder Lieferschwierigkeiten zu kämpfen haben, können wir das mit einer anderen Marke aus unserem Portfolio ausgleichen. So ist das in einigen Monaten beispielsweise bei den Campern gewesen. Vertriebsprogramme AH: Wie sehen die Vertriebsprogramme aus, um den Absatz 2023 noch zu steigern? Opel, Fiat und Citroën liegen im ersten Halbjahr hinter dem Vorjahresergebnis. Die Auftragslage vor allem bei privaten Kunden verlangsamt sich. L. Bialkowski: Wir haben für alle unsere Marken Wachstumspläne für das zweite Halbjahr erarbeitet und sind bereits in der Umsetzung. Wir haben vor allem in Marketing und Struktur investiert und werden damit die weiteren Monate deutlich besser abschließen. Wir sind derzeit mit deutlich verbesserten und sehr wettbewerbsfähigen Leasingangeboten im Markt präsent, die sich bereits signifikant bemerkbar machen. Unter anderem damit werden wir uns aus den zuletzt schwächeren Auftragseingängen wieder herausarbeiten. Die Auftragseingänge, ganz besonders bei den batterieelektrischen Fahrzeugen, zeigen sich schon stark verbessert. So konnten wir beispielsweise mit dem Fiat 500 Elektro bei den BEVs auf das Podium zurückkehren und führen das A/B-Segment an. AH: Die E-Mobilität ist insgesamt ins Stocken geraten. Das liegt auch an den hohen Kosten. Mit welchen Maßnahmen wollen Sie sich am Markt stärker durchsetzen? L. Bialkowski: Wir haben uns das strategische Ziel gesetzt, bis 2030 nur noch E-Autos in Europa auf dem Markt zu haben und dann 2038 komplett CO2-frei zu agieren. Das haben wir in unserem Strategieplan "Dare Forward 2030" festgehalten. Bis 2025 werden wir allein in Deutschland 20 neue, rein batterieelektrisch angetriebene Modelle auf den Markt bringen. Zum Jahresbeginn haben wir einen Absatzknick in Sachen E-Autos erleben müssen, sicherlich aufgrund der zu Ende 2022 ausgelaufenen und reduzierten staatlichen Prämien. Im Moment machen wir mit gezielten Marketingmaßnahmen auf unsere BEVs wie den neuen Jeep Avenger oder den neuen Abarth 500e aufmerksam und streben die Rückkehr auf den zweiten Rang im Markt an. Der Fiat 500 Elektro steht wieder auf dem Podium bei den Elektrofahrzeugen. Wir bearbeiten diesen Markt mit attraktiven Leasingraten bestmöglich und bieten beispielsweise den Fiat 500 Elektro aktuell zu Leasingraten ab 129 Euro pro Monat an. Für Opel stehen dabei der E-Corsa und E-Mokka, bei Peugeot und Citroën die Modelle E-2008 und e-C4X. Zusätzlich hat Stellantis Free2move Charge eingeführt - ein umfassendes 360-Grad-Ökosystem für ein nahtloses Lade- und Energiemanagement, das den Bedarf aller Elektrofahrzeugkunden komplett abdecken wird. Free2move Charge gehört zur neuen Charging & Energy Business Unit von Stellantis und adressiert die Bedürfnisse von E-Fahrzeugkunden zu Hause, am Arbeitsplatz und unterwegs. AH: Gibt es für die einzelnen Marken eine mittelfristige Produktstrategie, auf die sich die Händler verlassen können? L. Bialkowski: Wie in der Frage zuvor schon erwähnt, werden wir bei Stellantis bis 2025 20 neue BEVs einführen. Alleine in den kommenden Wochen werden der neue Peugeot E-308, der Opel Astra Sports Tourer Electric, der neue Fiat 600e und einige weitere 48-Volt-Versionen im Handel verfügbar sein. Und das ist nur ein kleiner Ausschnitt dessen, was wir in diesem Jahr noch ankündigen und präsentieren werden. Seien Sie versichert, die Modellpipeline ist prall gefüllt und Sie werden regelmäßig über Neuheiten aus dem Hause Stellantis lesen können! AH: Herzlichen Dank für das Gespräch!

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