Nicht nur die durchschnittlichen Reparaturkosten steigen seit Jahren, sondern auch die allgemeine Schadenhäufigkeit, denn die Technik von Fahrzeugen wird immer komplexer. Nicht vorhergesehene Belastungen und Missmut auf Kundenseite können auch für die Autohändler problematisch werden und das Geschäft beeinträchtigen. Mit einer Garantie- oder Reparaturkostenversicherung wird nicht nur das eigentliche finanzielle Risiko ausgeglichen, man vermeidet im Zweifelsfall auch Auseinandersetzungen mit den Kunden, rät Dr. Marcus Söldner, Vorstandsvorsitzender CG Car-Garantie Versicherungs-AG (CarGarantie).
AH: Herr Dr. Söldner, welche Themen haben für Sie und CarGarantie im vergangenen Jahr dominiert?
M. Söldner: Der Anfang des Jahres stand noch ganz im Zeichen der Änderungen bei der Versicherungsteuer für den Autohandel, die durch das BMF-Schreiben angestoßen wurde und die zum 1. Januar 2023 in Kraft traten. Für den Handel - und damit auch für uns als Partner des Handels - brachte das große Umgestaltungen mit sich. Wir hatten allerdings viel Vorarbeit geleistet und unseren Partnern umfassende Informationen und Unterstützung durch unser Vertriebsteam bereitgestellt, so dass die Umstellung weitgehend reibungslos verlief. Darüber hinaus war 2023 gerade international ein Jahr der Krisen. Gleich mehrere Konflikte, die immer noch anhaltenden Nachwirkungen der Pandemie, weitere Unterbrechungen der Lieferkette, Preissteigerungen bei Rohmaterialien, das alles hat spürbare Auswirkungen auf die gesamte Wirtschaft gehabt und wird uns auch 2024 weiter beschäftigen.
AH: Hat der Handel die Änderungen bei der Versicherungsteuer denn gut angenommen?
M. Söldner: Ja. Unsere Umstellung auf Reparaturkostenversicherungen hat es den Händlern einfach gemacht, ihr Geschäft wie gewohnt fortzusetzen. Und dieser Umstieg wurde gut akzeptiert: Mittlerweile machen Reparaturkostenversicherungen einen weit größeren Anteil an unserem deutschen Portfolio aus als zuvor.
Reparaturkosten steigen weiter
AH: CarGarantie stellt jedes Jahr Statistiken über aktuelle Schadendaten und damit einhergehende Kosten bereit. Existiert diese Analyse bereits für 2023? Schlagen sich die angesprochenen Krisen auch darin nieder?
M. Söldner: Ja, wir haben die jährliche Schadenanalyse vor Kurzem fertiggestellt, und ja, die Auswirkungen sind nicht zu übersehen. Wir berechnen in der Analyse unter anderem die durchschnittlichen Reparaturkosten. Hierbei haben wir schon lange einen Anstieg festgestellt: In den fünf Jahren bis 2023 sind die Reparaturkosten insgesamt um etwa 100 Euro gestiegen. Von 2022 bis 2023 hat sich das aber noch einmal deutlich gesteigert: Die durchschnittlichen Reparaturkosten haben sich um weitere fast 40 Euro verteuert. Allein der Preisanstieg im letzten Jahr beträgt damit mehr als das Doppelte der durchschnittlichen Steigerungen der Jahre zuvor.
AH: Auf wie viel belaufen sich die durchschnittlichen Reparaturkosten inzwischen?
M. Söldner: 2023 betrugen die Reparaturkosten im Schnitt rund 657 Euro.
AH: Ist ein Ende des Anstiegs in Sicht?
M. Söldner: Bisher leider nicht. Im Gegenteil: Aktuelle Zahlen lassen darauf schließen, dass sich der Kostenanstieg fortsetzt. Die durchschnittlichen Kosten haben 2016 erstmals die 500-Euro-Marke überschritten. Bis zur 600-Euro-Marke dauerte es dann bis 2022. Jetzt liegen wir schon bei 657 Euro. Sicherheit werden wir erst bei der Analyse im nächsten Jahr haben, aber derzeit rechnen wir damit, dass die Reparaturkosten schon bald 700 Euro überschreiten werden.
Schadenhäufigkeit nimmt zu
AH: Gibt es Überraschungen bei der Frage, welche Komponenten besonders häufig defekt sind?
M. Söldner: Sowohl bei Neu- als auch bei Gebrauchtwagen zeigt sich hier ein ähnliches Bild wie in den Vorjahren: Die elektrische Anlage ist am häufigsten von Schäden betroffen, die teuersten Schäden betreffen aber weiterhin den Motor. Überraschungen gibt es hier also nicht. Allerdings ist ein Anstieg der allgemeinen Schadenhäufigkeit wahrnehmbar. Einer der Gründe dafür ist die immer komplexere Technik von Fahrzeugen: Was Fahrzeugbesitzer also durch zusätzliche Funktionen an Komfort gewinnen, schlägt sich später auch in den Kosten nieder.
Risiko absichern
AH: Was würden Sie dem Handel in dieser Hinsicht raten?
M. Söldner: Bei den stark steigenden Zahlen können Reparaturkosten schnell zu einer nicht vorhergesehenen Belastung werden. Bei Fragen von Gewährleistung und Kulanz kann außerdem schnell Missmut bei den Kunden aufkommen. Das kann das Geschäft eines Händlers nicht nur beeinträchtigen, sondern gegebenenfalls auch gefährden. Der Handel ist daher gut beraten, sich gegen diese Risiken abzusichern - zum Beispiel mit einer Garantie- oder Reparaturkostenversicherung. Damit wird nicht nur das eigentliche finanzielle Risiko ausgeglichen, man vermeidet im Zweifelsfall auch Auseinandersetzungen mit den Kunden und sorgt so für mehr Kundenzufriedenheit. Voraussetzung hierfür sind allerdings zuverlässig kalkulierte Produkte, die auch dauerhaft wirtschaftlich sind.
Elektromobilität
AH: Elektroautos werden auch in Deutschland immer relevanter. Häufig heißt es, dass dies die Schadenkosten senken wird, da elektrische Antriebe seltener kaputt gehen. Spiegeln Ihre Daten das wider?
M. Söldner: Diese Annahme können wir bislang nicht bestätigen. Tendenziell haben Elektroautos unseren Daten nach vergleichbare Schadenfrequenzen und -summen. Das bedeutet auch, dass Garantie- und Reparaturkostenversicherungen für Elektroautos nicht weniger wichtig sind als für traditionelle Verbrenner, da auch hier unvorhergesehene und hohe Schäden auftreten können. Hier ist aber anzumerken, dass elektrische Antriebe bisher nur einen geringen Teil unseres Portfolios ausmachen, so dass wir noch keine verlässlichen statistischen Aussagen treffen können - was wir beobachten, ist eine erste Tendenz.
AH: Welche Rolle spielt die Batterie bei Schäden an Elektrofahrzeugen?
M. Söldner: Die Batterie ist bei Garantie- und Reparaturkostenversicherungen für BEVs normalerweise nicht im Umfang enthalten. Daher spielt sie zumindest bei garantiepflichtigen Schäden aktuell noch keine Rolle. Das kann sich aber ändern: Wir analysieren genau, inwiefern eine Abdeckung der Hochvoltbatterie möglich bzw. sinnvoll ist. Sollte sie zukünftig enthalten sein, wird dies natürlich auch Auswirkungen auf die Schadendaten haben.
Gebrauchtwagenmarkt
AH: Stichpunkt Trend: Wie wird sich aus Ihrer Sicht der Gebrauchtwagenmarkt 2024 entwickeln?
M. Söldner: Wir werden weiterhin eine Entwicklung in Richtung zertifizierter Gebrauchtwagen sehen. Bei steigenden Preisen und steigender Unsicherheit suchen Kundinnen und Kunden nach Qualität und Verlässlichkeit, und das Angebot an zertifizierten Gebrauchtwagen kann die Nachfrage noch immer nicht decken. Deshalb wird die professionelle Aufbereitung - und auch die Ausstattung mit Garantie- und Reparaturkostenversicherungen - immer wichtiger. Für den Handel lohnt es sich daher, neben der Qualität auch auf verbesserte Kundenbindung zu setzen: Zertifizierte Gebrauchtwagen werden regelmäßig zur Wartung gebracht, was die Werkstattauslastung verbessert und die Kunden an das Unternehmen bindet. Im Idealfall kann der Handel so nicht nur Zeichen für Qualität setzen, sondern auch den Kontakt mit den Kunden bis zum nächsten Autokauf aufrechterhalten.
AH: Und welche Themen werden für Sie und den Autohandel im kommenden Jahr wichtig?
M. Söldner: Die Elektroautos wurden ja bereits angesprochen. Gerade durch die chinesischen Hersteller, die sich aktuell mit tendenziell günstigeren Preisen und guter Hochvolttechnik auf dem Markt zu etablieren versuchen, gerät hier einiges in Bewegung. Traditionelle Hersteller müssen entsprechend darauf reagieren. Diese Entwicklung wird sich 2024 weiter fortsetzen.
AH: Bieten Sie denn spezielle Garantie-produkte für Stromer an?
M. Söldner: Ja, das tun wir. Wir haben 2022 das Produkt CarGarantie Electric Drive gestartet. Dabei handelt es sich um eine Reparaturkostenversicherung für vollelektrische Neu- und Gebrauchtfahrzeuge aller Marken. Enthalten ist bei Electric Drive ein vollständig neu erstellter Umfang, der eine Vollabdeckung für Elektrofahrzeuge bietet.
AH: Zum Abschluss: Was würden Sie Ihren Partnern für 2024 mit auf den Weg geben?
M. Söldner: 2024 wird Durchhaltevermögen wichtig sein. Geopolitische Konflikte, Kostenanstieg und der Mobilitätswandel stellen die gesamte Branche immer noch vor große Herausforderungen. Als Partner des Handels ist es unser erklärtes Ziel, diese Herausforderungen mit Ihnen gemeinsam zu bewältigen und Sie dabei optimal zu nterstützen.
AH: Herr Dr. Söldner, vielen Dank für das Gespräch.