Ausgabe 11/2013: Individuelle Chancen

Individuelle ChancenAutohausunternehmer – Existenzgründung, Unternehmenskauf und familieninterne Nachfolge sind die Themen einer neuen AUTOHAUS-Serie. Teil 1: Grundsätzliche Perspektiven und ein Beispiel gelungener Existenzgründung.von Christian Frederik Merten Welche Zukunft hat der Handel? Eine Frage, die auch Sie sich vor dem Hintergrund steigenden Wettbewerbsdrucks und den daraus resultierenden sinkenden Renditen vielleicht schon das ein oder andere Mal gestellt haben. Laut aktuellem AUTOHAUS pulsSchlag vom Mai 2013, der sich mit der Entwicklung des Automobilhandels bis 2020 beschäftigt (siehe auch Seite 20), schätzen zwei Drittel der Händler die Zukunft der gesamten Branche negativ ein, mehr als vier Fünftel erwarten sinkende Unternehmens- und Betriebszahlen, und auch was die Entwicklung des Neuwagenmarktes angeht, sind rund 60 Prozent pessimistisch. Dazu passt: Die Mehrheit der Händler, ebenfalls rund 60 Prozent, erwartet für den genannten Zeitraum weiterhin sinkende Renditen.Die Probleme des Handels sind also nicht wegzudiskutieren. Aber: Wo Schatten ist, da ist auch Licht. Denn Grund zur völligen Schwarzmalerei besteht nicht und vor allem nicht für jedes Unternehmen. Auch das zeigt der aktuelle AUTOHAUS pulsSchlag: So erwarten 21 Prozent für ihr eigenes Unternehmen bis 2020 eine positive Entwicklung, etwas mehr als die Hälfte geht immerhin noch davon aus, dass es für sie so weitergeht wie bisher. Die Volkswagen- und Audi-Händler sowie die Mercedes-Benz-Vertreter blicken dabei im Markenvergleich am optimistischsten in die eigene Zukunft. Und als Konsequenz aus sinkenden Neuwagenverkäufen und Unternehmenszahlen erwarten immerhin 38 Prozent der Befragten steigende Verkäufe pro Händler – genauso viele allerdings auch sinkende. Immerhin zehn Prozent erwarten trotz weiterhin schwieriger Marktlage auch wieder steigende Renditen. Diese Entwicklung wäre für den Handel zu wünschen und auch dringend nötig, denn derzeit reichen die Renditen bei den meisten Händlern trotz leichten Anstiegs seit 2009 kaum zum Überleben (Abb. 4).Gewinne weiter möglich Dennoch: Es gibt durchaus Händler und Werkstätten, die für sich und ihre Zunft auch in Zukunft profitable Geschäfte erwarten. Wie das funktioniert? Da ist eine Antwort wohl die wahrscheinlichste Lösung: Egal ob freie Werkstatt, freier Händler oder Markenbetrieb – auf die profitable Nische kommt es an. Welche das ist, hängt grundsätzlich vom individuellen Umfeld des einzelnen Unternehmens ab. Der Standort und das damit verbundene Marktpotenzial und Wettbewerbsumfeld spielen hierbei ebenso eine Rolle wie die Frage, ob ich als markengebundenes oder freies Unternehmen agiere. Wer hier die richtigen Antworten auf die entscheidenden Fragen findet, ist schon einmal auf der richtigen Seite. Denn dass rentables Wirtschaften trotz der branchenweit unzureichenden Rendite weiterhin möglich ist, zeigt die Verteilung der Umsatzrendite der Kfz-Betriebe: So schrieben im Jahr 2012 zwar neun Prozent aller Betriebe rote Zahlen, bei immerhin 16 Prozent lag die Rendite aber über zwei Prozent, bei 38 Prozent zwischen – allerdings bereits grenzwertigen – ein bis zwei Prozent (Abb. 3). Keine Überraschung: Das meiste Geld verdienen die Händler weiterhin im Service. Inklusive Teile- und Zubehörverkauf lieferte er 2012 insgesamt 64 Prozent des Deckungsbeitrags III (vgl. AUTOHAUS 1-2/2013).Auch was den Umsatz angeht, bestehen deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Sparten. Insgesamt ging der Umsatz der Autohändler und -werkstätten 2012 laut Zentralverband des Kraftfahrzeuggewerbes (ZDK) im Vergleich zum Vorjahr um 1,6 Prozent zurück. Besonders hoch waren die Rückgänge im Pkw-Neufahrzeughandel und im gesamten Lkw-Handel. Umsatztreiber waren laut ZDK der Service und das Gebrauchtwagengeschäft (Abb. 1).Auch Freie nutzen Chancen Hier liegen dann auch besondere Chancen für Händler und Werkstätten, denn in diesen Geschäftsfeldern haben sie den meisten Spielraum, Umsätze auch in Erträge umzuwandeln. Während der zunehmende Wettbewerbs- und Rabattdruck – nicht selten verursacht auch durch Herstelleraktionen – das Neuwagengeschäft für den Handel vielfach bestenfalls zum Nullsummenspiel macht, besitzen Händler und Werkstätten im Service und Gebrauchtwagengeschäft deutlich mehr Freiräume, ihre Geschäfte profitabel zu gestalten. Auch viele freie Unternehmen scheinen diese in der Vergangenheit genutzt zu haben: Denn sowohl im Service als auch beim Verkauf gebrauchter Autos konnten sie ihre Marktanteile in der Vergangenheit spürbar ausbauen. Ließen laut aktuellem DAT-Report im Jahr 2003 nur 29 Prozent der Autofahrer ihr Fahrzeug in einer freien Werkstatt warten oder reparieren, waren es 2012 schon 38 Prozent. Allerdings: Der Marktanteil der Markenwerkstätten blieb mit 54 Prozent stabil, er stieg im gleichen Zeitraum um einen Prozentpunkt. Das Wachstum der Freien ging also vor allem auf das Konto des Do-it-Yourself-Segments. Genauso deutlich konnten die Freien ihre Marktposition im Gebrauchtwagenmarkt ausbauen: Von 2003 bis 2012 verdoppelten sie ihren Marktanteil laut ZDK auf 24 Prozent. Auch hier waren es aber nicht die Markenhändler, die unter diesem Wachstum zu leiden hatten. Ihr Marktanteil stabilisierte sich bei 35 Prozent, was einer Veränderung von einem Prozentpunkt entspricht. Vielmehr ging das Wachstum auf Kosten des Privatmarktes: Nur noch 41 Prozent der Besitzumschreibungen wurden 2012 privat gehandelt, 2003 waren es noch 54 Prozent. Junge Leute wollen in die Werkstatt Einem Trend können sich übrigens weder freie noch markengebundene Händler und Werkstätten entziehen: nämlich dem Konsolidierungsprozess in der Branche, der weiterhin voll im Gange ist. Seit annähernd 20 Jahren sinkt die Zahl der Autohändler und -werkstätten kontinuierlich. Gab es 1996 noch 57.373 Kfz-Betriebe in Deutschland, waren es 2003 noch 42.500 und im letzten Jahr nur noch 37.800. Damit ist die Zahl der Betriebe auch 2012 leicht um 200 gesunken. Gleichzeitig wirken sich zahlreiche Betriebsübernahmen und damit die Bildung großer Gruppen auch auf die Zahl der Eigentümer aus. Ein Trend, der für den Einzelnen aber auch Chancen in sich bergen kann. Denn so tragisch eine unfreiwillige Betriebsaufgabe oder Insolvenz im Einzelfall ist, für die verbleibenden Marktteilnehmer bedeutet diese Entwicklung vor allem eines: Sie können im besten Fall ein größeres Stück vom Kuchen ergattern. Dass sie dabei – Fachkräftemangel hin oder her – ganz ohne Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dastehen werden, ist übrigens nicht zu befürchten. Zwar ist – analog zur abnehmenden Betriebszahl – in den letzten 20 Jahren auch die Anzahl der Beschäftigten im Kfz-Gewerbe gesunken. Während die Branche 2003 noch 490.000 Köpfe zählte, waren es im letzten Jahr nur noch 453.600. Und natürlich wird es auch immer schwieriger, qualifizierte und motivierte Mitarbeiter zu finden. Aber gleichzeitig besitzt die Kfz-Branche bei jungen Menschen weiterhin ein Standing, das sich andere Branchen wohl nur wünschen können. Das zeigt unter anderem die Rangliste der beliebtesten Ausbildungsberufe: So befand sich der oder die Kraftfahrzeugmechatroniker/in dort im letzten Jahr insgesamt auf Platz vier (Abb. 2). Betrachtet man ausschließlich die von jungen Männern gewählten Berufsausbildungen, führt der Kraftfahrzeugmechatroniker das Ranking sogar an.Fazit: Individuelle Lösungen zählen Insgesamt verdeutlichen die Zahlen also eine Binsenweisheit: Eine Wachstumsbranche ist das Kfz-Gewerbe schon lange nicht mehr. Aber das bedeutet nicht, dass kein individueller Geschäftserfolg mehr möglich ist. Zahlreiche Kfz-Unternehmer beweisen tagtäglich auch unter den gegebenen schwierigen Rahmenbedingungen, dass auch in dieser Branche noch Geld zu verdienen ist. Daher die Antwort auf die Eingangsfrage: Ja, Automobilhändler und -werkstätten haben Zukunft – wenn sie ihre eigenen Marktnischen finden und professionell bearbeiten. Welche das sind und welches Produkt- und Dienstleistungsangebot die Kunden an Land zieht, das herauszufinden ist Aufgabe der Unternehmenslenker – vor der Gründung, dem Kauf, der Nachfolge, aber auch immer wieder während des laufenden Betriebs. Wer hier die richtigen Akzente setzt, hat aber auch heute noch die Chance auf profitables Automobilgeschäft. ■Foto: Lassedesignen/Fotolia Quelle: Rath, Anders, Dr. Wanner & Partner Quelle: Bundesinstitut für Berufsbildung Quelle: Rath, Anders, Dr. Wanner & Partner

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