Der Vorstoß des Ministers kommt aus einer Werkstatt. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer hat am Donnerstag Hardware-Nachrüstungen bei Dieselautos angekündigt - aber nicht für Diesel-Pkw, sondern für schwere Kommunalfahrzeuge, zum Beispiel von der Straßenreinigung, der Müllabfuhr oder der Feuerwehr. Diese Fahrzeuge seien rund um die Uhr in Städten im Einsatz, eine Umrüstung an der Abgas-Hardware sei deswegen sinnvoll, sagte der CSU-Politiker beim Besuch eines Abgaslabors des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) in Flensburg.
Hardware-Nachrüstungen vor allem bei älteren Diesel-Pkw lehnte Scheuer erneut ab. Er nannte erneut technische, finanzielle und rechtliche Bedenken. Hardware-Nachrüstungen für Pkw seien kein "Allheilmittel".
Damit haben Millionen von Autofahrern weiter Unklarheit. Denn die große Koalition streitet seit Monaten über Hardware-Nachrüstungen. Die SPD ist dafür, Scheuer dagegen. Auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte sich skeptisch gezeigt. Sie hat bis Ende September eine Entscheidung angekündigt.
Die geplanten Hardware-Nachrüstungen bei Kommunalfahrzeugen ab 3,5 Tonnen seien deutlich wirkungsvoller als bei Diesel-Pkw, sagte Scheuer am Donnerstag. Zudem sei bei den Fahrzeugen der nötige Bauraum vorhanden. Für das neue Förderprogramm kämen bundesweit rund 20.000 Fahrzeuge in Betracht - und zwar in Städten, in denen Schadstoff-Grenzwerte überschritten werden. Dieselabgase sind ein Hauptverursacher.
Kosten betragen 15.000 bis 20.000 Euro
Die Kosten für eine Nachrüstung direkt am Motor betragen laut Scheuer 15.000 bis 20.000 Euro. Davon sollen 40 bis 60 Prozent förderfähig sein. Mit den Nachrüstungen ließen sich bis zu 85 Prozent der Stickoxide einsparen. Scheuer ließ offen, ob für das neue Förderprogramm neue Mittel gebraucht werden. Der Bund hat bereits einen Topf in Höhe von einer Milliarde Euro für Maßnahmen für bessere Luft in Städten, daran beteiligen sich die deutschen Hersteller mit 250 Millionen Euro.
Als der das neue Förderprogramm ankündigt, steht Scheuer im "HAL" zwischen Bussen und Pkw - dem "Harrisleer Abgaslaboratorium" am Rande Flensburgs. Seit Ende 2017 hat das KBA hier eine frühere Kfz-Prüfstelle bezogen. Das Gelände soll noch ausgebaut werden, auch eine eigene Teststrecke ist geplant. Die Behörde will ihre eigenen Abgasprüfungen deutlich ausweiten. Das KBA habe die Möglichkeit, den "Markt" noch intensiver zu überwachen, sagt KBA-Präsident Ekhard Zinke.
Dieser "Markt", das ist die Automobilindustrie. Sie ist wegen der Abgasmanipulationen von Herstellern mächtig unter Druck geraten - und mit ihr das KBA. Die Behörde, die dem Verkehrsministerium untergeordnet ist, erteilt Genehmigungen für neue Fahrzeugtypen, die die Einhaltung von Abgasgrenzwerten voraussetzen.
KBA steht in der Kritik
Im Zuge des Abgasskandals aber wurde dem KBA von Umweltverbänden und der Opposition vorgeworfen, in der Vergangenheit nicht so genau hingeschaut zu haben. Das KBA habe Hinweise auf Tricksereien bei Abgaswerten ignoriert, der Behörde wurde eine "Kungelei" mit der Autobranche vorgeworfen.
Scheuer stärkte dem KBA nun demonstrativ den Rücken. Es ist das erste Mal seit dem "Ausbruch" des VW-Abgasskandals vor fast drei Jahren, dass ein Bundesverkehrsminister zu einem öffentlichen Termin nach Flensburg zum KBA kommt. Der Minister lobt die Mitarbeiter und sagt: "Wir haben ein funktionierendes Prüfsystem, das einzigartig ist in Europa und in der Welt." Neben ihm steht KBA-Präsident Zinke und meint, die Behörde habe "immer vernünftige und ordentliche Arbeit" geleistet.
Das Verhalten der Autohersteller angesichts immer neuer Schlagzeilen über illegale Abgas-Abschalteinrichtungen will Zinke aber nicht bewerten. Das stehe ihm nicht an, sagt er. Das KBA habe die Aufgabe zu prüfen, ob die gesetzlichen Anforderungen erfüllt werden. "Und da gucke ich weder nach links noch nach rechts, sondern da marschieren wir gerade durch und lassen uns auch überhaupt nicht beeinflussen."
Prüfen muss das Amt auch Konzepte der Autobauer für Software-Updates von Herstellern für ältere Dieselfahrzeuge, die den Schadstoff-Ausstoß senken sollen. Die Autohersteller hatten zugesagt, bis Ende 2018 für insgesamt 5,3 Millionen Dieselautos solche Updates bei der Motorsoftware vorzunehmen, um den Schadstoff-Ausstoß zu senken. Darunter sind aber auch rund 2,4 Millionen Fahrzeuge von VW, die verpflichtend umgerüstet werden mussten.
Bei dem Rest handelt es sich um freiwillige Updates. Und Scheuer hatte zuletzt mehrfach kritisiert, die Hersteller müssten vorankommen. Der Minister hatte die Hersteller aufgefordert, bis zum 1. September die Entwicklung für die Updates abzuschließen. Die Unternehmen müssten liefern, bekräftigte er in Flensburg. Die Hersteller hätten ihr Wort gegeben, sagt der CSU-Mann. "Wenn einzelne Hersteller meinen, sie können unbemerkt über den 1.9. hinaus unterm Radar durchflutschen, das werden wir nicht zulassen. Die Versprechen sind gegeben, das Wort ist einzuhalten."
Grünen-Fraktionsvize spricht von "Alibi-Progrämmchen"
Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer hat das geplante Förderprogramm von Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) zu Diesel-Nachrüstungen bei Müll- oder Feuerwehrautos kritisiert. "Kleckern statt klotzen scheint hier die Devise zu sein", sagte Krischer der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Scheuer verweigere wirksame Maßnahmen gegen Fahrverbote, wo er nur könne und lege stattdessen "Alibi-Progrämmchen" auf. Krischer kritisierte, Scheuer verhindere millionenfache technische Nachrüstung von Diesel-PKW auf Kosten der Hersteller. (dpa)