Von AUTOHAUS-Herausgeber Prof. Hannes Brachat
Frage: Seit wie viel Jahren reden wir nun Jahr für Jahr von einem Ausnahmejahr? Der Start dafür ist mit dem VW-Dieselbetrug 2015 gelegt worden. Der Dieselmarktanteil ist seither von 47 Prozent aktuell auf 21 Prozent Marktanteil gesunken, obwohl der Diesel in Profikreisen immer noch als umweltfreundliches Auto gilt. Es folgte – politisch so gewollt – die E-Offensive. Das führte zu einer üppigen Prämienlandschaft und in diesem Jahr bis Ende Oktober zu 267.255 reinen E-Autos und 264.798 PHEV – bei einer Gesamtzulassung von 2,19 Millionen Pkw (minus 5,2 Prozent). Deren Marktanteil: inzwischen 17 Prozent. Die Hersteller schaffen immer mehr neue, attraktive E-Modelle. 2030 sollen 14 Millionen E-Autos auf deutschen Straßen und jedes dritte Auto emissionsfrei fahren. Voraussetzung ist, es steht genügend Strom zur Verfügung.
Der E-Auto-Offensive folgte die Corona-Pandemie. Am 16. März 2020 haben wir die ersten Corona-Fahnen gehisst! Und welche Anstrengungen waren notwendig, dass wir ein Jahr später nach dem zweiten Lockdown ab 8. März 2021 unter entsprechenden Vorgaben das Verkaufen mit Terminvereinbarung möglich machen konnten. Inzwischen steht die vierte Corona-Welle an, ein Akt zwischen Verunsicherung und Hoffnung. Ob sich da gesellschaftlich abermals Nachlässigkeit und Rücksichtslosigkeit als Hauptursache für die Virus-Ausbreitung breitmachen?
Das fünfte Ausnahmejahr: Chipmangel
Jetzt steht das fünfte Ausnahmejahr vor der Tür: Chipmangel. Bei VW macht er allein 600.000 Fahrzeuge aus, die nicht gebaut werden können. Autokäufer müssen ein halbes Jahr und länger auf ihren Neuwagen warten. Mehr als 3.000 Halbleiter-Bauteilen, Chips im Wert von Cents stecken in einem Premiumauto. Je nach Marke herrscht Lieferchaos. Liefertermine werden nicht eingehalten. Noch schlimmer, feste Fahrzeugbuchungen im Frühjahr, deren Lieferzusage für Oktober gemacht wurden, werden plötzlich nicht produziert. Und diese Mangelwirtschaft soll bis Mitte 2022 dauern. Viele Hersteller arbeiten aktuell kurz. Es fehlen Neuwagen. Das führt in den Autohäusern zu niedrigeren Erträgen. Der Gebrauchtwagenmarkt wird leergefegt. Und durch das knappe Angebot steigen die Preise.
Das neue Berlin – Aufbruch?
In Berlin werden über die neue Regierung andere Weichenstellungen geschmiedet. Der frühere renommierte Bundesminister Thomas de Maiziere artikulierte bei allen anstehenden notwendigen Reformen das größte Erfordernis: Die Mutter aller Reformen ist die große Staatsreform! Das Übel: Große Infrastrukturvorhaben, die dazu noch mehrere Bundesländer durchqueren, sind nur noch in Zehn-Jahresschritten zu bewältigen. Wir sitzen in einer Komplexitätsfalle. Wer holt uns aus diesem Bürokratiemonster mit fünf Millionen Beschäftigten im Öffentlichen Dienst raus?
Grüne Verkehrspolitik
Ja, es ist richtig, dass wir den Verkehr auf den Straßen reduzieren müssen, um dem Totalstau zu entgehen. Gerade in den Städten. Dort sollen massiv die Radwege ausgebaut werden. Aber wie? Seit 25 Jahren will man mehr Gütertransporte auf die Geleise verlegen. Das sind seither gleichbleibend jedes Jahr ein Volumen von 19 Prozent. Weshalb schaffen Österreich und die Schweiz 40 Prozent? Bis 2030 soll die Bahn die doppelte Menge an Menschen befördern. Wie soll das in neun Jahren geschehen, wenn man für den Bau einer ICE-Strecke wie die von München nach Berlin 20 Jahre braucht? Sollen die Menschen künftig bei der Bahn auf dem Boden sitzen? Da wird ein generelles Tempolimit auf Autobahnen eingefordert. Wir haben doch digital zu steuernde Verkehrsschilder. Wäre es nicht klüger, das Tempo je nach Verkehrsaufkommen digital zu steuern? Stau ist die größte Umweltsünde.
Jetzt wird ein Enddatum des Verbrenners ab 2025 eingefordert. Die VDA-Präsidentin Hildegard Müller stellt dazu klar: "Die Frage über ein Enddatum ist eine symbolische und kann erst beantwortet werden, wenn klar ist wie der Markt für E-Autos sich entwickelt. Erst dann wird klar, ob es eine sinnvolle Jahreszahl gibt." Sie macht außerdem deutlich, dass es für den Erfolg des E-Autos ein in ganz Europa funktionierendes und praktikables Ladenetz geben müsse. Es gelte außerdem die Reichweite der E-Autos technisch zu optimieren. Und die E-Preise sollten sich auch ohne staatliche Förderprämie den Verbrennern mehr und mehr angleichen. Selbst wenn wir Transformation über E-Autos angehen, gibt es weltweit immer noch 1,4 Milliarden, die als Verbrenner unterwegs sind. In Deutschland sprechen wir aktuell von 48 Millionen Pkw, sprich Verbrenner auf den Straßen. Wie können diese CO2-neutral gemacht werden? Durch E-Fuels. Man kann diese ab nächstem Jahr jedem Benziner und Diesel beimischen. Wo bleibt die Umsetzung?
Ein klares Ja zum Auto!
Wichtige Forderung: Wir sollten uns für ein klares Ja zum Auto, zur individuellen Mobilität sowie zur Technikoffenheit bekennen. Politisch gab der grüne Ministerpräsident Kretschmann die richtige Losung aus: "Wir brauchen grüne Innovationen, aber schwarze Zahlen." Ökologie ist nur zu gestalten, wenn die Ökonomie die erforderlichen Mittel dafür erarbeitet. Bitte, die furchtbare Wasser-Apokalypse im Ahrtal und der Eifel hat uns die Notwendigkeit der Reduzierung der Erderwärmung abermals deutlich vor Augen geführt. Wir sind in Deutschland mit zwei Prozent am Gesamtaufkommen von CO2 beteiligt. Selbst wenn wir morgen die Nullemission in Deutschland erreicht haben, ist das Weltklima damit nicht gerettet. Es bedarf dringlich der geschlossenen internationalen Aktion. Soviel zum "Klimagottesdienst".
Inflationäre Entwicklung
Das neue Jahr 2021 hat mit der neu eingeführten CO2-Steuer und dem Wiederanstieg der Mehrwertsteuer begonnen. Die Benzinpreise haben seither pro Liter einen Sprung von 40 Cent pro Liter gemacht. Im Oktober 2021 stiegen die Verbraucherpreise um 4,5 Prozent. Inflation! Die Preise steigen und mit ihnen die Erwartung. Wie wird die neue Regierung, wie die EZB gegensteuern? Im Juli 2022 werden weitere Fahrzeugassistenzsysteme bei Neufahrzeugen Pflicht, Unfalldatenspeicher, Schutz gegen Cyberangriffe, Car-to-Car-Kommunikation, Rückfahrassistent u.a. Das führt zu einer weiteren Verteuerung der Neufahrzeuge.
Der Bund hat seine Wachstumsprognose für 2021 auf 2,6 Prozent gesenkt. Für 2022 soll das Wachstum mit 4,1 Prozent höher ausfallen. 2022 soll es zu deutlichen Aufholeffekten kommen. Nennen wir das "Wackelprognosen", zumal die Corona-Politik in einzelnen internationalen Ländern sehr unterschiedlich ausfällt und Verunsicherung bedeutet.
Hersteller-/Händlerbeziehung
Wer den Händlerzufriedenheitsgrad beim aktuellen Markenmonitor 2021 aufschlägt, stellt dort eine Schulnote jenseits der 3,0 fest. Eigentlich sollte die Zeit der Transformation in Form neuer Händlerverträge, der Einführung des Agenturgeschäfts, der neu zu erwartenden GVO zum 1.6.2022, Direktvertrieb und die unzuverlässigen Lieferzeiten ein enges Zusammenwirken zwischen Hersteller und Handel ausmachen. "You act as one!" So hieß einmal die Zielsetzung. Aktuell herausgekommen ist: "You act alone!"
(Hier können dann Besonderheiten des Jahres 2021 im eigenen Autohaus dargestellt werden: Produkteinführungen, Jubiläen, neue Mitarbeiter, Kundensituation, gesellschaftliches Engagement u.a.)
Das Jahr 2022
Werfen wir einen Blick nach vorne. Ob der automobile Gesamtmarkt 2022 abermals drei Millionen Neuwageneinheiten und sieben Millionen Besitzumschreibungen hergibt, kann keiner verbindlich sagen. So sich die Chipkrise im zweiten Halbjahr 2022 auflöst, sind Sonderschichten im Neuwagensektor denkbar.
(Hier können nun Planungen für 2022 eingeführt werden, z. B.: Wo stehen wir in Sachen Kundenzufriedenheit, Digitalisierung. Nachhaltigkeit, AutoAbo, E-Mobilität, Mitarbeiterförderung?)
Persönliche Anmerkungen
Lassen sie mich auch auf eine menschliche Ebene zu sprechen kommen, die mich in diesem Jahr auffällig berührt hat. Wir waren aufgrund von Corona und den Lieferschwierigkeiten in unserem Autohaus im Miteinander auf eine ganz besondere Weise gefordert. Erklären sie einem Stammkunden, der im Mai einen Neuwagen zum 18. Geburtstag seiner Tochter im Oktober bestellt hat und zwei Wochen vor Liefertermin kommt die schriftliche Antwort des Herstellers, dass das Fahrzeug gar nicht gebaut wird. Wer löffelt diese Suppe aus? Kundenwirksame Unterstützungshilfen seitens des Herstellers bleiben bislang aus. Untragbar! Der zuständige Außendienst schweigt dazu und kann nichts entscheiden. Das Dilemma lässt sich auch über zahlreiche ausstehende Teilelieferungen fortsetzen. Wie viele Kompromisse, kreative Notlösungen hatten wir für unsere Kunden im gemeinsamen Dialog zu treffen. Ja, Not macht erfinderisch.
Und dennoch, ich möchte es ihnen heute so deutlich sagen, dieses Klima des Miteinanders für unsere Kunden hat in mir dieses Jahr Wohligkeitsgefühle ausgelöst. Ich konnte in so vielen Fällen auf sie alle bauen und sie haben damit mich aufgebaut. Ich habe dieses "Wir-Erlebnis" in diesem Jahr öfter als früher erleben dürfen. Und das im Verbund mit Humor. Wie oft erlebten wir Situationskomik. Und durch unser gemeinsames Teamwork haben wir auch den Kunden gegenüber ein gutes Stück Glaubwürdigkeit darstellen können. Und für diesen Kraftakt, in dem sie immer wieder gefordert waren, möchte ich allen Dank sagen. Dennoch, es geht weiter, es muss für uns in der Zukunft auch den Mut zur Innovation, zur Veränderung geben. Und da wünsche ich mir von ihnen, dass unser gewachsenes Miteinander weiter Früchte trägt. Daran kann jeder von uns aktiv mitwirken. Darum bitte ich sie.
Ich möchte aber auch der Politik in unserem Lande Dank sagen. Sind wir in Sachen Corona, Chipkrise, CO2-Wirkung u.a. nicht Laien und von Autoritäten abhängig? Seien wir zutiefst dankbar für das Wunder, dass in derart kurzer Zeit Impfstoffe gegen die Pandemie gefunden und produziert wurden. Es ist letztlich Vertrauenssache für die Vielen, die es gut mit uns meinen. Und wie könnte man eine Pandemie ohne Internet bewältigen, auch wenn deutsche Gesundheitsämter heute noch mit "Faxen" unterwegs sind. Ich sage Dank für das Thema Kurzarbeitergeld, Homeoffice, Überbrückungshilfen. Das waren politisch für viele sehr hilfreiche Antworten. Eine Insolvenzwelle in der Branche konnte so bislang abgewehrt werden.
Weihnachten
Erstmals gefeiert wurde Weihnachten übrigens, soweit man heute weiß im Jahr 354 in Rom. Und gute Traditionen soll man wahren. Weihnachten ist das Fest des Friedens und der Liebe. So sagten die Engel, das sind die, die mit einem Lichtstrahl ins Leben treten und vor 2021 Jahren meinten: "Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden den Menschen auf Erden!" Ja wir dürfen in unserem Lande, Dank EU seit 1945 die längste Friedenszeit seit 1.000 Jahren auf Deutschem Boden erleben. Seien wir dafür jeden Tag sehr dankbar. Wir stellen nun in Deutschland abermals 25 Millionen Weihnachtsbäume auf, das Immergrün als Zeichen der Hoffnung und den Baum als Zeichen der Lebenskraft.
Es hat jeder seine persönlichen Baustellen. Ich wünsche ihnen allen, dass sie es schaffen, ihren Wunschbaum zu gestalten, ja mit Schmuck, aber auch mit Zetteln, auf denen all ihre Wünsche stehen. Das Glück besteht eben auch aus Wünschen. Und Wünsche sind beachtliche Brückenbauer. So wünsche ich Ihnen, Ihren Familien, Partnern und Partnerinnen ein gelingendes Weihnachtsfest. Und denken sie daran, für das Neue Jahr an die weitere Stärkung unseres "Wir-Gefühls". Das gibt unserer Arbeit Sinn und macht sie für uns alle leichter. Ich danke ihnen allen für ein weiteres Ausnahmejahr, das wir gemeinsam gemeistert haben. Gehen wir das Neue Jahr 2022 mit froher Zuversicht an!