AUTOHAUS bietet mit einer neuen Serie Impulse für Unternehmer und Geschäftsführer, die Autohäuser führen. Norbert Irsfeld, geschäftsführender Gesellschafter der Prudentes Management GmbH, reflektiert im monatlichen Rhythmus aktuelle Autohausprojekte und tatsächliche Managerprobleme und leitet praktische Tipps ab. Es geht um die zentralen Managerthemen Rentabilität, Geld, Strukturen, Zukunftsfähigkeit und Unternehmenskultur auf der einen Seite; auf der anderen Seite steht als Kerninhalt das Beziehungsmanagement mit Gesellschaftern, Nachfolgern, Führungskräften, Mitarbeitern, Automobilhersteller, Hausbank und Autobanken.
"Wie soll eine einträgliche Zusammenarbeit, ja ein Neubeginn mit dem Automobilhersteller gelingen, wenn die lokale Vertriebsabteilung das notwendige Maß partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit dem Autohaus vermissen lässt?", fragt der Seniorchef einer größeren Autohausgruppe seinen Berater mit skeptischem Blick.
Autohauschef und Berater ist in diesem Fall eines klar: Aus ökonomischer Sicht muss die Zusammenarbeit fortgesetzt werden. Strategisch spricht man von einem Lock-In-Effekt, der das Abhängigkeitsverhältnis zwischen Systemgeber (OEM) und Systemnutzer (Automobilhandel) beschreibt. Auf der Autohausseite entstehen hohe Wechsel- und Umstellungskosten durch die Aufkündigung der bestehenden Händlerverträge. Die fremdfinanzierten Investitionen in markentreue Betriebsgebäude und Standards, Mitarbeiterausbildungen und markenbezogene Kundenbeziehungen, Originalteile und Fahrzeugbeständen binden die Autohäuser an den OEM. In diesem Praxisfall würde der Federstrich unter dem Kündigungsschreiben existenzbedrohende Wertberichtigungen erfordern.
Das mag rational noch eingängig sein; tatsächlich wiegt die emotionale Dauerbelastung schwerer. In der Paartherapie spricht man auch von der Fähigkeit, den anderen in einer jahrzehntelangen Beziehung ertragen zu können. Der Versuch, eine brüchige Geschäftsbeziehung zwischen einem selbstbewussten und global agierenden Automobilkonzern und einem mittelständischen Autohaus zu reparieren, gleicht einer verzwickten Beziehungstherapie. Es lassen sich drei Phasen unterscheiden:
(1) Standortbestimmung
(2) Aktives Beziehungsmanagement
(3) Gemeinsame Absichtserklärung zwischen OEM und Automobilhändler
Die interne und vertrauliche Standortbestimmung ist schonungslos. Es bedarf einer großen und nicht immer leicht bekömmlichen Portion nüchterner Selbstreflexion des Autohausmanagements. Immerhin wird bei dieser Selbstanalyse die Perspektive des Gegenübers, also des OEM, eingenommen, um deren Einschätzungen zu kalkulieren.
Zuerst gilt es die Fakten sprechen zu lassen, also die Stärken und Schwächen der eigenen Finanz- und Ertragskraft, Investitionsfähigkeit und Standortpolitik, Vertriebsleistung und Kundenbeziehung. Je nach Fallsituation drängt sich die Gretchenfrage auf: Nun sag, wie hast du's mit deiner Nachfolge? Diese Faktenanalyse mündet in die Frage: Welchen rationalen Mehrwert bringt das Autohaus in eine bessere, zukünftige Beziehung zum OEM ein? In einem Business Case ist rechnerisch zu ermitteln, ob und wie notwendige Veränderungen positiv und negativ in die Unternehmensrentabilität einzahlen. Dieser Mehrwert kann sich auf die regionale Standort- bzw. Netzsituation beziehen, wird maßgeblich vom Intrabrand-Wettbewerb als potenziellen Netzrivalen bestimmt oder orientiert sich an besonderen Autohausfähigkeiten im Vertrieb und im Aftersales.
Dann gilt es die Motivlage des OEM geradezu tiefenpsychologisch zu ergründen. Wer und wie sind die Entscheidungsträger, Einflussagenten und Gatekeepers, Freunde und Gegner auf Seiten der Vertriebsabteilung? Wie lauten deren Pro- und Contra-Argumente? Wie begegnet das Autohaus diesen Argumenten?
"Reframing" mit Schlüsselakteuren
Das aktive Beziehungsmanagement ist die zweite Stufe des Versuchs, die Zusammenarbeit maßgeblich zu erneuern. Das Autohausmanagement lädt die Schlüsselakteure des OEM zu einem Strategiegespräch ein. Ziel ist es, anlässlich dieser Sitzung im Autohaus oder beim Hersteller ein "Reframing" zu erreichen.
Hinter diesem Begriff verbirgt sich die Erkenntnis, dass der OEM das Autohaus aus einen spezifischen ausschnittweisen Blickwinkel bewertet. Es gilt also, diesen Bilderrahmen zu Gunsten des Autohauses zu verändern. Der Schlüssel dazu ist ein inhaltlich abgestimmtes, und argumentativ überzeugendes strategisches Konzept, welches auf die Standortbestimmung aufsetzt.
Das dokumentierte Autohauskonzept dient der strategischen Positionierung und darf nicht zu einem opportunistischen Schlagwortpapier degenerieren, das nur einem oberflächlichen Friedensschluss mit dem OEM dient. Es sind eben auch jene Aspekte zu verarbeiten, die unbequem sind wie überfordernde, aufoktroyierte Vertriebsziele oder hohe Investitionserwartungen.
Gemeinsame Streitkultur entwickeln
Gerade darum ist das konsensorientierte Gesprächsklima von Beginn an von zentraler Bedeutung. In der Argumentationslehre spricht man von dem "Prinzip des Wohlwollens", das man dem Verhandlungspartner entgegenbringt. Idealerweise gelingt es, eine gemeinsame Streitkultur zu entwickeln.
In der Endstufe besteht der Versuch, zu einer verbindlichen Regelung der zukünftigen Zusammenarbeit zu kommen. Idealerweise fixiert man ein gemeinsames Verständnis der strategischen Autohauszukunft. In dieser Absichtserklärung werden die gemeinsamen Ziele, wesentlichen Maßnahmen und Zeithorizonte definiert und festgelegt.
Zum Autor: Norbert Irsfeld ist geschäftsführender Gesellschafter der Prudentes Management GmbH. Das Unternehmen mit Sitz in Frankenthal ist spezialisiert auf Revitalisierungsmanagement, Umsetzungs- und Interimsmanagement, Bauprojektmanagement sowie Mergers & Acquisitions. Weitere Informationen unter: http://www.prudentes.de