Interview: "Kein Misstrauen gegenüber dem Diesel"

AH: Herr Haasler, im Zuge des VW-Abgasskandals sind Sie und Ihr Team als Restwertexperten gefragt. Wie groß sind die Auswirkungen von "Dieselgate"? H. Haasler: Auch nach einem Monat intensiver Beobachtung lässt sich derzeit keine signifikante Veränderung in den Restwerten feststellen. Insbesondere weisen die täglich von Schwacke beobachteten Millionen von Angebotspreisen keinerlei Auffälligkeiten auf. Unter schwackepro.de/aktuell veröffentlichen wir jeden Tag Marktdaten über Dieselfahrzeuge versus Benziner und VW-Diesel-Fahrzeuge versus VW-Benziner. Aktuell konnten wir hier weder ein Misstrauen gegenüber dem Dieselmotor noch eine Auswirkung auf die VW-Marke selbst beobachten. Ein weiterer Indikator für einen sich ändernden Markt sind die gehandelten Mengen der Fahrzeuge und deren Umschlag, die wir regelmäßig in mehreren Ländern verfolgen. Hier gibt es ebenso wenige Änderungen. Es werden also weder weniger Fahrzeuge gehandelt, noch stehen die aktuellen Angebote länger beim Händler. Die Beobachtungen zeigen, dass die Käufer trotz intensiver medialer Begleitung des Themas Ruhe bewahren. Alles andere wäre aus heutiger Sicht auch nicht vernünftig. AH: Wie könnte sich der Abgasskandal in den nächsten Monaten entwickeln? H. Haasler: Wir unterscheiden hier zwei Szenarien: das "Strohfeuer", das sich bald legt, oder das Szenario "Ausverkauf" - mit nachhaltigem Effekt auf die Attraktivität der Dieselmotoren. Im Szenario "Strohfeuer" hat sich in sechs Monaten die mediale Berichterstattung reduziert. Der Volkswagen-Konzern ist dann aus den großen Schlagzeilen herausgekommen. Das Ausmaß der Affäre ist zum heutigen Zeitpunkt bereits in vollem Umfang bekannt und es gibt keine weiteren Aufdeckungen zu diesem Thema. Gleichzeitig wird von den Herstellern die Einführung von Abgastests unter Echtbedingungen (Real Driving Emissions, RDE) begrüßt und mitbetrieben. Somit gibt es auch keine Auswirkungen auf die Meinung der Käufer von Dieselfahrzeugen und die Nachfrage bleibt nahezu unverändert stark. Und der wichtigste Punkt: Die Spielregeln am Markt, also die Regulierungen in den europäischen Märkten, bleiben unberührt und die steuerlichen Begünstigungen von Diesel - sofern vorhanden - unverändert. Dann wird es keine nachhaltigen Auswirkungen auf Verkäufe beziehungsweise Restwerte geben. AH: Und beim anderen Szenario? H. Haasler: Im Szenario "Ausverkauf" bleibt das Dieselthema auch in sechs Monaten in den Schlagzeilen und die Begehrlichkeit von Dieselfahrzeugen nimmt ab. Es werden immer wieder neue Details bekannt. Regierungen bekommen dadurch erhöhten Druck, die Gesetzgebung gegenüber Dieselfahrzeugen zu ändern. Andere Städte könnten dem Beispiel Paris folgen und in den Innenstädten für Dieselfahrzeuge Fahrverbote einrichten oder Gebühren für die Einfahrt verlangen. Dies würde einen Käufer-Schwenk zu Benzin und alternativen Antrieben auslösen. Dadurch werden Hersteller sich langsam vom Diesel verabschieden und verstärkt in Richtung alternative Antriebe arbeiten. Die Auswirkungen wären fatal: Es müssten große Lagerbestände an Dieselfahrzeugen mit hohen Rabatten innerhalb Europas verkauft werden. Sinkende Restwerte wären die Folge. Die Erreichung der angepeilten CO2-Ziele stünde damit auf dem Spiel. Bei der eigenen Meinungsbildung zu diesen zwei Szenarien sollte man aber auch die historische Perspektive nicht verlieren: Wenn man sich große Rückrufaktionen in der Vergangenheit in Europa und Amerika ansieht, hat sich die betroffene Marke trotz brisanter Themen nach zwei Jahren wieder erholt. AH: Nicht nur in Zeiten wie diesen ist der Austausch mit den Händlern wichtig. Was schätzen Sie an einem Format wie der "SchwackeNet-VIP-Händlerrunde"? H. Haasler: Ich finde dieses Format des Austausches einzigartig, weil sich hier beide Seiten, das heißt, unsere geschätzten Händlerkunden und unsere Produktverantwortlichen, viel Zeit füreinander nehmen. Und zwar in einem informellen Rahmen, der dem intensiven, offenen und sehr breit gefächerten Dialog enorm hilft. Das steht im Kontrast zur regulären Marktforschung, die wir auch betreiben, wo Händler nur sehr gezielt zu ausgewählten Fragen Feedback geben können - wir wissen, wie wichtig das Tagesgeschäft ist und wie wenig Zeit für andere Themen bleibt. AH: Gibt es auch unter dem Jahr Anregungen aus der Händlerschaft für Sie? H. Haasler: Selbstverständlich haben wir über unsere Vertriebsmannschaft und den regen Austausch mit Kollegen aus der Hotline täglichen Kontakt zur Händlerschaft und erhalten ständig neue Impulse. Ich denke, durch die regelmäßigen Releases in den Produkten haben wir bewiesen, dass diese Punkte aufgegriffen und umgesetzt werden, auch wenn es bei schwierigen Themen wie Schnittstellenanpassungen auch der Unterstützung von anderen Lösungsanbietern bedarf. Genau das ist auch die große Stärke von SchwackeNet, das schon vor 15 Jahren online ging und seitdem konsequent weiterentwickelt wurde. Unsere Kunden haben mit ihren Wünschen SchwackeNet zu dem Produkt gemacht, das es heute ist: Deutschlands umfangreichstes Gebrauchtwagen-Management-Programm. Es ist mittlerweile viel mehr als eine bloße Fahrzeugbewertung. SchwackeNet kann im Handel viele Insellösungen ersetzen. AH: Sie haben neue Features in petto. Worauf sind Sie besonders stolz? H. Haasler: Ja, es tut sich bei SchwackeNet viel Neues. Allem voran möchte ich die neue Schnittstelle zu mobile.de erwähnen, die wir als erster Anbieter umgesetzt haben. Somit werden jetzt Inserate und Preise in nahezu Echtzeit aktualisiert, die Händler müssen nicht mehr auf den abendlichen Export warten. Ein weiteres Highlight ist das neue Händler-Website-Modul, das den gesamten Fahrzeugbestand direkt auf die Homepage des Händlers stellt. In SchwackeNet genügt ein Klick und das Fahrzeug wird auf der eigenen Seite präsentiert. Dabei kann der Style - z. B. Farben und Schriftarten - individuell der eigenen Webseite angepasst werden. Ein externes System eines Drittanbieters kann so entfallen. Auch im Bereich der Fahrgestellnummernabfrage (VIN-Abfrage) sind wir gut unterwegs und konnten die Marktabdeckung auf 92,4 Prozent aller gängigen Fahrzeuge ausdehnen. AH: Auf welche Tools können sich die Händler 2016 freuen? H. Haasler: Wir werden nächstes Jahr weiter auf die Themen dynamisches Pricing und Margenoptimierung für Händler fokussieren. Freuen können sich die Händler hier auf den "BörsenSpiegel Gruppenreport" - ein Online-Tool, das die wichtigsten GW-Kennziffern aller inserierten Fahrzeuge auf Gruppen- und Standortebene übersichtlich darstellt. Somit kann ein Händler auf einen Blick sehen, bei welcher Filiale evtl. Handlungsbedarf besteht. Ebenso wichtig ist die Unterstützung bei der Kundenakquise über Händlerwebseiten. Hier möchten wir unseren Kunden das Tool "LeadDriver" anbieten, welches es Händlern ermöglicht, ihren Kunden eine Original-Schwacke-Bewertung direkt auf der Händlerwebseite anzubieten. Der Deal ist wie folgt: kostenlose Fahrzeugbewertung gegen die Kundendaten. Damit eröffnen wir Händlern die Möglichkeit, schnell an günstige und gute Gebrauchtwagen zu kommen und potenzielle Kunden nicht wieder an andere Webseiten zu verlieren. AH: Seit einigen Monaten stehen Sie an der Spitze der EurotaxSchwacke GmbH. Was hat Sie bisher am meisten beeindruckt? H. Haasler: Ich war enorm positiv überrascht von der Wertschätzung von Schwacke seitens der Händler und der Hersteller. Überrascht deswegen, weil ich das keineswegs für selbstverständlich halte und man hart arbeiten muss, um gutes Feedback zu erhalten. Des Weiteren hat mich überrascht, dass trotz verschiedener Marktlage in Deutschland, im Vergleich zu den Ländern, wo ich bisher Einblick hatte, viele der Themen sehr ähnlich diskutiert werden - sei es die Digitalisierung der Branche oder die Professionalisierung und Automatisierung von Prozessen im Handel, die weiterhin Potenziale für Margenverbesserungen versprechen. Das bestärkt meine Überzeugung, dass man im landesübergreifenden Erfahrungsaustausch zwischen Schwacke und benachbarten Eurotax-Regionen gemeinsam schneller mit neuen Lösungsmöglichkeiten an den Markt treten kann und wir damit unseren Beitrag zur gesunden Entwicklung der Branche liefern werden. AH: Herr Haasler, herzlichen Dank für die interessanten Einblicke. 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