AUTOHAUS: Herr von Steinaecker, warum braucht der Autohandel neue Geschäftsmodelle?
Jörg von Steinaecker: Die aktuellen Veränderungen in unserer Branche, von sich wandelnden Kundenbedürfnissen über die Digitalisierung bis zur Neupositionierung der Hersteller - Stichwort Agenturmodell -, sollten Anlass zu Überlegungen sein, ob das aktuelle Geschäftsmodell eines Autohauses zukunftsfähig ist oder angepasst werden sollte. Dabei geht es nicht darum, die aktuellen Tätigkeiten, im Kern den Fahrzeugverkauf und -service, über Nacht einzustellen und gegen etwas komplett Neues auszutauschen. Allerdings merken wir doch sehr deutlich, dass diejenigen Kunden, die ein Auto traditionell im Autohaus kaufen, weniger werden, Mobilität insgesamt vielfältiger wird und neue Formen der Kundengewinnung und des Verkaufs zunehmen. Es geht also darum, diese stattfindenden Veränderungen zu kennen und sich daraus ergebende Chancen zu erarbeiten. Und die Zeit, über genau diese Themen nachzudenken, ist jetzt.
AH: Um welche neuen Geschäfte geht es?
J. v. Steinaecker: Auch wenn es für den Begriff Geschäftsmodell keine einheitliche Definition gibt, bedeutet das für unsere Branche zum Beispiel Mobilitätsdienstleistungen wie Auto-Abo, Carsharing oder Fuhrparkmanagement. Die Elektromobilität bietet über das reine Verkaufen hinaus eine Vielzahl von Geschäftsmöglichkeiten wie THG-Quote, Wall-Boxes oder Ladeinfrastruktur. Andere "Mobilitätsträger" als das klassisches Auto, wie etwa E-Bikes, Lastenfahrräder oder Wohnmobile, werden im Handel bereits erfolgreich angeboten. Und auch digitale Geschäftsmodelle wie E-Shops und Kundenportale bieten neue Chancen für die Betriebe.
AH: Wenn Autohändler nun an einer Erweiterung ihrer Aktivitäten interessiert sind: Welche Überlegungen oder Fragen sollten am Anfang des Prozesses stehen?
J. v. Steinaecker: Der erste wichtige Schritt ist, den Willen zu haben, etwas Neues auszuprobieren und die eigene Mannschaft dazu zu motivieren, mitzuziehen. Viele Autohäuser halten das noch nicht für nötig und begründen das damit, dass die eigene Werkstatt ja drei Wochen voll ist - also anscheinend kein Handlungsdruck besteht. Ein anderes, immer wieder gehörtes Argument ist, dass unsere Branche anders sei und sich damit den Veränderungen, die andere Branchen durchlaufen haben, entziehen kann. Beides ist falsch! Zudem gibt es keinen passenderen Zeitpunkt, Veränderungen anzugehen, als jetzt. Als zweiter Schritt folgt das Identifizieren der "richtigen Idee", in Kombination mit einem Menschen im Betrieb, der oder die dafür brennt, die Idee umzusetzen. Da es hierfür keine Pauschalempfehlungen geben kann, die für jeden Betrieb passen, bietet sich damit eine hervorragende Möglichkeit, als Autohaus einen individuellen und für Kunden und Mitarbeiter passenden Weg zu finden und einzuschlagen und sich damit erfolgreich vom Wettbewerb zu differenzieren.
AH: Am 25. April moderieren Sie den 6. AUTOHAUS Praxistag "Neue Geschäftsmodelle". Welche Impulse können die Teilnehmer mitnehmen?
J. v. Steinaecker: Wir möchten zeigen, wie aktuelle Praxisbeispiele zu neuen Geschäftsmodellen in unserer Branche konkret aussehen können. Wir hören dazu Erfahrungsberichte von Händlern, unter anderem zu den Themen Carsharing, Kundenportal, E-Mobilität, Caravaning, E-Shops, Auto-Abo. Es gibt keine Pauschalempfehlungen für "gute" Geschäftsmodelle, die man einfach nur kopieren muss. Man kommt nur durch begeistertes Ausprobieren zum Erfolg. Deshalb ist mir so wichtig, dass wir auf dem Praxistag den O-Ton der Händlerinnen und Händler hören, die sich dankenswerterweise auch für Fragen der Teilnehmer zur Verfügung gestellt haben. Von ihnen werden wir neben Erfolgsgeschichten insbesondere auch von Work-in-Progress hören, aber auch Misserfolge, von denen die Kolleginnen und Kollegen lernen können.