CO2-Neutrale Mobilität: Klimaziele sind nur mit Verbrennern zu erreichen

Im traditionsreichen Württembergischen Automobilclub e.V., kurz WAC, in Stuttgart trafen sich am 12. Oktober Experten, um über die Zukunft der "reFuels" zu sprechen. Die Veranstaltung stand unter dem Motto "Way2Zero Emissions". Mit einem Energieträger oder einer technischen Lösung alleine werden die für 2035 gesteckten CO2-Ziele nicht erreicht werden können, lautete der Tenor. Die Experten zeigten in ihren Vorträgen, welche pragmatischen Lösungen es neben der momentan von der Politik favorisierten Elektromobilität gibt. E20 - der nächste Schritt zur deutlichen CO2-Reduktion Schon im ersten Beitrag stellte Prof. Dr.-lng. Thomas Heinze (htw saar) ein schnell realisierbares Einsparpotenzial mit dem vorhandenen Fahrzeugbestand dar. Alleine eine Umstellung in der Betankung des Bestandes der Benziner auf E20 löse eine direkte Reduktion von 3,7 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr aus. Das entspräche dem 1,7-fachen der CO2-Einsparung der momentan zugelassenen E-Fahrzeuge. Pro Liter E20 würde die Einsparung ungefähr 350 g CO2 betragen. Prof. Dr. Thomas Garbe, Leiter Energieträger in der Antriebsentwicklung bei VW, traf ergänzend die Aussage, dass die Pflicht zu einer größeren Zumischung (E20) der nächste Schritt sein müsse. Ein bestehender, mit regenerativen Mischkraftstoffen betriebener Fahrzeugbestand könne so im Flottenbereich als eine Alternative zu Elektrofahrzeugen gesehen werden. Seine Präsentation enthielt begleitend die klare Botschaft, dass die Klimaziele ohne den Einsatz von reFuels im vorhandenen Fahrzeugbestand nicht erreicht werden können. Der Nutzung von E20 im aktuellen Verbrenner-Bestand sei dabei in der Fläche kein Problem. Bis auf wenige Ausnahmen könne jedes Fahrzeug mit Klimakraftstoffen betrieben werden. Prof. Heinze nannte in seinem Vortrag einen Wert von gerade 0,84 Prozent der Fahrzeuge der fünf volumenstärksten Hersteller, die zum heutigen Zeitpunkt kein E10 vertragen. Höhere Mischungsverhältnisse stellen dem Experten zufolge in der Zukunft ebenso keine große Gefahr für die Motoren dar. Was möglich ist, zeigt das Beispiel Frankreich. Dort gibt es schon eine gut ausgebaute Infrastruktur für E85-Kraftstoff. Cropenergies, das führende Unternehmen der Ethanolindustrie in Europa vertreten durch den CSO Dr. Fritz Georg von Graevenitz, eröffnete am 17. Oktober die erste E20-Tankstelle Deutschlands in Mannheim. Von Graevenitz zeigte auf, dass die Kapazitäten für die Herstellung des in Zukunft benötigten Ethanols durch Rest- und Abfallstoffe für einen deutschlandweiten Einsatz gewährleistet sind. Er bestätigte die umfangreiche Verträglichkeit im Fahrzeugbestand. Die hohe Oktanzahl von Ethanol sei perfekt geeignet für weitere erneuerbare Komponenten wie Reststoff- oder strombasierte Kraftstoffe ("eFuels"). Einen weiteren Vorteil sieht er im Einsatz von E20 bei bestehenden Flotten, da die CO2-Reduktion in den zukünftig zu erstellenden Nachhaltigkeitsberichten (ESG) aufgeführt werden kann. Ausstehende Klimaziele seien so auch mit Verbrennern erreichbar. HVO - die Alternative zu fossilem Diesel Für den Einsatz in Dieselmotoren stellt HVO eine mögliche Alternative zum fossilen Kraftstoff dar. Hierbei handelt es sich um einen synthetischen Diesel aus erneuerbaren Rohstoffen. Noch fehlt die behördliche Zulassung zum freien Verkauf. Eine Freigabe von HVO für alle Nutzer soll voraussichtlich 2024 erfolgen. Jörg Hübeler, Head of Market Development EU bei Neste, dem weltweit führenden Hersteller von erneuerbarem Diesel, führte als entscheidendes Argument für die Nutzung von HVO aus dem Hause Neste an, dass die Treibhausgasemissionen im Vergleich zu fossilem Diesel um 90 Prozent gesenkt werden können. Der Kraftstoff von Neste besteht dabei zu 100 Prozent aus erneuerbaren Rohstoffen, die aus Abfallprodukten wie gebrauchtem Speiseöl, Abfällen und Reststoffen aus der Lebensmittelindustrie, Pflanzenöl- und Fischverarbeitung gewonnen werden. Der Einsatz ist ohne technische Anpassung für alle dieselbetriebenen Fahrzeuge und die bestehende Infrastrukturen möglich. Als Drop-in-Kraftstoff könne er in Reinform eingesetzt oder in beliebigem Verhältnis mit fossilem Diesel gemischt werden. Das heißt, Mischbetankungen würden somit kein Risiko darstellen. Eine zu Beginn nicht flächendeckende Verfügbarkeit wäre damit kein Problem. Dirk Naber, Vice-President bei der Robert Bosch GmbH, untermauerte die Aussage des Herstellers von HVO zur Verträglichkeit in bestehenden Diesel-Flotten. Die Betonung lag auch bei ihm auf der Tatsache, dass sich die Klimaziele nur mit einem Mix aus verschiedenen Antriebskonzepten erreichen lassen. Bestehende Fahrzeuge müssten so nicht erst ersetzt werden, um sofort relevante Effekte zu erzeugen. Dirk Naber zeigte in seinem Vortrag, dass bei Testfahrten mit einem VW Golf die Emissionen von HVO bei NOx, CO, NH3 im Vergleich zu fossilem Diesel leicht gesenkt wurden. Bei dem für das Klimaziel relevanten CO2 lag die Reduktion sogar bei erheblichen 74 Prozent. Bosch könne als zusätzliche Hilfestellung über einen digitalen Kraftstoffzwilling exakte Daten zur Kraftstoffzusammensetzung im Fahrzeug liefern. Die Funktion werde zum einen genutzt, um Flottenverbräuche zu optimieren. Zum anderen ermögliche es ein konkretes Monitoring der zugesetzten reFuels im Kraftstoffmix. Die Ergebnisse werden für die Darstellung der CO2-Emission in den Nachhaltigkeitsreportings sowie für die CO2-Reduktion in der innermotorischen Verbrennung benötigt. Dr. Marko Babic, Leiter Product Area Air Quality and Sustainable Solutions der Robert Bosch GmbH, stellte dar, wie ein solches "CO2-pro-Liter-Zertifikat" zukünftig entlang der kompletten Wertschöpfungskette aussehen kann. In der anschließenden Podiumsdiskussion moderiert von Jürgen Preuss (WAC) wurde anhand von Beispielen der Nutzen von reFuels weiter hervorgehoben. Das Fazit lautete: Der größte Hebel zur CO2-Reduktion ist aufgrund des bereits vorhandenen Fahrzeugbestands die Betankung mit alternativen Kraftstoffen. Die Entwicklung der dafür nötigen reFuels schreitet voran und die Kapazitäten werden kontinuierlich ausgebaut. Ein starkes Augenmerk wird drauf gesetzt, dass die erneuerbaren Ressourcen nicht zu Lasten der Umwelt geschaffen werden. Nur so können Unternehmen wie Neste auf Listen für die nachhaltigsten Unternehmen der Welt auftauchen und das Ziel, klimaneutrale Mobilität zu schaffen, erreicht werden.

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