Von Benjamin Bessinger/SP-X
Das junge Paar schaut ein wenig irritiert: Zur Hochzeit in ein Autohaus? Das kann doch nur ein Scherz sein, wie man ihn zum Junggesellenabschied macht. Doch Judy Jones macht keine Witze. Sie ist die Chefin von Lexus in Escondido und richtet in ihrem Autohaus auf halbem Weg zwischen Los Angeles und San Diego mehr Hochzeiten aus als mancher Jet-Set-Gastronom in einer der vielen Strandbars, die den Pacific Coast Highway säumen. Aus gutem Grund: Denn Lexus of Escondido ist nicht irgendein Neuwagen-Discounter, sondern das wahrscheinlich luxuriöseste Autohaus der Welt.
Drei Etagen hoch und groß wie ein Shopping-Center bietet es nicht nur einen riesigen Showroom für die 900 Neu- und Gebrauchtwagen, die Jones ständig auf Lager hat, eine piekfeine Werkstatt und eine Art Akademie, in der neugierige Kunden ihre Autos digital und virtuell bis zur letzten Schraube zerlegen können. Sondern es gibt auch einen Frisier- und einen Beauty-Salon, ein Spielzimmer mit professioneller Betreuung für die Kinder, ein Kunstatelier, eine Bibliothek mit Massagesesseln, eine Boutique für Kleider und Heim-Dekoration, Konferenzräume, einen Veranstaltungsservice, einen Golf-Simulator, und das Gourmetrestaurant mit der großen Dachterrasse, auf der wahlweise Konzerte oder eben Hochzeiten ausgerichtet werden. Selbst Mal- und Golfkurse bietet Lexus of Escondido, um den Kunden die Wartezeit zu verkürzen und den Besuch im Autohaus zum Erlebnis zu machen.
"Autotainment" nennt die Firmenchefin dieses Konzept, in das sie bereits 30 Millionen Dollar gesteckt hat. Zwar musste sie dafür in der Familie lange kämpfen und sich vor allem von ihren Händler-Kollegen in Kalifornien belächeln lassen. Doch der Konkurrenz ist das Lachen mittlerweile im Halse stecken geblieben, erzählt die rüstige Dame mit der markanten Cateye-Brille nicht ohne Stolz. "Denn die Rechnung ist aufgegangen, die Absatzzahlen steigen und die Leute kommen plötzlich wieder gerne ins Autohaus", hat Jones beobachtet und tourt längst durchs ganze Land, um den Kollegen für hohe Gagen ihre Konzept zu erläutern. Daneben grübelt sie ständig, wie sie ihr Autotainment noch bunter, noch vielseitiger machen kann: Kochkurse, ein Atelier mit Maßschneider, eine Musikschule? "Wenn man einmal damit angefangen hat, dann kann man einfach nicht mehr aufhören", sagt die Chefin.
Luxus definiert sich heute anders als früher
Zwar ist Jones bereits in den Sechzigern und hat den Autohandel in der Familie von der Pieke auf gelernt. Doch die Chefin ist offen genug für Veränderungen und hat früh eine wichtige Entdeckung gemacht: "Luxus definiert man heute anders als früher. Nicht mehr die Dicke der Teppichböden oder der Glanz der Marmorfließen machen das Erlebnis aus. Es dreht sich alles um Zeit", wird die PS-Patriarchin philosophisch. "Zeit ist das knappste Gut unserer Kunden. Deshalb wollen wir, dass sie die Zeit, die sie bei uns verbringen, als gutes Investment und nicht als Verschwendung empfinden." Aus diesem Grund würden die Kunden im Auto Park Way so behandelt, wie Jones sich auch daheim um ihre Gäste kümmert: "Wir geben ihnen zu essen, wir verwöhnen und unterhalten sie."
Das kommt offenbar an. Natürlich muss sie bisweilen noch den Hol- und Bringdienst losschicken, weil es ein paar Kunden besonders eilig haben. Aber die Zeiten, in denen die Fahrzeugbesitzer den Gärtner oder den Hausmeister mit dem Wagen zum Service geschickt hätten, seien längst vorbei: "Immer mehr Kunden kommen selbst und bleiben viele länger, als wir für ihr Auto eigentlich bräuchten", erzählt Jones.
Trüffel-Spaghetti aufs Haus und einen Lexus als Dessert
Und genau das ist die Idee hinter ihrem Konzept: Denn je länger die Kunden in ihrem sieben Tage die Woche bis spät in die Nacht geöffnete Glaspalast bleiben, desto mehr können sie und ihre Subunternehmer an ihnen verdienen. Und desto größer ist die Chance, dass sie mit einem neuen Lexus vom Hof fahren. Es passiere schließlich immer wieder, dass die Leute eigentlich nur zum Essen kämen, auf dem Weg nach oben schnell noch einen neuen Wagen anschauen und nach dem Dessert gleich den Kaufvertrag unterschreiben, erzählt die Inhaberin. Kein Wunder, dass sie sich über die 14.000 Mahlzeiten freut, die bei Vintana pro Jahr über den Tresen gehen. Selbst wenn die Rechnung für die Trüffel-Spaghetti oder das New York Strip-Steak bei einem Vertragsabschluss natürlich aufs Haus geht.
Das Gourmetrestaurant ist mittlerweile so gut besucht, dass Jones längst einen Valet-Service eingerichtet hat, der die Autos aller Marken versorgt und die Modelle von Lexus sogar gewaschen wieder bereitstellt. "Kostenlos natürlich", sagt Jones. Jede Woche richtet sie Kongresse, Firmenfeiern oder Hochzeiten auf der Panorama-Terrasse aus. Der Golftrainer ist ausgebucht, im Beauty-Salon ist kein Termin mehr frei und der Wedding-Planer ist fast rund um die Uhr im Einsatz – das Konzept der PS-Patriarchin geht offenbar auf: "Wir haben den ganzen Tag über hunderte Leute im Haus", sagt die Chefin, deren 300 Mitarbeiter dafür sieben Tage die Woche von morgens früh bis abends spät in der Werkstatt schrauben, am Schreibtisch sitzen oder eben im Frisiersalon stehen.
Während gerade in Deutschland viele Händler über die Stille im Showroom klagen und Experten wie Stefan Bratzel vom Center of Automotive Research in Bergisch Gladbach einen Paradigmenwechsel bei den Kunden beobachten, freut sich Judy Jones über den Trubel auf den drei Etagen. Denn im Auto Park Way ist selbst am späten Abend, wenn aus dem riesigen Springbrunnen wie vor dem Bellagio in Las Vegas bunt beleuchtete Fontänen zur Musik in den klaren Himmel schießen, mehr los, als bei vielen deutschen Provinzhändlern am Samstagvormittag. Aber wer geht schon bei Auto Meier zum Frisör, reserviert bei Auto Schmidt einen Tisch zum Brunch und lässt bei Auto Müller seine Hochzeit planen?
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