Ausgabe 14-15/2014: Schlechter Rat ist teuer

Das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg hat mit Urteil vom 26.06.2014 (Aktenzeichen 1 U 132/13) einer Pkw-Eigentümerin einen Nutzungsausfallschaden in Höhe von 6.250,00 Euro zugesprochen, weil sie von einer Kfz-Werkstatt falsch beraten worden war und aufgrund dieser Falschberatung ihr Fahrzeug für einen längeren Zeitraum nicht nutzte. Der Fall Die Fahrzeugeigentümerin suchte zunächst mit ihrem elf Jahre alten VW T 4, Baujahr 2001 mit einem Kilometerstand von ca. 250.000 zunächst eine erste - andere - Werkstatt auf und ließ in ihren T 4 einen gebrauchten Tauschmotor einbauen. An dem Tauschmotor trat nachfolgend Ölverlust auf. Nachdem das Vertrauen der Eigentümerin in die erste Werkstatt offensichtlich erschüttert war, suchte sie eine zweite Kfz-Werkstatt auf und erteilte den zu vergütenden Auftrag, die Ursache für den vorhandenen Ölverlust herauszufinden. Nach entsprechender Diagnose und nachdem bei einer Probefahrt der Ölverlust bestätigt wurde, erklärte ein Mitarbeiter der zweiten Werkstatt, der Ölverlust sei auf einen erheblichen Motorschaden zurückzuführen und nicht etwa auf einen Verschleiß. Entweder sei der Tauschmotor bereits beim Einbau defekt gewesen, oder aber die erste Werkstatt habe einen Fehler beim Einbau des Motors gemacht, ggf. läge ein Getriebeschaden vor. Der Mitarbeiter dieser zweiten Werkstatt erteilte den Rat, das Fahrzeug bis zur genauen Klärung der Ursache des Ölverlustes nur in sehr reduziertem Umfang zu benutzen, insbesondere nicht für längere Strecken. Aufgrund dieses erteilten Rates nahm die Fahrzeugeigentümerin die erste Kfz-Werkstatt in Anspruch, die allerdings eine Schadensverantwortlichkeit zurückwies. Die Eigentümerin ließ daher ihr Fahrzeug stehen und strengte vor dem zuständigen Gericht ein Beweissicherungsverfahren gegen die erste Werkstatt an. In diesem Verfahren stellte der beauftragte Sachverständige fest, dass der von der zweiten Werkstatt geäußerte Verdacht eines Motor- oder Getriebeschadens haltlos war. Nach den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen handelte es sich bei dem Austreten von Öl lediglich um ein so bezeichnetes "Motorschwitzen", das sich mit sehr geringem Aufwand hätte beseitigen lassen und das ein Zerlegen des Motors oder Getriebes keinesfalls erforderlich machte. Seit dem falschen Rat der zweiten Werkstatt und bis zum Gutachten des Sachverständigen im Beweissicherungsverfahren hatte die Eigentümerin ihren T 4 unnötigerweise für 197 Tage nicht benutzt. Hierfür verlangte sie im Wege einer Schadensersatzklage von der zweiten Werkstatt Nutzungsausfall in Höhe von über 12.000,00 Euro. Das OLG Oldenburg entschied mit Urteil vom 26.06.2014 den Rechtsstreit in zweiter Instanz. Entscheidung des OLG Oldenburg Das OLG ging wegen des falsch erteilten Rats von einer schuldhaften Schlechterfüllung des Vertrages durch die zweite Kfz-Werkstatt aus und sprach der Fahrzeugeigentümerin eine Nutzungsausfallentschädigung für 125 Tage in Höhe von 6.250,00 Euro zu. Sie hatte den T 4 für ihren täglichen Weg zur Arbeit nutzen wollen, aber nicht können, weil sie sich auf den Rat der Werkstatt verließ und auch verlassen durfte. Schließlich wollte sie einen angenommenen Schaden nicht noch vergrößern. Erst nach der Begutachtung durch den Sachverständigen wusste die Fahrzeugeigentümerin, dass sie den T 4 wieder in Betrieb nehmen konnte. Weil sie allerdings das Beweissicherungsverfahren gegen die erste Werkstatt nicht unverzüglich nach dem unrichtigen Rat der zweiten Werkstatt eingeleitet hatte, war der Entschädigungszeitraum - so das OLG - entsprechend zu kürzen, von 197 Tagen auf 125 Tage. Die Höhe des täglichen Nutzungsausfallschadens schätzte das Gericht auf 50,00 Euro. Es bezog sich hierbei auf die übliche Tabelle zur Nutzungsausfallentschädigung von Kraftfahrzeugen, wobei auch das Fahrzeugalter berücksichtigt wurde. Die Entscheidung des OLG ist rechtskräftig. Nutzungsausfall Es ist allgemeine Rechtsprechung, dass der Eigentümer eines privat genutzten Fahrzeuges einen Schadensersatzanspruch hat, wenn ihm die Nutzung des Fahrzeuges zeitweise unmöglich gemacht wird. Der Regelfall ist, dass nach einem Verkehrsunfall das Fahrzeug nicht mehr gebrauchstauglich ist bzw. für die Dauer der Unfallinstandsetzung nicht genutzt werden kann. In dem vom OLG Oldenburg entschiedenen Fall gab es zwar nur eine "fiktive" Nutzungsunmöglichkeit, weil der T 4 in Wahrheit ja einsatzfähig war. Die Nutzungsmöglichkeit war dennoch als "entzogen" zu bewerten - und somit als ersatzfähiger Vermögensschaden zu qualifizieren -, weil sich die Fahrzeugeigentümerin auf die überlegene Sachkenntnis der Werkstatt und die Richtigkeit der Diagnose verlassen musste. Insofern ist eine faktische Unmöglichkeit der Nutzung zu unterstellen. Die Verpflichtung zur Bezahlung einer Nutzungsausfallentschädigung bestünde gegebenenfalls für eine Kfz-Werkstatt in diesem Sinne auch dann, wenn die Herausgabe eines Fahrzeuges an einen Werkstattkunden unberechtigterweise verweigert würde. Die Dauer einer ersatzfähigen Nutzungsausfallzeit erstreckt sich vom Tage des Ausfalls bis zur Wiederherstellung der Nutzungsmöglichkeit. Allerdings hat der Geschädigte eine Schadensminderungspflicht zu beachten. Es ist hierbei die Frage zu stellen, wie sich ein wirtschaftlich vernünftig denkender Geschädigter verhalten würde, wenn es einen zum Ersatz verpflichteten Schädiger nicht gäbe. Ist es beispielsweise absehbar, dass die Dauer des Nutzungsausfalles außergewöhnlich lang sein wird, ist der Geschädigte gegebenenfalls gehalten - wenn seine finanziellen Verhältnisse dies gestatten und der Schaden dadurch geringer gehalten werden kann -, sich ein Imterimsfahrzeug anzuschaffen. Eine Nutzungsausfallentschädigung wird grundsätzlich nur dann geschuldet, wenn der Schädiger den Nutzungsausfall "zu vertreten" hat. Unzutreffende Diagnosen lassen sich nie vollständig ausschließen; hat eine Werkstatt jedoch nachvollziehbar und entschuldbar alles getan, einen schadensverursachenden Fehler zu vermeiden, besteht mangels "Vertretenmüssens" kein Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung. . Kurzfassung 1. Erteilt eine Kfz-Werkstatt einem Werkstattkunden den schuldhaft unrichtigen Rat, sein Fahrzeug zur Vermeidung eines drohenden weiteren Schadens nicht zu benutzen, kann dies unter besonderen Umständen zu einem Anspruch des Kunden auf Nutzungsausfallentschädigung führen - so in dem vom OLG Oldenburg mit Urteil vom 26.06.2014 entschiedenen Fall.2. Die ersatzfähige Nutzungsausfallzeit beginnt mit dem Tage des Ausfalls des Fahrzeuges und dauert bis zur Wiederherstellung der Nutzungsmöglichkeit. Für die Berechnung der Höhe der Nutzungsausfallentschädigung wird üblicherweise die Tabelle von Sanden/Danner/Küppersbusch herangezogen.3. Beim Nutzungsausfall hat der Geschädigte eine Schadensminderungspflicht zu beachten. Kontrollfrage: wie würde sich ein wirtschaftlich vernünftig denkender Geschädigter verhalten, wenn es einen zum Ersatz verpflichteten Schädiger nicht gäbe Kommentar Rechtsanwalt Walter Sattler» Bei der Höhe des Nutzungsausfallschadens mit 50,00 Euro pro Tag hat das OLG Oldenburg die Eingruppierung gemäß der Nutzungsausfalltabelle nach Sanden/Danner/Küppersbusch vorgenommen. Dieser Betrag ist jedoch durchaus zu diskutieren. Die in der vorgenannten Tabelle ausgewiesenen Nutzungsausfallentschädigungen geben nämlich diejenigen Kosten wieder, die bei einer kurzzeitigen Anmietung eines Ersatzfahrzeuges anfallen. Andere Oberlandesgerichte sind der Auffassung, dass bei einem außergewöhnlich langen Entzug der Gebrauchsmöglichkeit eines Fahrzeuges deutlich geringere Kosten in Ansatz gebracht werden müssen, um einen angemessenen Ausgleich zu finden. Zu denken ist hierbei als Ausgangspunkt an die reinen Vorhaltekosten, die mit einem entsprechenden Zuschlag versehen werden. Grundsatz des Schadensrechts ist es, dass ein Geschädigter an einem Schadensfall nichts "verdienen" darf - auch nicht durch eine Nutzungsausfallentschädigung. «

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