Wer Avenger hört, denkt in der Regel an Superhelden. Als Marketingprodukt tauchen Marvels’ Comic-Helden dann auf allerlei Produkten des täglichen Bedarfs auf (etwa Tütensuppen) – um das Besondere in den Alltag zu bringen. Diese Mission verfolgt auch Jeeps Avenger, der kein Cartoon, sondern ein Kompakt-SUV ist. Und so fragen wir uns: Wie gut ist die Rezeptur geworden?
Der Avenger ist lokal gesehen ein Öko, da er vollelektrisch unterwegs ist, wobei es ihn in Polen und Italien auch mit einem Dreizylinder-Benziner gibt. Gebaut wird er im polnischen Werk, in dem auch der Megaseller Fiat 500 läuft, allerdings auf einer neuen Plattform. Zunächst fährt der Avenger als Fronttriebler vor, aber es soll noch bis zum Jahresende ein weiterer E-Motor an die Hinterachse kommen. Die aktuell 115 kW (156 PS) in der Front sind heute schon ausreichend, wenn man bedenkt, dass das Standard-Package im Stellantis-Reich bisher einen 100-kW-E-Motor vorsah.
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Mit seinen 1,6 Tonnen ist der US-Italiener auch leicht genug, dass sich der Fahrspaß einstellt – zumindest im Solobetrieb während der Testfahrt. Dass es im Kompakten durchaus gesellig zugehen soll, indem Freunde oder Familie mit einsteigen, ist nicht nur der Grundton im Werbe-Clip, sondern auch in der praktischen Aufteilung des Cockpits verankert. Es gibt viele schlaue Ablage- und Stauflächen, die aus dem gerade mal 4,08 Meter langen Avenger einen kleinen Superhelden machen, der für viele Abenteuer gewappnet ist.
Jeep Avenger
BildergalerieAber kommen wir noch mal kurz zurück zum Markenkern: zu Jeep. Im ersten Moment erinnert wenig an die einzige globale Marke im Großkonzern, die fast so viele Fahrzeuge absetzt wie Fiat. Gut, der Jeep-typische Grill sowie die Offroad-affinen, kantigen Radkästen prägen die Frontoptik. Aber der Blick von hinten lässt einen schon länger überlegen, was wohl vorn als Signet auf der Motorhaube prangen mag.
Das einst klobige Lenkrad ist einem normalen Volant gewichen, auch sonst klingt und fährt er sich etwas beliebig. Im B-Modus, bei dem die doppelte Rekuperationskraft wirkt, kommt der Schwung der 260 Newtonmeter nur zögerlich an die Antriebsachse. So springt die Kraftaufnahme und -abgabe von Zeit zu Zeit ein wenig.
Die recht vielen Tasten rund um den Armaturenträger sind gut platziert – beides ist löblich. Nur ans Drücken des Knopfs, um die passende Schaltstufe zu wählen, muss man sich gewöhnen, wenn man dies nicht vorher bereits von den Markenbrüdern kannte. So ist es eben im Konzern. Was sich allerdings nicht allzu weit ins FCA-PSA-Portfolio tragen sollte, ist das Blinkergeräusch, das an das Schlagen eines Beckens mit einem Schlagzeugbesens erinnert (schon beim zweiten Einsatz nervte es gewaltig).
Davon abgeschreckt haben sich wenige lassen, denn allein in Deutschland wurde der kleinste Jeep bereits mehr als 4.500-mal bestellt, freute sich Luigi Saia. Der Jeep-Markenchef in Deutschland betonte bei der Testfahrt, dass Jeep als Offroad-Marke auch urban sein kann. Die Maße, seine E-Power und die clevere Nutzung des Innenraums sprechen dafür.
In der Tat fühlt man sich im Avenger gut aufgehoben. Die Rundumsicht der Kameras ist toll, aber eigentlich kaum nötig. Wenn es doch eng wird, hilft die Rundum-Verplankung, die Remplerschäden mindern soll – damit taugt der Jeep auch als Pool-Wagen. Zwischen sieben und 10,25 Zoll groß sind die Displays, deren Menüführung schnell erklärt ist. Als aufgeräumt kann man auch das Gesamtbild des Cockpits nennen, das Funktionalität über Ästhetik setzt, was absolut in Ordnung ist.
Ein wenig Raffinesse – und damit ein bisschen der Jeep-Kultur folgend – versprüht der Fahrmodi-Schalter. Das gewählte Profil gibt auch den Temporahmen vor: "Sand" etwa geht bis Tempo 120, "Matsch" bis Tempo 50, "Schnee" bis 80 und die "Bergabfahrhilfe" bis 70 km/h. Auf der typischen Pendlerstrecke, auf der im Sommer keiner der Modi zum Einsatz kam, standen nach 60 Kilometern gut 13,7 kW im Verbrauchsmonitor. Was die Prognose zur realen Reichweite betrifft, ist der Einsatz über einen längeren Zeitraum abzuwarten.
Kommen wir zum Laden, dem wohl wichtigsten Argument pro Elektromobil. 100 kW am DC-Schnelllader sind okay, die 11 kW am AC-Lader sind gut. So füllt sich der 340 Kilogramm schwere 54-kWh-Block (netto: 51 kWh) an der Wallbox während eines Arbeitstages. Dann reicht es wieder für laut WLTP knappe 400 Kilometer (im City-Zyklus sollen 550 km drin sein). Dass man auch im Spaßmobil sparsam mit der Energie umgeht, lernt man von allein, denn weder das Sprintvermögen (9,0 Sekunden für den Standardsprint) noch der Top-Speed (150 km/h) verleiten zum Exzess.
Schnell waren die Vorgänger-Jeeps selten (außer jene mit unverschämt großen Kraftreserven), dafür stand man immer für die Allrad-Tradition. Die robuste Hülle sowie die 20 Zentimeter Bodenfreiheit lassen ein gutes Gefühl zurück, mit dem Avenger auf Schotterpisten unterwegs zu sein. Zumal auch preislich die aufgerufenen knapp 31.000 Euro (alle Preise netto) für einen Jeep nach einem fairen Deal klingen, selbst das mittlere Niveau (Longitude) klingt bezahlbar (33.613 Euro). Wenngleich der bisherige kleinste Markenvertreter Renegade mit einem 130-PS-Benziner ab 24.620 Euro zu haben ist.
Aber die wahren Jeep-Fans werden wohl auf die 4x4-Version warten, und der Rest wird die Marke wohl erstmalig entdecken. Beides ist nicht schlecht fürs Geschäft, und das läuft weltweit immer noch ausgesprochen gut – gerade im Dunstkreis von Superhelden.