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Tarifpolitik im Kfz-Gewerbe: Der Herbst naht!

22.08.2023 16:22 Uhr | Lesezeit: 4 min
Carsten Beuß
Carsten Beuß: "IG Metall ist weiterhin wichtiger Partner"
© Foto: Prof. Hannes Brachat/IG Metall

AUTOHAUS-Herausgeber Prof. Hannes Brachat sprach mit Carsten Beuß, dem Hauptgeschäftsführer des Auto-Landesverbandes Baden-Württemberg, über die organisatorische Dimension der Tarifpolitik und die gesellschaftlichen Rolle der Gewerkschaft IG Metall.

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Die Kfz-Branche muss zur Kenntnis nehmen, dass die Konflikte zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern 2023 härter geworden sind. Reallohnverluste und starke Preissteigerungen sind Wirklichkeit. Die IG Metall ist ferner dran, die Viertagewoche durchzusetzen. AUTOHAUS-Herausgeber Prof. Hannes Brachat sprach mit Carsten Beuß über die organisatorische Dimension der Tarifpolitik und die gesellschaftlichen Rolle der Gewerkschaft in der Zukunftswerkstatt 4.0 in Esslingen. Beuß ist Hauptgeschäftsführer des Auto-Landesverbandes Baden-Württemberg und gilt als tarifpolitischer Experte.

Die dunklen Wolken werden so nach und nach in der Branche weitere Regengüsse abwerfen. Entgelterhöhung! Zum 1. November 2023 steigen z.B. in Baden-Württemberg die Entgelte für Kfz-Beschäftigte per Tarifabschluss um fünf Prozent, ab 1. Oktober 2024 um weitere 3,6 Prozent. Ferner wird eine steuerfreie Inflationsausgleichsprämie von insgesamt 2.500 Euro fällig. 1.500 Euro mussten spätestens im Juli 2023 ausbezahlt werden. Außerdem konnte im neuen Tarifvertrag eine Vereinbarung über das Fahrradleasing erzielt werden. Der Entgelt-Tarifvertrag läuft bis zum 31. März 2025.

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Man muss sich nochmals vergegenwärtigen, dass an einer verhandlungsbegleitenden Kundgebung vor dem Verhandlungslokal in Leinfelden-Echterdingen 1.200 (!) Metallerinnen und Metaller aufmarschierten. In Baden-Württemberg beteiligten sich rund 7.000 Gewerkschafter an insgesamt 85 betrieblichen Aktionen. Das gewerkschaftliche Drohpotenzial wird gezielt eingesetzt. Die Gewerkschaften leiden wie die Kirchen und andere Vereine an spürbarem Mitgliederschwund. Jetzt zeigt man mit dem "verbliebenen Inventar" besondere Solidarität und hofft!  Auf Nachwuchs!

AUTOHAUS: Wie ist tarifpolitisch die Grundstruktur im Auto-Gewerbe gestaltet? Was machen die Landesverbände, die einzelnen Kfz-Innungen? Welche Möglichkeiten hat der einzelne Kfz-Betrieb?

Carsten Beuß: Der Landesverband wie auch die Kfz-Innungen sind im Gegensatz zu früher keine Tarifträgerverbände mehr. Das heißt: Der Landesverband und die Innungen schließen keine Tarifverträge ab. Unser Landesverband wie auch andere Kfz-Landesverbände haben durch eine Satzungsänderung die Tarifhoheit abgegeben und haben das Thema auf eine "Tarifgemeinschaft" ausgelagert.

AH: Ist die "Tarifgemeinschaft" beim Landesverband angeschlossen?

C. Beuß: Die "Tarifgemeinschaft" ist rechtlich selbständig, ein eigenständiger Verein, der vom Landesverband grundsätzlich unabhängig ist. Es besteht aber seitens der Geschäftsführung Personengleichheit.

AH: Das bedeutet, das einzelne Innungsmitglied ist damit nicht mehr tarifgebunden, sondern ist hinsichtlich Arbeitsbedingungen bis auf gesetzliche Vorgaben in der Gestaltung frei?

C. Beuß: Es gibt keine Tarifbindung mehr über die Kfz-Innung, das Innungsmitglied kann also frei entscheiden, möchte es die Arbeitsvertragsbedingungen selber regeln oder regelt es diese in Anlehnung an den Tarifvertrag oder geht es in die Tarifgemeinschaft mit rein. Es können aber nur Kfz-Innungsmitglieder Mitglied in der Tarifgemeinschaft sein. 

AH: Wie ist diese Tarifgemeinschaft zusammengesetzt? Wer führt die Tarifverhandlungen?

C. Beuß: Die Tarifgemeinschaft ist ein eingetragener Verein. Und da gibt es einmal im Jahr eine Mitgliederversammlung. Dabei geht es um grundsätzliche Themen der Tarifpolitik. Die Mitgliederversammlung wählt eine Tarifkommission. Das sind rund 20 Mitglieder, aus der Mitte von Kfz-Unternehmen. Und die tagen immer dann, wann es die aktuelle Situation wie Tarifverhandlungen erforderlich macht. Oder wenn es Abstimmungsbedarf gibt. In der Tarifkommission werden die Verhandlungen vorbereitet und in Folge durchgeführt. Die Geschäftsführung unterstützt die Tarifkommission. Verhandlungsführer bei uns ist Dr. Andreas Göritz, ein externer Rechtsanwalt. Er wird von der Tarifgemeinschaft gewählt und nimmt diese Aufgabe inzwischen auch in Hessen wahr.

AH: Es gibt 14 Landesverbände. Gibt es diese Tarifgemeinschaften dort auch? Stimmt man sich untereinander ab?

C. Beuß: Inzwischen gibt es in den meisten Bundesländern Tarifgemeinschaften. Und da gibt es eine Koordination. Die Gewerkschaften stimmen sich ebenfalls in ihren einzelnen Bezirken ab. Es gibt beim ZDK den "Sozialpolitischen Ausschuss", wo diese Abstimmungsgespräche stattfinden. Man tauscht sich jeweils über den aktuellen Stand der Dinge aus, legt Strategien und Ziele fest.

AH: Wie würden Sie aktuell die politische Notwendigkeit der Gewerkschaft, in diesem Fall der IG Metall beschreiben?

C. Beuß: Die IG Metall ist für uns auch weiterhin ein wichtiger Partner, sowohl in der Tarifpolitik als auch sonst als Sozialpartner. Das bezieht sich eben auch auf die politische Ebene. Wir haben viele gemeinsame Interessen. Denken Sie an das Thema Mitarbeiter-Qualifizierung und Bildung, die einzelnen Berufsbilder, dann die grundsätzlichen Rahmenbedingungen für die Autobranche. Es gibt also zahlreiche wichtige Bereiche der gemeinsamen Abstimmung außerhalb der Tarifpolitik. Dazu finden je nach Bedarf Gespräche statt.

Wir haben beispielsweise eine Studie über die Arbeitskräftesituation 2030/2040 angestoßen und wollen damit den Fokus der Politik auch auf das Kfz-Gewerbe richten, um die Bedarfe, gerade hinsichtlich Qualifizierung deutlich zu machen. Wir sind dazu bei unserer Landesregierung gemeinsam aufgetreten und konnten dort die Besonderheiten des Auto-Gewerbes vortragen. Das wurde dann zur weiteren Vertiefung mit Fördermitteln ausgestattet. Da spielen wir uns gegenseitig die Bälle mit Vorlagen zu.

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