Es ist erschreckend, wenn man sich als Auto-Nerd, der wöchentlich andere Autos bewegt, nicht mehr zurechtfindet - im Auto. Das ist jedoch keine Seltenheit im Jahr 2024. Da werden Spiegelverstellungen weggespart, die Aktivierung des Tempomats erschließt sich nicht mehr und die Fensterheber verschwinden teils. Und da geht es nicht einmal ums Eingemachte, also das Infotainmentsystem mit all der Tiefe der Funktionen, die angeblich heute jedes Automobil aufweisen muss.
Der VW Polo ist anders - oder ist er einfach nur alt? Beides ist schön, schätzen wir das Alte(r) doch derzeit sowieso zu wenig und frönen der ewigen Jugend. Der aktuelle Polo darf getrost als Oldie in der Branche betrachtet werden. Mitte 2017 auf den Markt gekommen, hat er seinen Lebensabend längst erreicht. Und das merkt man nach dem Einsteigen sofort. Dinge sind nicht nur dort zu finden, wo man es als ältere Person gewohnt ist. Nein, auch die Jugend versteht, wie hier agiert werden muss. Angefangen von den erwähnten Details geht es einfach ans Sitzverstellen. Ganz klar, mechanisch, kein elektrisches Versteckspiel. Die Position passt und es sitzt sich bequem.
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Startknopf drücken - ja, der ist genau dort, wo es in der Polo-Basisversion noch ein Schlüsselloch gibt - und dann einfach den Gangwahlhebel des Siebengang-Doppelkupplungsgetriebes auf Fahrstufe D ziehen und schon rollt der Polo sanft los. Leider jedoch nicht immer so sanft. Vor allem nach dem Kaltstart hat der Doppelkuppler eine latente Rupfneigung, die das Anfahren teils ruppig gestaltet. Ein Komfortgewinn, und gerade im Fahrdienst-einsatz ein Spritsparargument, ist das DSG dennoch.
Hier wird fast immer im optimalen Drehzahlbereich gefahren, und die rechte Hand bleibt frei fürs Brötchen zwischendurch oder der Arm liegt einfach entspannt auf der verschiebbaren Mittelarmlehne. Der Handbremshebel ist ebenfalls noch vorhanden, ebenso wie eine Vielzahl von Tastern, die ohne Blickabwendung vom Verkehr zu finden sind. Der Tacho im Testwagen ist indes digital und sehr schön individualisierbar. Da ergibt dieses Instrument in der Tat mal Sinn, wenngleich 286 Euro dafür auch viel Geld ist.
Platz gibt es im ausschließlich viertürigen Polo ausreichend. Die Sitzposition vorn ist sehr gut und auch hinten sitzt man mit angenehmem Beinwinkel, falls doch mal mehr als zwei Personen im Auto unterwegs sind. Schaut der Fahrer rechts über die Schulter, erblickt er im Stadtverkehr auch noch alles auf dem Radweg und Bürgersteig schräg hinter dem Polo. Übersichtlich ist der in Pamplona produzierte Wolfsburger auf jeden Fall und mit 4,07 Metern zwar kein Winzling mehr, aber noch parkplatzfreundlich dimensioniert und mit einem Wendekreis von 10,7 Metern tatsächlich wendig.
In der gefahrenen R-Line-Version mit Sportfahrwerk (336 Euro) kann entweder der Einliter-Dreizylinder als Untermotorisierung angesehen werden, oder aber das sportliche Set-up als Überdosis. Benötigt wird es in jedem Fall nicht. Es treibt aber den Preis des Testwagens auf absurde 30.000 Euro. Angesichts dessen darf und muss auch am Matrixlicht Kritik geübt werden. Denn das hatte echte Ausfallerscheinungen und "blitzte" im Autobahn-Einsatz oft rechts vorne die Vorausfahrenden an. Das muss heute auch im Kleinwagen besser funktionieren - und tut es bei anderen Fahrzeugen auch.
Der 95-PS-Benziner ist ein toller Motor für den 1,2 Tonnen schweren Polo. Was sich nach nicht viel Leistung anhört, fühlt sich sogar auf der Autobahn sehr gut an. Tacho 200 sind möglich, ein Landstraßenverbrauch von etwas mehr als fünf Litern Superbenzin auf der anderen Seite des Gaspedals ebenso. Mit dem 40-Liter-Tank kamen wir locker 650 Kilometer weit - in der Stadt ist der Verbrauch natürlich höher.
Günstig ist VW nie. Der Polo TSI 95 DSG kann aber preiswert ausgestattet werden. Auf rund 23.000 Euro kommen wir mit unserer Ausstattungs-Empfehlung. In VW-Sprech bedeutet das: "Life"-Ausstattung und ein paar Extras. Viel weniger wird es aber kaum werden. Der Grundpreis des 1.0 TSI mit DSG liegt bei 21.340 Euro. Wer auf die Doppelkupplung verzichtet, gibt 1.546 Euro weniger an den VW-Händler - kann man machen, sollte man aber im Sinne der Mitarbeiterzufriedenheit nicht.
Sinnvoll ist in dem Fall der Verzicht auf große Räder. Das kommt zum einen dem Komfort zugute und kostet am Ende weniger, wenn es um Schadens-aufnahme der verschrammten Alufelgen am Ende der Leasingzeit geht. Fürs Einparken unbedingt zu empfehlen ist die Rückfahrkamera (277 Euro). Diese fährt beim Einlegen des Rückwärtsgangs schmutzgeschützt hinter dem VW-Emblem in der Heckklappe aus - das sind "Innovationen", die Nutzen bringen und das Autofahren sicherer und komfortabler machen.
So bleibt abzuwarten, was nach diesem alten Polo kommt - nicht nur bei VW, sondern auch bei anderen Automobilherstellern, die sich zusehends vom Klein(st)wagen verabschieden. Auf der einen Seite beklagen die Leute Parkplatzprobleme, auf der anderen kaufen sie beim nächsten Neuen gern eine Nummer größer. Die Hersteller behaupten dann, die Kunden wünschten größere Autos und der Kunde ärgert sich derweil, da die Parkplätze bekanntlich nicht mitwachsen.
Wir haben es auch hier selbst in der Hand - doch die Verkaufszahlen geben den Herstellern recht. Das Wachstum wird also weitergehen.
Mr.T