Datenschutz: Startschuss für Abmahnwelle?

Zum 25.05.2018 trat die Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO) in Kraft. Vielfach wurde befürchtet, dass die DSGVO von Abmahnanwälten und Abmahnvereinen als neue Spielwiese betrachtet werden könnte. Diese Befürchtung teilte und teilt durchaus auch der Gesetzgeber. Bundesjustizministerin Barley hat bereits ein entsprechendes Gesetz gegen missbräuchliche Abmahnungen vorgelegt. Das neue Gesetz soll unseriösen Vereinen und bestimmten Anwälten, die Abmahnungen nur zur Gebührenerzielung aussprechen, möglichst einen Riegel vorschieben. Bis das Gesetz in Kraft tritt, wird es allerdings noch eine gewisse Zeit benötigen. Hiervon unabhängig bestand schon vor der Einführung der DSGVO die juristische Debatte darüber, ob und wenn ja inwieweit ein Verstoß gegen die DSGVO das Tor für Abmahnungen und Unterlassungsverfügungen überhaupt öffnen kann. Die Diskussion ist kontrovers. Erstmals mit Beschluss des LG Würzburg vom 13. 09. 2018 (Az. 11 O 1741/18) hat ein deutsches Gericht eine einstweilige Verfügung wegen eines Datenschutzverstoßes zu Gunsten eines abmahnenden Anwalts erlassen. Entscheidung des LG Würzburg Mit dem Beschluss vom 13.09.2018 untersagte das LG Würzburg einer Rechtsanwältin, für ihre berufliche Tätigkeit ihre Homepage ohne Datenschutzerklärung mit dem gemäß DSGVO vorgeschriebenen Inhalt zu betreiben. Der Anwältin wurde für jeden Fall der Zuwiderhandlung die Verhängung eines Ordnungsgeldes, ersatzweise Ordnungshaft, angedroht. Die Anwältin hatte die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Streitwert wurde auf - bemerkenswert niedrige - 2.000 Euro festgesetzt. Der Fehler der Rechtsanwältin: Das Impressum ihrer Webseite enthielt eine lediglich sieben Zeilen umfassende Datenschutzerklärung, die nicht den Anforderungen von Art. 13 DSGVO entsprach. Es fehlten Angaben - zu den datenschutzrechtlich Verantwortlichen - zur Erhebung und Speicherung personenbezogener Daten - zu den Zwecken und Mitteln der Datenverarbeitung - zur Weitergabe von Daten an Dritte - zu Cookies und Analysetools und es fehlte insbesondere - die Belehrung über die Betroffenenrechte gemäß DSGVO (Widerspruchsrecht, Datensicherheit, Möglichkeit der Beschwerde bei einer Aufsichtsbehörde). Das Besondere an dem Beschluss des LG Würzburg ist, dass die vom Gericht angenommene Abmahnfähigkeit des Datenschutzverstoßes (= nicht ausreichende Datenschutzerklärung im Impressum) weder hinterfragt noch näher begründet wurde. Es wurde vom LG Würzburg die Anwendbarkeit des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) lediglich pauschal bejaht. Das LG Würzburg ging davon aus, (Zitat) "dass es sich bei den Vorschriften, gegen die hier verstoßen wurde, um Rechtsverstöße gegen das Wettbewerbsrecht gemäß § 4 Nr. 11 UWG bzw. jetzt § 3a UWG darstellt und somit vom Antragsteller abgemahnt werden konnte". Zur Stützung seiner Rechtsansicht nahm das LG Würzburg Bezug auf zwei Entscheidungen des OLG Hamburg und des OLG Köln, die allerdings jahrelang zurücklagen, vor Inkrafttreten der DSGVO gesprochen wurden und sich demgemäß mit der DSGVO auch gar nicht hatten befassen können. Welche Aussagekraft hat also der vorliegende Beschluss des LG Würzburg? Rechtslage alt Nach der alten Rechtslage vor Inkrafttreten der DSGVO wurden einige Datenschutzverstöße als sogenannte "Marktverhaltensregeln" im Sinne von § 3a UWG gewertet und konnten demgemäß abgemahnt werden. § 3a UWG wurde auch als "Einfallstor" des Datenschutzes in das Wettbewerbsrecht bezeichnet. Unlauter handelt nach § 3a UWG, "wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwider handelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen". Unter anderem ein Verstoß gegen § 13 Telemediengesetz (TMG) als "gesetzliche Vorschrift" im Sinne von § 3a UWG berechtigte Abmahnanwälte und Abmahnvereine zum Ausspruch von Abmahnungen. Nach § 13 TMG waren und sind nach wie vor umfangreiche Unterrichtungspflichten für denjenigen normiert, der über eine Internetseite seine Dienste anbietet. Ein Verstoß gegen diese Pflichten wie beispielsweise die zu kurz gehaltene Datenschutzerklärung im Impressum wie im Fall des LG Würzburg konnte nach der alten Rechtslage daher ohne weiteres zu einer Abmahnung und gerichtlichen Unterlassungsverfügung führen. Anzumerken ist allerdings, dass es auch bei Geltung der alten Rechtslage eine abweichende Meinung zur Abmahnfähigkeit nach 3a UWG bei Datenschutzverstößen gab. Rechtslage neu und Ausblick Mit Inkrafttreten der DSGVO zum 25.05.2018 könnte sich die Rechtslage geändert haben. Bei der DSGVO handelt es sich nämlich um eine "Verordnung". Gemäß Art. 288 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU ist festgelegt, dass Verordnungen immer eine sogenannte "unmittelbare Wirkung" entfalten. Damit sollte die DSGVO die nationalen Gesetze generell verdrängen und übergeordnet gelten - dies jedenfalls für den Fall, dass in der Verordnung nach dem Willen des Gesetzgebers eine ausreichende Regelungsdichte erzielt ist. Wenn in einer europäischen Verordnung etwas konkret und ohne weitergehenden Spielraum normiert ist, so gilt diese Regelung und keine andere. In Art. 13 DS-GVO sind die Informationspflichten - so auch der Inhalt einer Datenschutzerklärung - geregelt. Haftung und Sanktionen wie auch Rechtsbehelfe sind wiederum in den Artikeln 77-84 DSGVO ausgeführt. Eines Rückgriffs auf eine Marktverhaltensregel gemäß § 3a UWG bedarf es deshalb eigentlich nicht. Die vorstehende Argumentation dürfte augenblicklich der überwiegende Meinungsstand sein. Darüber hinaus liegt eine aktuelle Stellungnahme der EU-Kommission zu einer Anfrage im EU-Parlament vor. Gemäß dieser Stellungnahme sind zumindest die Rechtsbehelfe für Betroffene aus den Artikeln 77 ff. DS-GVO abschließend geregelt. Aus der Stellungnahme könnte durchaus der Schluss gezogen werden, dass jede Geltendmachung von Datenschutzverstößen außerhalb des Regelungswerkes der DSGVO - und damit auch jede wettbewerbsrechtliche Abmahnung - ausgeschlossen sein soll. Es ist deshalb die Erwartung durchaus gerechtfertigt, dass sich auf der Grundlage der DSGVO keine neue Abmahnwelle entwickeln wird. Kurzfassung 1. Das LG Würzburg untersagte mit einstweiliger Verfügung vom 13.09.2018 (Az. 11 O 1741/18) den Betrieb einer Internetseite, weil die im Impressum enthaltene Datenschutzerklärung den Bestimmungen von Art. 13 DSGVO nicht vollständig entsprach. Das LG Würzburg nahm einen Verstoß gegen das UWG an.2. Nach der alten Rechtslage vor Inkrafttreten der DSGVO waren Datenschutzverstöße über das "Einfallstor" der Marktverhaltensregel im Sinne von § 3a UWG abmahnfähig und konnten ohne weiteres zu einer gerichtlichen Unterlassungsverfügung führen.3. Seit Inkrafttreten der DSGVO wird über die Abmahnfähigkeit von Datenschutzverstößen auf Internetseiten kontrovers diskutiert. Die wohl überwiegende Rechtsmeinung geht davon aus, dass die Regelungen der DSGVO abschließend sind, damit das UWG nicht anwendbar ist und deshalb keine auf das UWG gestützte Abmahnungen und Unterlassungsverfügungen ausgesprochen werden können.4. In einer aktuellen Stellungnahme hat die EU-Kommission erklärt, dass zumindest die Rechtsbehelfe für Betroffene aus den Artikeln 77 ff. DSGVO abschließend geregelt sein sollen. Die Stellungnahme könnte den Schluss rechtfertigen, dass jede Geltendmachung von Datenschutzverstößen außerhalb des Regelungswerkes der DSGVO - und damit auch jede wettbewerbsrechtliche Abmahnung - ausgeschlossen sein soll. Kommentar Die Sichtweise einer abschließenden Regelung von Datenschutzverstößen durch die DSGVO stößt naturgemäß auf den Widerspruch von Interessenverbänden. Diese Verbände - wie auch anders - sind der Auffassung, der Grundsatz einer möglichst wirksamen Rechtsdurchsetzung gebiete geradezu die Anwendung von Wettbewerbsrecht und damit die Ausdehnung der Praxis von kostenintensiven Abmahnungen auch auf Datenschutzverstöße. Schließlich seien die Datenschutzbeauftragten mit der Fülle von Datenschutzverstößen überfordert und bedürften der Unterstützung von dritter Seite.Bei aller interessengesteuerten Argumentation wird allerdings gerne vergessen, dass es beim Datenschutzrecht nicht um die Regelung des Marktes und des Wettbewerbs geht. Vielmehr zielt das Datenschutzrecht auf den Schutz des Persönlichkeitsrechts eines jeden Einzelnen ab. Es geht um die Verwirklichung der informationellen Selbstbestimmung und nicht um das Generieren von Abmahngebühren und Vertragsstrafen. Das Wettbewerbsrecht hat nach hier vertretener Auffassung außer Betracht zu bleiben.Rechtsanwalt Rainer Bopp

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