Von Doris Plate/AUTOHAUS
Wenn es zu einem flächendeckenden Fahrverbot in Stuttgart kommt, wird dies zu gerichtlichen Auseinandersetzungen zwischen Kfz-Betrieben und dem Land führen. Entsprechende Berichte haben Carsten Beuß, Hauptgeschäftsführer des Verbandes des Kraftfahrzeuggewerbes Baden-Württemberg, und Christian Reher, Geschäftsführer der Innung des Kraftfahrzeuggewerbes Region Stuttgart, jetzt bestätigt.
Auslöser der Vorbereitungen ist die kompromisslose Haltung der Landesregierung gegenüber den Stuttgarter Autohäusern und Werkstätten: Es wird keine freie Zufahrt für Euro-4-Diesel-Kunden zu den rund 120 Betrieben geben, die in der Stuttgarter Umweltzone liegen, wenn dort ab 1. Januar 2019 ein Fahrverbot gilt. Das hatten Wirtschaftsministerien Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) dem Verband des Kraftfahrzeuggewerbes Baden-Württemberg schriftlich und der Amtschef im Verkehrsministerium, Uwe Lahl, mündlich mitgeteilt. "Damit werden die 120 Stuttgarter Betriebe mit ihren rund 2.000 Beschäftigten akut in ihrer Existenz gefährdet", kommentieren Beuß und Reher die Entscheidung.
Nachdem damit alle Versuche gescheitert sind, in Gesprächen mit Verkehrs- und Wirtschaftsministerium einvernehmlich eine Zufahrtsgenehmigung für die Kfz-Unternehmen zu erreichen, kündigen die beiden Geschäftsführer eine harte Linie an: "Wir werden allen Betrieben, die durch die Fahrverbote möglicherweise vor dem Ruin stehen, raten, gegen den Luftreinhalteplan zu klagen."
Der erste Betrieb bereitet sich bereits darauf vor: Das Möhringer Autohaus Lutz, dessen Geschäftsführer Roger Schäufele gleichzeitig Stuttgarter Kreisvorsitzender der Innung ist: "Wir haben mehr als 50 Prozent unserer Kunden außerhalb der Umweltzone." Der Betrieb liegt an der Vaihinger Straße, die in die Möhringer Landstraße übergeht und für die selbst in der Liste der Deutschen Umwelthilfe ein Wert von 29,1 Mikrogramm angegeben wird.
"Mit einem Schlag abgeschnitten"
"Das Autohaus Lutz ist ein Paradebeispiel dafür, was mit Luftreinhalteplanung angerichtet werden kann", sagt Reher: "Es liegt am Rand der Stuttgarter Gemarkung und damit der Umweltzone. Alle Beziehungen zu Euro-4-Kunden in den Nachbarkommunen, die ihre Fahrzeuge außerhalb der Umweltzone ja weiter nutzen dürfen, werden nach den Planungen der Regierung am 1. Januar 2019 mit einem Schlag abgeschnitten. Am 1. April 2019 fallen dann noch alle Stuttgarter Kunden weg, weil die ihren Euro-4-Diesel gar nicht mehr fahren dürfen.“" Ab 2020 vermutlich auch alle Euro-5-Kunden, "denn die politische Dynamik in Sachen Hardware-Nachrüstung geht auf Bundesebene außer bei den Lippenbekenntnissen gegen null."
"Zwischen 200 und 250 Kunden mit Euro-4-Dieseln vor allem von der Filderebene fallen in der ersten Fahrverbotsphase bei uns weg", schätzt Autohaus-Chef Schäufele. "Im April 2019 wird es dann noch schlimmer – und wir sind ein Familienbetrieb mit 42 Arbeitsplätzen." Größere treffe es noch härter.
In den vergangenen Monaten hatte das Kfz-Gewerbe nach einer gütlichen Einigung mit den Verantwortlichen gesucht. Ende aller Hoffnungen waren jetzt ein Gespräch mit Amtschef Lahl und das Schreiben von Wirtschaftsministerin Hoffmeister-Kraut. Kernsatz des Schreibens: "Als Wirtschaftsministerin hätte ich mir gewünscht, dass es weitere Ausnahmen für Gewerbetreibende geben würde. Dies war leider aus sachlichen, rechtlichen und politischen Gründen nicht durchsetzbar. Dies gilt explizit auch für Ausnahmen für Kunden von Kraftfahrzeugbetrieben, was ich sehr bedauere."
Politische Gründe
"Für uns sind weder sachliche noch rechtliche Gründe nachvollziehbar", sagt Beuß. "Es bleiben nur politische Gründe." Aus Sicht des Kraftfahrzeuggewerbes lässt auch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes ausreichend Spielraum. "Das hat schon unmittelbar nach der Urteilsverkündung in seiner Pressemitteilung festgestellt, es bedürfe 'hinreichender Ausnahmen, z.B. für Handwerker oder bestimmte Anwohnergruppen'." Solche Ausnahmen soll es zwar geben, nicht aber für Kfz-Werkstätten, "obwohl deren Betroffenheit besonders groß ist und die Gesamtzahl etwaiger Fahrten von Kunden mit Euro-4-Dieseln aus den Nachbarkreisen zu allen Kfz-Betrieben im Stadtgebiet im Vergleich zu anderen Ausnahmeregelungen mit rund 500 bis 600 täglich äußerst gering sein dürfte." Hier werde mit zweierlei Maß gemessen, "das ist nicht hinnehmbar", so Beuß.
Auch Reher kritisiert, "dass die Ausnahmekonzeption nicht ausgewogen ist". Wenn beispielsweise der Lieferverkehr ausgenommen sei, könnten Kfz-Werkstätten zwar beliefert, aber nicht mehr von ihren Kunden angefahren werden. "Das ist paradox." Die Ausgewogenheit der Maßnahmen habe auch im Übrigen spätestens dort ihre Grenze, wo die Existenz von Betrieben gefährdet sei. Die Probe aufs Exempel kommt, wenn der Luftreinhalteplanentwurf vorliegt: "Wir werden alle rechtlichen Möglichkeiten nutzen, unsere Betriebe und Beschäftigten, aber auch unsere Kunden zu schützen", unterstreichen Beuß und Reher: "Klagebefugt wie die Deutsche Umwelthilfe sind wir nicht. Aber bei Musterverfahren können wir helfen. Und wir werden dafür sorgen, dass die betroffenen Betriebe sich zu wehren wissen."
Manfred Wiehe