Der Mensch ist ein Gewohnheitstier – das gilt auch bei der Mobilität. Eine Studie des "Future Mobility Lab" an der Universität St. Gallen (IMO-HSG) zeigt nun: Das Ausbrechen aus bekannten Mobilitätsmustern und die Verfügbarkeit attraktiver Alternativen zum privaten Pkw können eine grüne Verkehrswende maßgeblich beschleunigen. Dagegen haben die reine Betrachtung von CO2-Emissionen und der Kostenvergleich – zumindest als alleinige Faktoren – keinen entscheidenden Einfluss darauf, ob man mit dem Auto fährt, die Bahn nimmt oder auf das Fahrrad steigt.
Für die Untersuchung hatten Wissenschaftler 20 private Haushalte in Berlin, Hamburg, St. Gallen und Zürich über einen Zeitraum von vier Monaten bei der Ausgestaltung ihrer Mobilität begleitet und beraten. "Die Haushalte wurden mit der Zielsetzung ausgewählt, möglichst heterogene Lebensumstände abzubilden", erklärte Jannis Linke, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Mobilität der Universität St. Gallen. An der Studie nahmen demnach Familien mit Kindern ebenso teil wie Single-Haushalte, die im urbanen, suburbanen oder ländlichen Raum leben.
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Laut Linke konnte beobachtet werden, "dass nur wenige der Teilnehmenden zu Beginn der Studie ihre Mobilitätskosten korrekt einschätzen konnten – diese aber wiederum als zentrales Argument für die Verkehrsmittelwahl nannten". Im Laufe der Untersuchung seien mehrere dann bereit gewesen, bewusst Mehrkosten für einen Privatwagen gegenüber einem Alternativangebot zu zahlen – auch wenn letzteres gut in den Tagesablauf integriert werden konnte. "Auch das Aufzeigen von CO2-Emissionen hatte in der Regel keinen ausschlaggebenden Einfluss auf die Verkehrsmittelwahl", so der Forscher.
Abgabe des Zweitautos als realistische Option
Der Verzicht auf einen Erstwagen war – insbesondere im ländlichen und suburbanen Raum – selten möglich, lautet eine weitere, nicht ganz überraschendes Erkenntnis. Immerhin: Die Abgabe des Zweitautos hätten die Haushalte mehrheitlich als eine realistische Option angesehen. Zudem beschrieben die Teilnehmenden, dass für Personen mit geringer Nutzungserfahrung ÖV- und Shared Mobility-Angebote komplex und ungewohnt seien.
Aus Sicht der Forscher liegt hier ein Ansatzpunkt: Der Einsatz von Multimodal-Apps, bei denen mehrere Mobilitätsangebote innerhalb einer Plattform gebucht werden, könnte diese empfundene Komplexität deutlich reduzieren und das Grundverständnis einer multimodalen Mobilität fördern. Veränderungen zu einer nachhaltigeren Mobilität seien bereits heute in vielen Fällen möglich, betonte Studienautor Philipp Scharfenberger. "Wichtig ist, dass der einfache Zugang zu attraktiven Angeboten der geteilten Mobilität weiter ausgebaut wird." Die Nutzerinnen und Nutzer würden mehrheitlich funktionale und emotional möglichst gleichwertige Alternativen gegenüber ihren gewohnten Verkehrsmitteln erwarten.
In Regionen ohne entsprechendes Mobilitätsangebot erzielten die Wissenschaftler in Zusammenarbeit mit den teilnehmenden Haushalten CO2-Einsparungen durch die Nutzung von Elektrofahrzeugen. Für deren höhere Akzeptanz erwiesen sich der Zugang und eine verbesserte Nutzerfreundlichkeit der Ladeinfrastruktur als entscheidende Kriterien. Scharfenberger: "Gleichzeitig regen die Studienergebnisse dazu an, Potenziale der Emissionseinsparungen durch die Vermeidung nicht notwendiger Wege, z.B. durch die sinnvolle Einbindung virtueller Austauschformate im beruflichen Kontext, weiter zu untersuchen."