Ausgabe 04/2008: Vereint klappern

Automobil-Marketing / Angesichts schwindender Kaufbereitschaft stoßen auch die Möglichkeiten der Werber an Grenzen. Eine bessere Zusammenarbeit zwischen Herstellern und Händlern scheint aus Marketing-Sicht der Ausweg aus der Krise zu sein.Vereint klappern Von Kerstin HadrathKlappern gehört zum Handwerk. Diese Weisheit trifft wohl auf kaum jemanden mehr zu als auf Marketingfachleute. Automobilhersteller und -importeure lassen reichlich klappern, im Fernsehen, in Print- und Onlineanzeigen. Doch genützt hat all das Getöse im letzten Jahr so gut wie nichts. Die Zahl der Neuzulassungen sank mit 3,15 Millionen bekanntlich auf den tiefsten Stand seit der Wiedervereinigung. So war es nicht unberechtigt, das AUTOHAUS-Symposium "Automobil-Marketing" mit der Frage zu beginnen, ob die Werbeabteilungen die schlechten Ergebnisse von 2007 mitzuverantworten haben. Für Toni Müller, Leiter Marketing bei der Mitsubishi Motors Deutschland GmbH, lag die Verunsicherung der Verbraucher und damit die Kaufzurückhaltung des letzten Jahres darin begründet, dass der Kunde eine schlüssige Umwelttechnologie erwartete, aber ein vernünftiges und auch bezahlbares Produkt fehlte, um diese Erwartung zu bedienen. "Es fehlt am Usprünglichen, Ursächlichen, nämlich am Produkt selber. Kein Hersteller kann sagen, ich habe ein Produkt, das rundum den Umweltanspruch der Verbraucher befriedigt." Ein Produkt mit niedrigen CO2-Werten in den Vordergrund zu rücken und darauf eine modellübergreifende Umweltaussage aufzubauen, hält Müller für unseriös, denn dieses Vorgehen beschädige die Glaubwürdigkeit der Marke. Glaubwürdigkeit und eine eindeutige sowie emotionale Markenpositionierung ist auch für Frank Thomas Dietz, Leiter Marketing und Marken-Management bei Fiat, eine wesentliche Voraussetzung für Erfolg. "In einem Markt, in dem der Konsument zunehmend mit promotionalen Botschaften auf allen medialen Plattformen überhäuft wird, ist eine klar umrissene Markenpositionierung ein wichtiger Anhaltspunkt für den Kunden."Hans-Joachim Radde, Leiter Marketing Deutschland der Audi AG, hält eine emotional positionierte Marke in Krisenzeiten für generell weniger anfällig. "Bei der Kaufentscheidung des Kunden spielt Emotionalität nach wie vor die stärkste Rolle. Allerdings werden auch rationale Aspekte wie Umweltbewusstsein immer wichtiger. Die Nachfrage nach unserem besonders effizienten e-Modell, dem 1.9 TDI e, steigt. In Deutschland verkaufen wir aktuell rund 10 Prozent unseres Audi A3 mit dieser Motorisierung – Tendenz steigend". Katja Kochte, Marketingreferentin bei Hyundai Motor Deutschland, sieht neben steigenden Preisen ein Problem in der Informations- und Werbeflut, die den Kunden geradezu überschwemme. Selbst wenn jeder Hersteller versuche, die Kunden auf möglichst individuelle Art und Weise anzusprechen, käme dies beim Kunden nicht differenziert genug an.Rationaler KaufrauschNach Meinung von AUTOHAUS-Herausgeber Prof. Hannes Brachat steht die CO2-Thematik zu sehr im Mittelpunkt der Diskussion. Dabei werde die Preisgestaltung aus den Augen verloren. "Die Unsicherheitsdebatte ist eines, aber nicht der markante Punkt. Die Leute haben einfach das Geld nicht oder sie streiken, weil sie nicht mehr bereit sind, so viel Geld zu bezahlen." Diese Aussage griff AUTOHAUS-Chefredakteur Ralph M. Meunzel mit seiner Vermutung auf, dass generell eine Wachstumsgrenze erreicht und auch zukünftig mit einer geringeren Nachfrage nach dem Gut Automobil zu rechnen sei. Hartwig Hirtz, Geschäftsführer der Brilliance Motors Deutschland GmbH, erwartet aufgrund der allgemeinen Verunsicherung für 2008 keine wesentliche Verbesserung der Absatzchancen. Die Verunsicherung führe dazu, "dass die Kunden momentan nicht bereit sind, das Geld für das Gut Auto auszugeben". Einen allgemeinen Trend hin zum bewussteren Kauf von Waren macht Dr. Tobias Nickel, Leiter Marketingkommunikation der BMW AG, unter der stetig zunehmenden Klientel der Smart Shopper aus. "Es gibt bei den Smart Shoppern eine neue Definition des Begriffs Emotionalität. Früher wurde Emotionalität mit Hubraum und Status gleichgesetzt. Heute wird Status auch darüber definiert, zu zeigen, ich habe genügend Intelligenz, "smart" auch auf die Effizienz eines Fahrzeugs und den bewussten Einsatz der eigenen Ressourcen zu beziehen. Diese neue Art der Emotionalität gilt es auch marketingtechnisch anzusprechen."Überdruss aus Überfluss Auch Toni Müller erwartet kein weiteres Wachstum in Stückzahlen, sondern in Segmenten und Segmentierungen auf Produktseite. Die Auffächerung der Segmente in immer kleinere Nischen bringt eine große Zahl unterschiedlichster Produkte mit sich und führt zu der Frage, ob nicht der Handel und letztlich auch der Verbraucher von diesem Überangebot überfordert wird und Überfluss Überdruss zur Folge hat. Hartwig Hirtz vermutet in diesem Zusammenhang beim Verbraucher eine pragmatische Herangehensweise. "Der einzelne Kunde, der sich für ein Auto interessiert, bewegt sich im Umfeld des Produkts, das er kaufen will. Deshalb nimmt der Verbraucher vor Ort nur drei, vier neue Modelle im Jahr wahr." Selbst die für Hersteller und Importeure so wichtige Größe Marktanteil fällt nach Ansicht des Brilliance-Geschäftsführers durch das Raster der Verbraucherwahrnehmung. Die Bemühungen der Industrie, mit Tages- und Kurzzulassungen den eigenen Marktanteil künstlich hochzuhalten, laufen somit ins Leere, da sie zumindest beim Verbraucher keinerlei Wirkung erzielen. Den Kunden interessiert es nicht, wie viel Marktanteil eine bestimmte Marke hat. Was zählt, ist das Produkt. Der zunehmende Wettbewerb unter den Herstellern zwingt diese dazu, alle Modellderivate im eigenen Portfolio anzubieten, um die Abwanderung der eigenen Kunden zur Konkurrenz zu verhindern. "Um Loyalität und Volumen nachhaltig zu sichern, ist es wichtig, dem Kunden perfekt auf ihn abgestimmte Produkte zu bieten", fasst Hans-Joachim Radde die Situation der Hersteller zusammen. Mit der als notwendig erachteten Modellvielfalt sei aber auch eine Verantwortung des Herstellers gegenüber dem Handel verbunden. "Unser Job als Hersteller ist es, gemeinsam mit dem Handel Wege zu finden, wie dieser die Produktvielfalt premiumgerecht und finanziell sinnvoll auf dem Markt bringen kann. Wir von der Audi AG unterstützen unsere Partner dabei aktiv und erarbeiten gemeinsam Lösungen." Die Differenzierung und Individualisierung, die auf Kundenseite zu beobachten ist, zeigt sich laut BMW-Marketingchef Dr. Nickel auch auf Händlerseite. Bei manchen Händlern habe die Professionalisierung stark zugenommen, während andere zurückgefallen seien. Deshalb gehe die Schere zwischen guten und schlechten Händlern immer weiter auf. Der Handel befinde sich heute zunehmend in der Rolle eines Beraters, der für den Kunden die Komplexität des Angebots reduziert und überschaubar macht. "Automobilmarken sind wie ein Club. Der Verbraucher entscheidet sich erst mal für einen Club und braucht dann den Berater vor Ort, der ihm sagt, welches Auto zu ihm passt. Deswegen ist die große Herausforderung, den Club möglichst attraktiv zu machen, damit die Leute dann zur Beratung ins Autohaus kommen." Für Ralf Maltzen, Leiter CRM und Internetmarketing der Marke Volkswagen, stellt sich die Situation etwas anders dar: "Neben dem Club- und damit Marken-Gedanken stellen insbesondere Kunden von Volumenherstellern auch rein rationale Kaufkriterien, also beispielsweise Betriebskosten, in den Vordergrund. Auch diese Kunden müssen wir ansprechen und gewinnen."Besser Hand in HandMarketingmaßnahmen der Hersteller, die vom Handel nicht aufgegriffen und fortgeführt werden, sind verlorene Liebesmüh. Dass die Zusammenarbeit von Industrie und Handel verbessert werden muss, darin waren sich alle Symposiumsteilnehmer einig. Frank Thomas Dietz sieht die Hersteller in der Pflicht, "dem Handel zu helfen, effizienter sein regionales Umfeld zu bearbeiten." Die Abarbeitung von Leads, die vom Hersteller generiert werden, funktioniere bisher bei keiner Marke völlig problemlos. Es gelte, "dem Handel immer wieder deutlich zu machen, dass viel Potenzial verloren geht, wenn herstellerseitig generierte und qualifizierte Kontakte nicht genutzt werden". Dietz sieht jedoch auch die Gefahr, durch die Ansprache immer neuer Zielgruppen mit immer neuen Nischenprodukten den Handel in der Ansprache der Kunden im regionalen Bereich zu verlieren. Der Handel müsse im Vorfeld oder gleichzeitig zu zentral gesteuerten Werbemaßnahmen Informationen erhalten, wie er mit den neuen Kundengruppen umgehen soll. "Es liegt am Hersteller, den Handel besser vorzubereiten." Danach befragt, was die Hersteller und Importeure in punkto Zusammenarbeit vom Handel erwarteten, priorisiert Frank Thomas Dietz die Bearbeitung der herstellergenerierten Leads. "Ich wünsche mir, dass man den Leads eine Chance gibt. Beim Handel herrscht eine gewisse Skepsis den zentral generierten Leads gegenüber und es besteht der Glaube, dass man den Markt alleine doch effizient genug bearbeiten kann." Toni Müller ergänzt den Punkt Loyalität des Mehrmarkenhändlers. Es passiere immer wieder, dass zentral für eine bestimmte Marke akquirierte Kunden zwar ins Autohaus kommen, dann aber mit einer anderen Marke vom Hof fahren. Hans-Joachim Radde hält es für wichtig, den Handel bei seinen Marketingaktivitäten zu unterstützen. "Die Tools werden immer funktionaler, damit zunächst aber auch komplexer. Wir investieren viel Zeit und Geld in umfassende Schulungen für unsere Partner, damit diese die Tools für sich auch effizient einsetzen können. Die Herausforderung ist, die richtigen Tools zu entwickeln, die den Bedürfnissen des Handels gerecht werden." Volkswagen versucht über die Qualifizierung der Händler hinaus mit evaluativen Verfahren zu messen, was den Kunden letztlich zum Verkauf bewegt hat. So soll ermittelt werden, wie und wo das Marketingbudget am wirkungsvollsten eingesetzt werden kann. "Das Geschäft vor Ort kennt am besten der Händler vor Ort. Also müssen wir dort professionalisieren, dort investieren, dort unterstützen", formuliert Ralf Maltzen eine Erkenntnis der Wirkungsforschung. Fernsehen wirktDass gerade im Umfeld von Modelleinführungen die Zusammenarbeit mit dem Handel intensiviert werden muss, bestätigte Dr. Konrad Weßner, Geschäftsführer der puls Marktforschung GmbH, denn "die Werbewirkung einer Marke lebt von der Einführung neuer Modelle". Die im zweiten Halbjahr 2007 gelaufenen Kampagnen zur Einführung des Audi A5, des BMW 3er und des VW Tiguan hätten eine deutliche Steigerung in der Werbewahrnehmung bei Kaufinteressenten bewirkt. Als weitere Möglichkeit, sich als Marke positiv beim Verbraucher in Szene zu setzen, machte Weßner Mobilitätspakete aus, die Inspektion, Versicherung und Garantieverlängerung beinhalten. Für Jörg Wahl, Marketingdirektor der Chevrolet Deutschland GmbH, sind verlängerte Garantien von bis zu sechs Jahren jedoch nicht der Weisheit letzter Schluss. "Garantien sind gut für die langfristige Kundenbindung, aber Garantien verkaufen keine Autos." Aus dem Handel gibt es ein sehr klares Feedback, berichtet Toni Müller: "Wegen der Garantie kommt keiner, aber sie hilft ungemein beim Kaufabschluss."Bewegte Bilder transportieren die Emotionalität eines Fahrzeugs am besten. Über 80 Prozent aller Kaufinteressenten nehmen Autowerbung im Fernsehen wahr, Printanzeigen in Fachzeitschriften oder Tageszeitungen nur 18 bzw. 13 Prozent. Auch zukünftig komme man um Produktkommunikation im TV nicht herum, ist Jörg Wahl sicher. Generell werde daneben die individuelle Ansprache über das Internet, aber auch durch den Händler vor Ort an Bedeutung gewinnen. Thesen zum Automobil-Marketing1. Der (Flotten-)Kunde findet sich in der Komplexität der Umweltdiskussion nicht zurecht. Das schafft Unsicherheit, gerade wenn es um den Neuerwerb von Flotten geht. 2. Die Markenpositionierung hat nach wie vor hohe Priorität. Keine der Marken hat es geschafft, eine verlässliche Umweltausrichtung an sich zu ziehen.3. Was der Kunde denkt und danach als Auto kauft, zeigt deutliche Unterschiede. Breite Reifen stehen vor ökologischen Prioritäten.4. Die Vielzahl der Modellneueinführungen erschwert die zeitaufwändige Bearbeitung der Bestandskunden.5. Bei einem schrumpfenden Markt kann man sich nur über das neue Produkt und die Marke differenzieren. Jede Modelleinführung erhöht die Werbewirkung. Es gilt daher, die neue Emotionalität anzusprechen.6. Mögliches Wachstum kann nur noch in den Segmentierungen stattfinden. Deren Belegung sichert eine hohe Loyalität. Auf den Handel kommen noch mehr Modelle zu, die es zu managen gilt. Die Tools werden somit noch komplexer.7. Marken sind wie ein Club. Der Autohaus-Unternehmer ist quasi Club-Manager, der Verkäufer Club-Repräsentant.8. Verlängerte Garantien verkaufen keine Autos. Sie helfen aber beim Abschluss.9. Das Geschäft vor Ort kennt der Händler vor Ort am besten. Er bildet vor Ort das Schaufenster der Marke.10. Im Service-Marketing sind generell die Streuverluste sehr hoch.11. Das Internet ist vor der Kaufentscheidung das wichtigste Medium. Bewegtbilder leisten einen wichtigen Beitrag zur Emotionalisierung. Prof. Hannes Brachat

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