Internet-Vergleichsangebote: Stärken des stationären Handels ausspielen

Oft passiert es heute im stationären Automobilhandel, dass ein Kunde, der sich für einen Neuwagen interessiert, im Verkaufsgespräch ein Vergleichsangebot eines Vermittlungsportals vorlegt. Internet-Neuwagenportale wiemeinauto.de oderautohaus24.de haben inzwischen große Netzwerke an kooperierenden Händlern aufgebaut, die auf frei konfigurierte Wunschfahrzeuge sehr gute bzw. höchstmögliche Rabatte geben. Weil Händler ihre Absatzziele erreichen wollen, u. a. um entsprechende Rabatte von den Herstellern zu bekommen, könnte ihnen jedes zusätzlich verkaufte Auto wichtig sein, auch wenn sie damit kaum Gewinn erwirtschaften. Meinauto.de und autohaus24.de werden im Monat von fast zwei Millionen Personen besucht. Das sind deutlich mehr Besucher als auf allen anderen Portalen (vgl. Tabelle rechts). Dagegen fällt die Anzahl der tatsächlich vermittelten Einheiten allerdings sehr klein aus. Unter den Nutzern der Neuwagenportale befinden sich zwar nicht nur Interessenten, sondern auch Händler und andere Nutzer aus der Automobilbranche, doch die meisten Kunden recherchieren heute zuerst im Internet. Sie erhalten somit einen bequemen Zugang zu Preisen und weiteren Informationen zu Modellen verschiedener Marken - bequem vom Sofa oder Arbeitsplatz aus und rund um die Uhr. Preisdruck durch die Internet-Portale Im Jahr 2013 testete der ADAC zwölf Neuwagenvermittlungen. Testsieger wurde autohaus24.de, das Portal, das unter Verwendung der bekannten Marken Sixt und Auto Bild gemeinschaftlich von der Sixt e-Ventures GmbH und der Axel Springer Auto Verlag GmbH betrieben wird und allein mit dem Urteil "sehr gut" versehen wurde. Neben meinauto.de erhielten sieben weitere Portale das Testurteil "gut". Die auf Preisgestaltung, Transparenz und Nutzerfreundlichkeit überprüften Portale vermittelten im Schnitt 16 % Rabatt - ganz ohne Preisverhandlung -, während die zum Vergleich herangezogenen lokalen Händler etwas mehr als 11 % Nachlass auf Listenpreise gewährten. Auch aufgrund solcher Tests und deren Verbreitung in zahlreichen Medien haben Neuwagenkäufer aller Altersgruppen einerseits genug Vertrauen, um sich ihren Neuwagen über ein solches Internetportal vermitteln zu lassen. Andererseits steigt auch der Anteil der Neuwageninteressenten, die solche Informationsquellen offen in Verkaufsgespräche in lokalen Autohäusern einbringen. Dazu hatten auch der ADAC und die über die Studie berichtenden Medien mit derartigen Sätzen ermutigt: "Mit dem höheren Online-Rabatt konfrontiert, waren viele Verkaufsberater im Test zu weiteren Zugeständnissen bereit - entweder in Form eines zusätzlichen Rabatts oder von kostenlosen Zugaben." Der Bruttoertrag im Neuwagenverkauf ist von 11,2 % (2014) auf 9,3 % (2015) gesunken. Wenn Kunden die regionalen Händler nur für Besichtigungen, persönliche Beratungen und Probefahrten "missbrauchen" und sich anschließend an den günstigsten Händler vermitteln lassen, oder wenn sie mit dem ausgedruckten Internetangebot zum lokalen Händler gehen, um den Preis zu drücken, führt dies zunächst zu abnehmenden Einkünften. Ein Interessent, dem dies verweigert wird und der sich daraufhin schlecht behandelt fühlt, sorgt allerdings auch nicht für die derzeit stabilen Bruttoerträge im Kundendienst (61,5 % in 2014 und 2015). Wie also sollen Autohändler auf eine solche Situation reagieren? Wie können Kunden im lokalen Autohaus gehalten werden? Sechs grundsätzliche Faktoren der Einflussnahme Um diese Frage zu beantworten, gibt dieser Beitrag zunächst generelle Erkenntnisse aus der Forschung zum Thema "Einflussnahme" wieder und überträgt diese auf die oben geschilderte Situation. Der amerikanische Wirtschaftswissenschaftler Robert B. Cialdini zeigt in seinem Bestseller (Robert B. Cialdini: "Die Psychologie des Überzeugens." 7. Auflage, 2013, Bern), dass es sechs grundsätzliche Faktoren der Einflussnahme gibt. Das sind: Reziprozität ist die Regel in unserer Gesellschaft, dass wir anderen etwas zurückgeben möchten, wenn wir etwas von ihnen bekommen haben. Die Verkäuferin bzw. der Verkäufer berät, bietet Infomaterial und Getränke an und gibt eine Möglichkeit zur Probefahrt. Der Autokauf kann somit zu einem haptischen und emotionalen Erlebnis werden, welches einen Wert für den Kunden hat und aus dem ein Gefühl der Verpflichtung erwächst. Reziprozität bestimmt auch die Art, wie gegenseitige Zugeständnisse in einer Verhandlung gemacht werden. Kommt ein Anbieter dem Kunden mit dem Preis entgegen, ist auch er bereit, ihm ein Stück entgegenzukommen und einen etwas höheren Verkaufspreis als im Webangebot zu akzeptieren. Ein zweites Prinzip, das Kaufentscheidungen auszulösen vermag, ist das Prinzip der Knappheit. Menschen versuchen, nach Dingen, Erlebnissen, Kontakten oder Möglichkeiten zu streben, die knapp oder bald nicht mehr zu haben sind. Das Verkaufspersonal kann auf bald auslaufende Sonderaktionen des Herstellers - die vielleicht über den Umweg der Internetvermittlung nicht mehr zu erhalten sind - oder einzigartige Sonderkonfigurationen hinweisen. Darüber hinaus können sie zeitlich befristete Angebote erstellen. Auch exklusive Informationen (z.B. zu Ausstattungsvarianten), die den meisten verwehrt bleiben, werden von Kunden als wertvoll eingeschätzt und sind wirksamer als Informationen, die jedem zugänglich sind. Wissen führt auch zu einem weiteren Prinzip, dem der Autorität. Für viele ist ein Neuwagenerwerb viel zu komplex. Man denke nur an die Anzahl und geringe Differenzierung der Modelle einer oder sogar verschiedener in Frage kommender Marken und deren Ausstattungsvarianten. Eine gute Entscheidung kostet viel Zeit und das gefühlte Risiko einer Fehlentscheidung ist auch dann nicht von der Hand zu weisen. Ein niedriger Preis hilft das Risiko zu senken, aber von Entscheidungsoptionen "erschlagene" Kunden sind auch gerne dazu bereit, dem Rat einer Person zu folgen, die sie als Autorität anerkennen. Fachwissen führt meist zur Zuschreibung von Autorität. Symbole wie Titel, Urkunden und Auszeichnungen sowie gute, formelle Kleidung können diese Zuschreibung unterstützen. Am einflussreichsten ist eine Autorität aber nur dann, wenn sie zuverlässig und somit glaubwürdig ist. Auch wenn eine Verkäuferin bzw. ein Verkäufer offen damit umgeht, dass ihr bzw. sein Angebot einen kleinen Nachteil aufweist (Preis), kann das dazu führen, dass die Nachteile des Internetangebotes (ggf. Fahrzeugübergabe) bzw. die Vorteile eines Vorortkaufs viel glaubwürdiger für die Kundschaft sind (ggf. sofort verfügbare Fahrzeuge oder einfachere Prozesse sowie Kulanzbereitschaft durch Verkauf und Service aus einer Hand). Persönliche Beziehungen geben Sicherheit und Menschen haben generell eine höhere Bereitschaft, sich von Menschen überzeugen zu lassen, die sie kennen und sympathisch finden. Das spricht für einen langfristigen Beziehungsaufbau und die Vermeidung von Druck. Trotz der Wirksamkeit der Knappheitsregel sollte man nicht das Gefühl haben, gleich beim ersten "Kennenlernen" einen Kaufvertrag unterschreiben zu müssen. Sympathiefördernde Faktoren sind insbesondere Ähnlichkeit und Aussehen. Zwar ist es für gutaussehende Menschen leichter, andere zu beeinflussen, oftmals ohne dass sie sich dessen bewusst sind. Kunden mögen aber vor allem Verkäuferinnen und Verkäufer, die so sind wie sie, d. h., die ähnlich aussehen, ähnliche Präferenzen und Interessen oder ähnliche Familiensituationen haben. Ein Gespräch, in dem sich herausstellt, dass man den gleichen Fußballverein unterstützt, kann zu einem Gefühl führen, dass man sich kennt. Die meisten Menschen haben das Bedürfnis, in ihren Worten, Überzeugungen und Taten konsistent zu sein. Menschen, die einen Standpunkt bezogen oder sich auf einen Anbieter festgelegt haben, sind eher bereit, Aufforderungen nachzukommen, die dieses "Commitment" betreffen. Solch eine Aufforderung kann beispielsweise ein Telefonat sein, in dem eine Verkäuferin einen Kunden an ein gemeinsam erarbeitetes Angebot erinnert. Das sechste grundsätzliche Prinzip der Einflussnahme ist das Prinzip der sozialen Bewährtheit. Menschen sind eher bereit, Aufforderungen zu befolgen und Angebote anzunehmen, wenn sie glauben, dass viele andere Personen dies bereits getan haben, erst recht, wenn ihnen diese "Anderen" ähnlich sind. Einflussreich wäre eine glaubwürdige Information, dass die meisten Kunden, die ebenfalls ein Vergleichsangebot eines Neuwagenvermittlers vorlegten, letztendlich vor Ort gekauft haben. Praxistest und Studienerkenntnisse Um die Anwendung der oben genannten Prinzipien und Verkaufstaktiken im praktischen Einsatz zu prüfen und darüber hinaus weitere Möglichkeiten zu entdecken, wie das Verkaufspersonal Kunden zum Kauf im lokalen Autohaus bewegen kann, insbesondere wenn diese ein Vergleichsangebot eines Internetvermittlungsunternehmens vorlegen, hat ein Absolvent der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin im Frühjahr 2016 eine Studie durchgeführt. Dabei führte er persönliche Interviews mit 4 Verkäuferinnen und 16 Verkäufern in verschiedenen Niederlassungen eines europäischen Automobilherstellers und darüber hinaus Telefoninterviews mit 12 Kundinnen und 30 Kunden dieser Niederlassungen, die im Jahr 2015 oder 2016 ein Internet-Vergleichsangebot vorlegten und sich für einen Kauf in einer lokalen Niederlassung entschieden. In allen Interviews wurden - mit Hilfe eines Leitfadens - offene Fragen ohne vorgegebene Antwortmöglichkeiten gestellt. Diese Studie untersucht einerseits den Einsatz der oben genannten generellen Einflussstrategien durch das Verkaufspersonal, andererseits aber auch weitere, konkrete Handlungsoptionen. Auf die Frage, welche Webseiten sie kennen, um Neuwagenpreise im Internet zu recherchieren, antworteten die meisten Kunden (60 %) "auf der Webseite des Herstellers", danach folgten - mit mehr als doppelt so vielen Nennungen wie weitere Portale - die beiden Vermittler, die auch laut Tabelle 1 am häufigsten genutzt werden: autohaus24.de mit 55 % respektive meinauto.de mit 48 % der Nennungen. Die im Gebrauchtwagenmarkt dominanten Webseiten mobile.de und autoscout24.de wurden in diesem Kontext relativ selten genannt. 74 % der befragten Kunden gaben an, Vergleichsportale neben einer Preisrecherche auch zur sonstigen Informationsbeschaffung, z. B. bezüglich Sonderausstattungen, zu nutzen. Trotzdem spricht in erster Linie der Preis (86 %) für einen Neuwagenkauf über einen Vermittler, für 36 % ist es außerdem ihre Bequemlichkeit. Die Leitfadeninterviews mit dem Verkaufspersonal erfolgten als Rollenspiel, das ein Verkaufsgespräch nachstellt, in dem ein typischer Kunde am meistverkauften Modell der Marke in typischer Konfiguration interessiert ist und während des Gesprächs ein Vergleichsangebot eines Internetvermittlers vorlegte. Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer bestätigten im Anschluss an das Rollenspiel, dass sie ähnliche Situationen bereits erlebt hatten. Nach Angaben des befragten Verkaufspersonals argumentieren Kunden in jedem dritten Verkaufsgespräch mit Internetpreisen (von 5 % bis 50 %; Mittelwert 32 %). Während der Rollenspiele blieb die Mehrheit des Verkaufspersonals (80 %) stets freundlich und ging professionell und kompetent auf das Angebot des Wettbewerbers ein. Nur die Minderheit (20 %) verhielt sich distanziert bzw. ein Verkäufer äußerte sich deutlich negativ zu derartigem Wettbewerb. In den Telefongesprächen mit den Kunden, die sich final für das lokale Autohaus entschieden, gaben allerdings nur 62 % an, dass das Verkaufspersonal stets freundlich geblieben ist. 10 % erinnerten sich an negative Kommentare. In den Rollenspielen analysierten 75 % der Verkäuferinnen und Verkäufer das konkurrierende Angebot aufmerksam, aber 25 % ignorierten dieses (24 % in den Telefoninterviews). In Rollenspielen und Telefoninterviews versuchte weniger als jeder zweite Verkäufer (45 %) gegen das Internetangebot zu argumentieren und Schwächen zu finden (versteckte Kosten, Unterschiede bzgl. Ausstattung usw.), 40 % versuchten den höheren Preis der lokalen Niederlassung zu erklären (z.B. Betriebs- und Personalkosten). Erklärungen zu Kostenstrukturen der Autohäuser appellieren zwar an die Empathie der Kunden, sind aber in erster Linie kein Kundenproblem! Argumentationsmuster für eine erfolgreiche Überzeugungsarbeit Die Grafik oben zeigt einerseits die am häufigsten verwendeten Argumente des Verkaufspersonals für den Neuwagenerwerb im lokalen Autohaus, andererseits die Argumente, die Kunden als überzeugend wahrnahmen. Das Hauptargument der Verkaufsseite ist die Probefahrt. Für einen opportunistischen Käufer ist dies aber ein recht schwaches Argument, da er auf eine Probefahrt auch zurückgreifen könnte, ohne im lokalen Autohaus zu kaufen. Unter dem Gesichtspunkt des oben genannten Reziprozitätsprinzips ist dieses Argument jedoch wirksam: Der Kunde erhält etwas (vielleicht einen Vorführwagen für ein ganzes Wochenende) und ist nun am Zug, etwas zurückzugeben. Die meisten Kunden nannten einen sympathischen Ansprechpartner vor Ort, der wie ein guter Freund jederzeit erreichbar und dem dritten o. g. Prinzip ("kennen und sympathisch finden") zuzuordnen ist, als ausschlaggebend für einen Kauf im lokalen Autohaus. In der Präferenz für persönliche Beziehungen spielt auch - u. a. durch Wissen erworbene - Kompetenz und Autorität eine Rolle. Auch das Prinzip der Knappheit wurde in den Rollenspielen oft angewendet, um Angebote einzigartig und damit schwerer für den Kunden vergleichbar zu machen. Dazu zählen exklusive Ausstattungspakete. Auslieferung, Ankaufsmöglichkeiten für Gebrauchtfahrzeuge sowie Hinweise zur Wohnortnähe lassen sich auch zum Ziel Bequemlichkeit zusammenfassen. Viele Kunden suchen einen bequemen Weg, den komplexen Autokauf zu vereinfachen. Ein Kauf über einen Internetvermittler kann zwar zunächst auch schnell und bequem zu Hause erfolgen, führt aber auch zu weiterem Zeitaufwand. Eine Kundin muss sich vielleicht einen Tag Urlaub nehmen, um den Wagen an einem weit entfernten Ort abzuholen. Auch fallen Reisekosten an und es besteht ein Risiko, dass etwas bei der Auslieferung schiefgeht. Interessanterweise argumentierte zunächst keine Verkäuferin. bzw. kein Verkäufer mit derartigen Kosten für den Verbraucher. Darauf angesprochen hält nur die Hälfte eine derartige Argumentation für zielführend. Einige Kunden berichten, dass die Abholung des Neuwagens fernab ihres Wohnortes ein Erlebnis ist, für welches sie gerne etwas ausgeben. Dies trifft insbesondere auf Werksabholungen zu. Aufgrund der besseren Renditen im Servicegeschäft - im Vergleich zum Neuwagengeschäft - sollte das Verkaufspersonal dem Kunden "ein gutes Gefühl" geben und versuchen, ihn als Servicekunden zu gewinnen bzw. zu halten, auch wenn der sich für ein Wettbewerbsangebot entscheidet. In mindestens 30 % der simulierten Verkaufsgespräche ist dies nicht zu erkennen gewesen. Wenn das Verkaufspersonal fair und freundlich mit den Kunden gemeinsam Vor- und Nachteile des Internetkaufs erörtert und ggf. auf vergessene Kosten und Risiken (z. B. im Zusammenhang der Auslieferung) hinweist, kann dies die Wahrnehmung von Autorität, Kompetenz und Sympathie steigern und somit langfristige, ertragreiche Kundenbeziehungen für das Servicegeschäft aufbauen. Zur Studie Im Frühjahr 2016 wurde an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin eine Studie durchgeführt, die praxisnah untersuchte, wie sich die Vorlage von Internet-Vergleichsangeboten im Verkaufsgespräch im Autohaus auswirkt und mit welchen Methoden und Argumenten das Verkaufspersonal im Autohaus dem Preisdruck aus dem Internet erfolgreich entgegenwirken kann.Prof. Dr. Steffen Herm skizziert in diesem Beitrag zentrale Erkenntnisse dieser Studie. Prof. Dr. Steffen Herm,Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin, Wirtschafts- und Rechtswissenschaften (FB3), Fachgebiet MarketingKontakt:herm@htw-berlin.de

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