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Internationales Recruiting: "Bei der Probearbeit erfährt man mehr als im Lebenslauf"

07.11.2023 13:00 Uhr | Lesezeit: 6 min
David Stancin
David Stancin ist Experte für europaweites Fachkraft-Recruiting
© Foto: David HR Europa GmbH

AUTOHAUS-Herausgeber Prof. Hannes Brachat erörtert mit David Stancin, Gründer und Betreiber von "David HR Europa", wie es gelingt, auch international qualifizierte Fachkräfte zu vermitteln.

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Die aktuellen Werkstattvorlaufzeiten – zusätzlich zur Reifenwechsel-Saison – legen den Fachkräftebedarf im Service besonders offen dar. David Stancin, Gründer und Betreiber von "David HR Europa", hat sich mit seinem Team auf internationales Recruiting spezialisiert. AUTOHAUS-Herausgeber Prof. Hannes Brachat sprach mit dem Experten, wie es gelingt, auch international qualifizierte Fachkräfte zu vermitteln. Stancin kann auf namhafte Branchenreferenzen verweisen. Im Interview stellt er zugleich dar, welche Fehler beispielsweise bei der Personalsuche über Social Media gemacht werden.

AH: Wie kam es zur Idee ihres Unternehmens mit der Spezialisierung auf Recruiting?

D. Stancin: Mitte 2021 haben wir in Deutschland den großen Bedarf an Fachkräften gesehen, haben darüber mit namhaften Geschäftsführern aus verschiedenen Wirtschaftszweigen gesprochen. Danach haben wir uns auf Autohäuser konzentriert. Die Personalsuche ist das eine, das Einstellen das zweite und die Personalbindung an das Autohaus das dritte.

Internationales Recruiting

AH: Sie sind nicht nur in Deutschland in der Akquise unterwegs, sondern europaweit. Wie sieht das praktisch aus?

D. Stancin: Ich bin gebürtiger Kroate und kam vor acht Jahren nach Deutschland. Da war mir schnell klar, dass die Autoindustrie eine der tragenden Säulen der Wirtschaft ist. Vor gut einem Jahr habe ich mich darauf konzentriert, wie das Recruiting in Deutschland in Zukunft aussehen soll? Verschiedene Prognosen zeigen, dass wir in Deutschland in drei bis fünf Jahren vier Millionen Arbeitskräfte weniger haben werden. Daraus entstand unser europaweiter Ansatz für Personalsuche. Durch unsere spezialisierten Netzwerke in Europa können wir unseren Autohaus-Kunden einen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Wir haben in Deutschland zu wenige qualifizierte Mitarbeiter und zu wenige Menschen insgesamt, die wir zur Stellenbesetzung brauchen.

Anfang 2023 habe ich auf dem Balkan die geeigneten Kontakte hergestellt, ferner meinen Mitarbeiterkreis gezielt zusammengestellt, um das Projekt auch richtig umzusetzen zu können. Wir konnten über unsere Anstrengungen die letzten drei Monate mehr als 1.200 Mitarbeiter rekrutieren. Jetzt führen wir die ersten Vermittlungen nach Deutschland durch. Der Prozess, jemanden aus dem Balkan nach Deutschland zu bringen, dauert drei bis sechs Monate. Es kommt auch darauf an, wie gut der einzelne Mitarbeiter deutsch sprechen kann. Er braucht ein Sprach-Zertifikat A 2-Level, also Grundkenntnisse. Das ist wichtig für die Betriebe, damit vor Ort die Verständnisebene klappt.

Formelle Anforderungen

AH: Welche formellen Voraussetzungen sind zu beachten, dass ein Aspirant die Aufenthaltsgenehmigung für Deutschland erhält?

D. Stancin: Dazu gibt es zwei Varianten. Die erste Variante ist die Lotterie. Dazu kann sich jeder Interessent anmelden. Jeden Monat gibt es dann ein Losverfahren. Das soll 2024 für Mitarbeiter vom Balkan noch einfacher werden. Im Moment gibt es 25.000 bis 50.000 Plätze pro Land, die ausgelost werden und die nach Deutschland kommen können.

Die zweite Variante ist, die Anerkennung zu beantragen. Dazu ist dann ein Gesellenbrief, ob Mechanik, Karosserie oder Lack einzureichen und von Deutschland anerkennen zu lassen. Also, dass mein Gesellenbrief aus Bosnien, Serbien anerkannt wird in Deutschland. In 90 Prozent der Fälle wird der Gesellenbrief zum Teil anerkannt. So die Antragsteller keine Erfahrung mit der EU haben oder aus einem Nicht-EU-Land kommen, sind dann einige Fächer, die sie auf dem Balkan nicht hatten, nachzuholen, und zwar in dem Betrieb, in dem sie künftig arbeiten.

Wenn der Prozess der Anerkennung durch ist – das dauert drei bis vier Monate –, kommt es darauf an, ob ein Bewerber in Folge den schnellen oder langsamen Prozess wählt. Dann kann der Einzelne nach dieser Anerkennung sein Visum beantragen. Das dauert zwei bis drei Wochen.

Praktische Umsetzung

AH: Wenn ein Autohaus mit Ihnen zusammenarbeiten möchte – wie läuft da der praktische Weg?

D. Stancin: Wir vereinbaren ein Gespräch, in dem wir feststellen, welche Stelle mit welcher Intention im Autohaus zu besetzen ist. Dann prüfen wir, ob wir dafür eine Kandidatur aus Deutschland haben oder aus dem Balkan. Dann treffen wir eine schriftliche Vereinbarung und starten mit dem Prozess. Wir gehen dabei vielfach in Vorleistung, bezahlen deren Anerkennung beispielsweise zunächst selbst.

AH: Es kann sein, dass Sie einen Bewerber vorselektieren, der aber im Autohaus keine Zustimmung findet. Gibt das Autohaus Ihnen dann einen weiteren Auftrag, jemanden zu suchen? Wie kommt man in diesem Fall zusammen?

D. Stancin: Wir schauen uns die Bewerber gemeinsam an. Der eine Bewerber möchte nach Stuttgart, der andere nach München usw. Da gibt es seitens der Bewerber durchaus Vorlieben, vor allem in den Bundesländern, die näher am Balkan sind wie Bayern, Baden-Württemberg oder Hessen.

Markenkenntnisse

AH: Wie sieht es mit den Automarken aus? Gibt es da Präferenzen?

D. Stancin: Es ist in der Tat so, dass die meisten vom Balkan alle Marken instandsetzen. Es gibt auch Markenwerkstätten, aber viel weniger als in Deutschland. Sie reparieren Autos aus den Jahrgängen 2000 bis 2023 quer durch.

Einarbeitung

AH: Jetzt hat sich ein Unternehmen für einen Mitarbeiter entschieden – wie geht es weiter?

D. Stancin: Wir machen die Personal-Vermittlung an die Betriebe und helfen bis zur Ankunft des Mitarbeitenden. Wir unterstützen hier noch bei Versicherungen und Bankkontoeröffnung. Was aber Anmeldung bei der Gemeinde angeht, die Wohnungssuche, da sind die Betriebe gefordert. Ohne Wohnungsperspektive wird ein Aspirant ungern nach Deutschland kommen wollen.

AH: Gibt es für das Recruiting eine betriebliche Mindestgröße, ab der Ihr Wirken Sinn macht?

D. Stancin: Für Autohäuser empfehlen wir mindestens eine Belegschaftsgröße von 30 bis 50 Mitarbeitern, damit wir eine wirklich umfassende HR-Strategie entwickeln können, die von der Rekrutierung bis zur fortlaufenden Weiterbildung reicht. Für die größeren Autohausgruppen ab 150 Mitarbeiter haben wir dann spezielle Strategien, die wir auch noch fahren können.

Mängel bei der Personalsuche

AH: Welche Fehler machen die Händler in Sachen Recruiting?

D. Stancin: In der Regel werden Lebensläufe von den Mitarbeitern eingefordert. Das ist aber nicht mehr der Stand der Dinge. Nicht jeder Bewerber ist in der Vita-Erstellung geübt. Außerdem werden gegenwärtig aufgrund der Mitarbeiterenge oftmals auch schon freie Stellen per Telefonanruf vergeben. Daher sollte man die Bewerbung so einfach wie möglich gestalten. Im weiteren Prozess kann man da noch telefonisch nachfassen und erstellt den Lebenslauf über individuelle Fragestellungen im persönlichen Gespräch am Telefon. Beispiel: Was hast Du gemacht? Wo hast Du gearbeitet? Weshalb möchtest Du wechseln? Über die persönlichen Live-Impressionen erhält man tiefere Einblicke.

Stellensuche über Social Media

AH: Inzwischen laufen Bewerbungen vielfach über Social Media. Wo sind dort die Akzente zu setzen?

D. Stancin: Dort werden vielfach Anzeigen ohne Menschen im Bild, ohne Lächeln, ohne Emotionen geschaltet. Bei nüchterner Darstellung bleibt ein Bewerber-Echo aus.

Addvengers
Professionelle Vorlage für Recruiting in Social Media
© Foto: David HR Europa GmbH

Bewerbergespräch - Probearbeiten

AH: Was empfehlen Sie in Sachen Bewerbergespräch?

D. Stancin: Wer wartet nicht auf den Top-Bewerber? Gibt es den wirklich? Irgendetwas ist bei jedem Menschen und damit im seinem Stärken- und Schwächenprofil nicht rund. Eben, weil jeder Mensch anders ist, sollte man jedem die Chance geben, sich vorzustellen. Wenn sich einer bewirbt, sollte man innerhalb von zwölf bis spätestens 24 Stunden anrufen und dabei einen unmittelbaren persönlichen Termin zum Vorstellungsgespräch machen. Ob vor Ort oder online ist nicht entscheidend. Und dann ist es sinnvoll, schnellstmöglich eine Probearbeit auszumachen, um die fachliche Qualifikation festzustellen. Dabei erfährt man mehr als in einem Lebenslauf.

AH: Wie lange sollte eine Probearbeit dauern und wie vergütet man diese?

D. Stancin: In der Regel dauert eine Probearbeit – wir nennen es bei uns "Schnuppertag" – ein bis zwei Tage. Nach einem Tag kann man schon sehen, wie der Bewerber arbeitet, wie er mit den Kollegen umgeht, stellt er Fragen, ist er neugierig über die potenzielle Firma oder hat er vielleicht noch Bedenken… Es ist grundsätzlich eine besondere Wertschätzung, wenn der Bewerber eine Vergütung erhält. Kommt ein Bewerber aus dem Balkan angereist, sollte auch die Übernachtung bezahlt werden.

AH: Man ist sich einig, der Arbeitsvertrag kommt zustande. Wie sieht die praktische Umsetzung dazu aus?

D. Stancin: Es bewährt sich, wenn man den Vertrag vorbereitet hat und vor Ort persönlich mit dem Bewerber durchgeht. Das könnte am Ende der Probearbeit geschehen. So der Bewerber noch eine Zeit zum Nachdenken braucht, sollte man einen Folgetermin vereinbaren, zu dem man die möglichen Einwände gemeinsam besprechen kann.

AH: Zufriedene Mitarbeiter schaffen zufriedene Kunden. Wie gelingt das?

D. Stancin: Wir sprachen oben von der Probearbeit. Die fachliche Seite, die Qualifikation ist das eine, die Identifikation mit dem Unternehmen, mit den Mitarbeitern das andere. Stimmt da die Chemie? Wenn der Bewerber während der Probearbeit spürt, dass die Mitarbeiter unzufrieden sind, dass sich die Menschen untereinander nicht mögen, die Führungskräfte nicht überzeugen, dann wird der Bewerber ein anderes Autohaus suchen und nicht bei ihnen anfangen. Wir helfen Autohäusern nicht nur bei der Rekrutierung, sondern auch beim Onboarding und der kontinuierlichen Weiterbildung, damit sich jeder Mitarbeiter als wichtiger Teil des Teams und der Unternehmenskultur fühlt.


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