Sixt: Synergieeffekte nutzen

AH: Wie hat sich das Mietwagengeschäft im vergangenen Jahr entwickelt? Hat sich Sixt in der schwierigen Situation behaupten können? V. Pflanz: Für das Geschäftsjahr 2022 erwarten wir einen Umsatz zwischen 2,8 und 3,1 Milliarden Euro. Der Gewinn wird voraussichtlich am oberen Ende der zuletzt kommunizierten Spanne von 500 bis 550 Millionen Euro liegen. Die genauen Zahlen geben wir auf unserer Jahrespressekonferenz Anfang März bekannt. Eines steht aber bereits fest: Angesichts dieser Erwartungen steuern wir auf ein erneutes Rekordjahr für Sixt zu und wir konnten uns sehr gut behaupten. AH: Auf was führen Sie das Ergebnis zurück? V. Pflanz: Für die Reisebranche insgesamt war 2022 ein gutes Jahr. Das Marktumfeld war und ist positiv, die Menschen wollen reisen trotz aller Widrigkeiten. Dies belegen beispielsweise aktuelle Zahlen zur Entwicklung des Flugverkehrs. In diesem Umfeld haben sich unsere Internationalisierungsstrategie sowie unser Premium-Ansatz ausgezahlt. Wir haben die Weichen konsequent auf internationales Wachstum gestellt und in unsere Premium-Qualität investiert. So haben wir beispielsweise seit Januar 2022 mehr als 1.000 Mitarbeiter zusätzlich eingestellt, vor allem im Operations-Bereich, haben unsere Premium-Flotte weiter ausgebaut und unsere Nachhaltigkeitsstrategie auf den Weg gebracht. AH: Wie hat sich der Mietwagenmarkt in den vergangenen Jahren verändert? V. Pflanz: Kunden erwarten immer mehr Flexibilität. Auf diese Anforderung stellen wir uns ein und bieten beispielsweise mit unserem Sixt+ Auto-Abo maximale Flexibilität: Wir sind einer der wenigen Anbieter am Markt, der Mindestlaufzeiten von nur einem Monat bietet. Zusätzlich sind auch längere Laufzeiten sowie Fahrzeugwechsel während des Vertragszeitraums möglich. Zum anderen lässt sich im Markt ein steigender Anteil von Elektrofahrzeugen beobachten. Bei Sixt haben wir beispielsweise den Anteil elektrifizierter Fahrzeuge auf elf Prozent im Jahr 2022 gesteigert, 2019 lag er noch bei lediglich einem Prozent. Den Anteil wollen wir weiter ausbauen und somit als Begeisterungsbeschleuniger für E-Mobilität wirken. Denn laut unserer gemeinsam mit Kantar TNS durchgeführten Studie unter Sixt-Kunden sind rund 70 Prozent der Befragten der Meinung, dass die Anmietung eines Elektroautos zur Reduzierung von Vorurteilen gegenüber E-Mobilität beitragen kann. AH: Sind 2023 wieder genügend Neuwagen verfügbar? V. Pflanz: Dank unserer guten Beziehungen zu den OEMs konnten wir unsere Flotte bereits 2022 um mehr als zehn Prozent ausbauen im Vergleich zum Vorjahr, obwohl am Markt eine Fahrzeugknappheit herrschte. Aktuell stellen wir fest, dass sich die Fahrzeugverfügbarkeit entspannt. Die für 2023 von uns gewünschten Fahrzeuge haben wir zu ganz wesentlichen Teilen bereits gesichert. AH: Wo sehen Sie im Flotten- und Mietwagenmarkt das größte Potenzial? V. Pflanz: Besonders großes Wachstumspotenzial jenseits vom klassischen Rental-Produkt sehen wir beispielsweise bei Auto-Abos. Mit Mindestlaufzeiten von 30 Tagen, sechs oder zwölf Monaten und der Möglichkeit eines Fahrzeugwechsels während der Laufzeit bietet Sixt+ hier maximale Flexibilität. Darüber hinaus werden wir den Anteil an E-Fahrzeugen in unserer Flotte weiter steigern. Hier sehen wir das Potenzial, als Begeisterungsbeschleuniger zu wirken. AH: Wie performen die verschiedenen Miet- und Aboprodukte? V. Pflanz: Wir sind mit der Entwicklung unserer Services sehr zufrieden. Durch unsere integrierte Mobilitätsplattform können wir unseren Kunden ein ganzheitliches Angebot machen und Partner wie zum Beispiel Tier für die Miete von E-Scootern, E-Moped oder E-Bikes einbinden. Zugleich profitieren wir von Synergieeffekten zwischen unseren Angeboten. AH: Was erwarten Sie von 2023? V. Pflanz: Wir wollen unseren Wachstumskurs fortsetzen, indem wir unsere Premium-Strategie weiterverfolgen und in Bereiche wie Premium-Flotte, Premium-Filialen, Premium-Service und Marketing investieren. Dies gilt insbesondere für die USA als einer unserer Kern-Wachstumsmärkte. Insgesamt sind wir optimistisch in das neue Jahr gestartet, die ersten Wochen sind positiv für uns verlaufen. Ähnlich sieht es in angrenzenden Branchen aus, beispielsweise bei den Fluggesellschaften, wo die Sitzplatzkapazitäten deutlich über dem Vorjahr liegen. AH: Wie gehen Sie mit der Elektro-mobilität um? V. Pflanz: Wir verfolgen eine umfassende Nachhaltigkeitsstrategie, die auf vier Säulen beruht: der Elektrifizierung unserer Flotte, dem weiteren Ausbau unserer Ladeinfrastruktur, unserer Sixt App als zentrale Plattform für Shared Mobility und die schnellstmögliche CO2-Neutralität unserer Stationen und Standorte - anfangs teilweise über Kompensationen. Bei der Elektrifizierung unserer Flotte haben wir uns konkrete Ziele gesetzt: Bis 2030 möchten wir 70 bis 90 Prozent unserer Flotte in Europa elektrifiziert haben. Das unterstützen wir mit Investitionen von mehr als 50 Millionen Euro in die Ladeinfrastruktur in unseren Niederlassungen und möchten unseren Kunden in Zusammenarbeit mit Partnern Zugang zu bis zu 300.000 öffentlichen Ladepunkten in Europa gewähren. AH: Welche Marken spielen bei Ihnen künftig eine größere Rolle? V. Pflanz: Unsere Unabhängigkeit basiert auf der immer gleichen Logik unseres Geschäftsmodells: Wir machen uns nicht von einem Hersteller abhängig, sondern wir pflegen seit Jahrzehnten gute und vertrauensvolle Beziehungen zu allen relevanten OEMs, insbesondere natürlich zu den deutschen Premium-Herstellern. Dieses hervorragende Verhältnis kommt auch daher, dass wir den OEMs Mehrwerte liefern. So begreifen viele Kunden das Mieten eines Autos als Testfahrt. Wir können also gezielt Kaufanreize liefern. AH: Setzen Sie weiter auf Premium? V. Pflanz: Premium-Marken spielen die zentrale Rolle und wir bieten unseren Kunden dabei einen Mix aus verschiedenen Herstellern. Im vergangenen Jahr konnten wir den wertmäßigen Anteil von Fahrzeugen der Marken BMW (inkl. Mini), Audi und Mercedes-Benz in unserer Flotte auf 57 Prozent in 2022 steigern, ein Plus um rund acht Prozentpunkte im Vergleich zum Vorkrisenjahr 2019. AH: Wie sieht die Zusammenarbeit mit chinesischen Herstellern aus? V. Pflanz: Wie bereits erwähnt setzen wir auf einen breiten Mix aus Herstellern. Mehr als 85 % unserer Flotte kommen von europäischen und nordamerikanischen OEMs und auch künftig setzen wir überwiegend auf solche Fahrzeuge. Um unseren Kunden eine möglichst große Fahrzeug-Auswahl zu bieten und unsere Elektro-Flotte möglichst schnell auszubauen, nehmen wir zusätzlich auch Hersteller aus anderen Regionen in unser Angebot auf. AH: Wie könnte eine Kooperation zwischen Sixt und dem Handel künftig aussehen? V. Pflanz: Sixt kann Händlern echte Mehrwerte liefern, sodass diese ihren Kunden ein noch besseres Erlebnis bieten können. Muss das Auto eines Fahrers beispielsweise für einige Tage in die Werkstatt, so kann der Händler seinem Kunden über Sixt ein Ersatz-Mietfahrzeug zur Verfügung stellen. Dieses Fahrzeug kann bei Bedarf markentreu zur Handelsgruppe geliefert werden. Der Kunde wird somit ein nahtloses und sehr positives Erlebnis von dem Händler in Erinnerung behalten. Zudem schließt Sixt Partnerschaften mit Handelsgruppen, um beidseitige Synergieeffekte zu erzielen. Im Rahmen der Kooperationen können wir beim Neuwageneinkauf und Gebrauchtwagenverkauf zusammenarbeiten. Außerdem entsteht gerade bei Langzeitmieten sowie beim Auto Abo Sixt+ durch die längeren Laufzeiten ein höherer Wartungsbedarf, den die Händler abdecken können. Von den Partnerschaften mit den Handelsgruppen können also beide Seiten profitieren. AH: Wie sieht Ihre Wachstumsstrategie im B2B- und B2C-Markt aus? V. Pflanz: Beide Bereiche sind wichtig für uns und es gibt grundsätzliche Gemeinsamkeiten: Wir bieten unseren Kunden eine Premium-Flotte, einen erstklassigen Kundenservice und eine zunehmende Digitalisierung. Die spezifischen Anforderungen können aber im B2B- und im B2C-Segment unterschiedlich sein. Für einen Flottenmanager sind vielleicht Punkte wie Flexibilität und Skalierbarkeit wichtiger, eine Familie, die ein Auto für einen Wochenendausflug mietet, hat hingegen andere Prioritäten. Wir schneiden unsere Angebote spezifisch auf den B2B- und B2C-Bereich zu, sodass die Anforderungen jeder Zielgruppe optimal erfüllt sind. Denn vor allem möchten wir unseren Kunden ein erstklassiges Erlebnis bieten. AH: Wie sieht die Entwicklung in den USA aus? Sie haben dort eine sehr kundenorientierte Strategie. Ist das ein Muster für den europäischen Markt? V. Pflanz: In den USA haben wir unseren Umsatz besonders deutlich gesteigert, so dass sie mittlerweile der größte Einzelmarkt für Sixt sind. Und wir wollen weiter wachsen und transportieren unsere Ambitionen beispielsweise ganz aktuell über unsere US-Markenkampagne "Rent THE Car". Die klare Botschaft: Wir wollen unsere Kunden mit einem erstklassigen Mieterlebnis über die gesamte Customer Journey hinweg begeistern. Das tun wir unter anderem mit unserer Premium-Flotte. Dies gilt allerdings nicht nur für die USA, sondern ist seit jeher essentieller Bestandteil unserer Marktführerschaft in Deutschland und Europa. AH: Herzlichen Dank für das Gespräch!

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