Ausgabe 16/2012: Wer schenkt, der zahlt

Wer schenkt, der zahltUmsatzsteuer bei Warenabgaben – Die Besteuerung von kostenlos abgegebenen Lebensmitteln könnte auch für das Kfz-Gewerbe Bedeutung erlangen, bspw. bei der Entsorgung von ausrangierten Ersatzteilen. Rath, Anders, Dr. Wanner & Partner WPGSchlagzeilen über die Finanzverwaltung sind ständig Teil der Tagespresse, häufig sind sie auch auf den Titelseiten zu finden. „Schenkungen an Tafeln umsatzsteuerpflichtig?“ sowie „Bayern stellt 200 Steuerfahnder ein“ waren einige der letzten Titelthemen. Dies ist für uns Anlass, solche Inhalte zu versachlichen und auf „Denkfehler“ der Finanzverwaltung hinzuweisen. Vor allem geht es auch darum, solche Fehlbeurteilungen nicht auch noch ausufern zu lassen, also den Mittelstand vor solchen Irrtümern der Finanzverwaltung zu schützen!Umsatzsteuerpflichtige Lieferung Wenn ein Kfz-Unternehmer sein Ersatzteillager ausmistet und diverse Artikel zum Verschrotten gibt, so ist er in manchen Fällen froh darüber, dass jemand ohne Entgelt die Sachen von seinem Hof abholt und entsorgt. Manchmal kann er dafür auch noch eine kleine „Altmetallpauschale“ erzielen. Laut Presseberichten ist nun ein Finanzbeamter auf die glorreiche Idee gekommen, die unentgeltliche Warenabgabe (Lebensmittelabgabe) an die Tafeln mit Umsatzsteuer zu belasten. Angeblich seien dies Schenkungen, so dass die Entnahme der Ware mit dem entsprechenden Verkehrswert der Umsatzsteuer zu unterwerfen sei. Nun stelle man sich einmal vor, ein Betriebsprüfer käme bei einem Autohaus auf die Idee, die verschrotteten Ersatzteile zumindest mit den Anschaffungskosten der Teile der Umsatzsteuer zu unterwerfen, denn der Unternehmer habe ja schließlich die Ware dem Verschrotter „geschenkt“!? Nach den Presseberichten über die Umsatzversteuerung bei Warenabgaben an die Tafeln ging ein Aufschrei durch die Verbände. Außerdem wurde sofort nach dem Gesetzgeber gerufen: eine sofortige Änderung des Umsatzsteuergesetzes müsse beschlossen werden. Gesetzesänderung notwendig?Der Vergleich der Warenabgabe an die Tafeln mit der Verschrottung von Ersatzteilen zeigt doch Folgendes auf: Die Ware hat für den abgebenden Unternehmer gerade keinen merklichen Wert mehr, da das Aussortieren, das Umsortieren, die Lagerung etc. in keinem Verhältnis mehr zu einem möglicherweise späteren Abverkauf der Ware steht. So zeigt auch ein konkretes Beispiel im Bäckerhandwerk, was es mit diesen „Schenkungen“ an die Tafeln auf sich hat: Die nicht abverkaufte Ware wäre am nächsten Tag nur mehr als „alte Ware“ zu verkaufen und entspricht nicht dem Anforderungsprofil an eine Bäckerei, frische Ware abzugeben. Gleichwohl ist der Unternehmer gehalten, Ware in ausreichendem Angebot vorzuhalten, damit auch zu späterer Stunde immer noch eine größere Auswahl für den Kunden zur Verfügung steht. Dies führt zwangsläufig dazu, dass am Abend bei Verkaufsende mehrere unverkaufte Produkte übrig bleiben. Der Wert dieser Ware ist für den Fachhandel aber nahezu null, er müsste am nächsten Tag die Altware von der Neuware getrennt lagern/anbieten, oftmals sind diese Verkaufsregalressourcen überhaupt nicht vorhanden. Ist der Wert für den Unternehmer somit null und gibt er die Ware deshalb ohne eine Vergütung kostenlos ab, so ist dies eine marktgerechte Verwertungshandlung und kann auch daher nicht zu einer positiven Umsatzsteuer führen.Denkfehler des PrüfersDer Finanzbeamte, der diese Sache bei den Tafeln aufgegriffen hat, hat aber offensichtlich mehrere Dinge völlig verwechselt: Warum die vom Unternehmen kostenlos abgegebenen Lebensmittel dennoch für die Tafeln einen Wert haben, besteht nicht in dem Warenwert bei der Abholung beim Unternehmer, sondern vielmehr in der dann erfolgten unentgeltlichen Leistung der vielen Helfer bei den Tafeln. Angefangen beim Transport zu den Tafeln, beim Sammeln und Sortieren haben diese Waren nur dadurch einen „Wiederverwertungswert“, dass sie auch noch von den Mitgliedern der Tafeln ohne Berechnung von Personalkosten angeboten und verteilt werden. Maßgeblich für die Umsatzbesteuerung beim Unternehmer kann daher nicht der Wert der Ware sein, die diese in dem Augenblick hat, als sie von der Tafel wiederum an Bedürftige abgegeben wird, sondern ausschließlich im Zeitpunkt der Abholung beim Unternehmer, um dessen Regale zu räumen. Zu dem Zeitpunkt ist der Wert jedoch nahezu null, und deshalb ist auch die Umsatzsteuer null! ■Michael Böhlk-LankesRechtsanwalt, Steuerberatermuc@raw-partner.deKurzfassung1. Immer wieder erfolgt bei Entscheidungen der Finanzverwaltung, die zu Lasten des Bürgers gehen, vorschnell der Ruf nach dem Gesetzgeber. 2. Die kostenlose Abgabe von Waren ist oftmals kein Ausdruck einer „Schenkung“ durch den Unternehmer, sondern vielmehr die einfachste Art einer „Entsorgung“. Die kostenlose Abholung kann daher für den Unternehmer keine Umsatzsteuer einer Warenlieferung auslösen, der Warenwert ist null und die Umsatzsteuer ebenfalls null.3. Denkfehler von Finanzbeamten sollten daher schnellstmöglich offengelegt werden, um Auswüchsen in der Steuererhebung zu begegnen – auch ohne Gesetzesänderung!Kommentar< Der unendliche Finanzbedarf des Fiskus und letztlich auch die Statistiken von Betriebsprüfungen, wonach jeder Betriebsprüfer Mehrergebnisse bringt und deshalb auch schnell der Ruf nach noch mehr Betriebsprüfern populistisch ist, muss immer wieder realistisch zurechtgerückt werden: Wie oft erleben Unternehmer, dass ein Umsatzsteuersonderprüfer Formalitäten von Rechnungen beanstandet, weil dadurch der Unternehmer z. B. „unberechtigterweise“ die Vorsteuer vom Finanzamt erstattet bekommen habe. Der Prüfer holt sich so ein „Mehrergebnis“, obwohl in den meisten Fällen sofort durch eine Rechnungsberichtigung in diesem Zeitpunkt die Umsatzsteuer wieder vom Unternehmer zurückverlangt werden kann. Wirtschaftlich gesehen nicht nur ein Nullsummenspiel, sondern durch den bürokratischen Ablauf volkswirtschaftlich ein echter Schaden – statistisch jedoch für die Finanzverwaltung ein (angebliches) Mehrergebnis. Der Ruf nach der Einstellung von mehr Finanzbeamten muss daher vehement mit dem Argument erwidert werden, dass es vielmehr darum gehen müsse, Finanzbeamte noch wesentlich effektiver einzusetzen und solchen unnötigen Bürokratismus einzudämmen. Ganz abgesehen von Denkfehlern der Finanzverwaltung, die im Beispiel „Tafeln“ zu solch unrühmlichen Vorgängen führen, wonach bei der Abgabe von überschüssigen Waren an Tafeln der Unternehmer mit Umsatzsteuer belegt werden soll. Sicherlich ist oftmals auch die Kompliziertheit des Steuerrechts für solche Fehler verantwortlich, die Politiker sollten aber dann nicht nach dem Gesetzgeber rufen, um weitere Detailregelungen einzuführen, sondern lieber das Steuerrecht einmal radikal entrümpeln! >

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