IT im Autohaus: Im Labyrinth der Daten

Vor genau 50 Jahren erschien in der New York Times ein Beitrag, in dem der Science-Fiction-Autor Isaac Asimov seine Vision von der technologischen Entwicklung in der heutigen Zeit beschrieb. In dem Artikel heißt es: "Wir werden die Person am Telefon hören und sehen. Der Bildschirm kann nicht nur genutzt werden, um die Menschen, die man anruft, zu sehen, sondern auch, um Dokumente zu studieren, Fotos anzusehen und Passagen aus Büchern zu lesen. Heute, im Jahr 2014 angekommen, ist dieses einstige Szenario längst Realität geworden. Und wir damit Teil einer vernetzten Welt. Das belegen auch zahlreiche Studien. Für Deutschland z. B. liefert der "(N)Oldtimer Atlas" der Initiative D21 zuverlässige Angaben über die Zahl der Onlinenutzer. Demnach hat - statistisch gesehen - jeder Deutsche längst mehr als ein Mobiltelefon. Die Bundesnetzagentur verzeichnete schon Ende 2012 für Deutschland 113 Millionen Mobilfunkanschlüsse. Die Vernetzung unser aller Leben ist wohl der wichtigste Trend dieser Zeit. Händler zögerlich bei Digitalisierung Auch im Autohandel ist die hohe Bedeutung unbestritten. Das zeigt die Studie "Neue Technologien im Autohaus" vom Beratungshaus Capgemini. Eine große Mehrheit (94 Prozent der Hersteller und 85 Prozent der Händler) schätzt die Bedeutung mobiler Geräte und Apps als sehr wichtig oder wichtig ein. Doch während auf Herstellerseite 80 Prozent der Webseiten auch für mobile Geräte optimiert sind, setzen Händler weiter auf den persönlichen Kontakt vor Ort und nur ein Drittel verfügt über eine mobile-optimierte Webseite. Noch deutlicher wird die Diskrepanz bei den Investitionen. Während 56 Prozent der Hersteller heute schon in die IT in diesem Bereich investieren, sind es lediglich elf Prozent der Händler. Sie planen eher in ein bis zwei Jahren Investitionen ein. "Die Untersuchung zeigt, dass die Hersteller insgesamt weiter sind, wenn es darum geht, neue Technologien zu nutzen, um die Kundenkommunikation zu verbessern und ihr Geschäft auf eine breitere Basis zu stellen", kommentiert Dr. Roland Mirwald, Leiter von Business Technology Auto bei Capgemini in Deutschland. Umgekehrt ist es aber auch so, dass die digitalen Lösungen im Automobilhandel noch nicht so ausgereift sind, wie sich der Handel das wünschen würde. Oft hapert es an der Integrationstiefe. Denn was nützt es, wenn ich zwar Dialogannahme via iPad machen kann, aber die Daten nicht direkt ins DMS übertragen werden können? Aus der aktuellen Umfrage AUTOHAUS pulsSchlag zum Thema IT wurden Händler in Markenbetrieben u. a. gefragt, ob sich ihr Dealer Management System auch von einem mobilen Endgerät aus bedienen lässt. Die Antwort war überraschend: Nur 26 Prozent bejahten dies, 63 Prozent verneinten diese Möglichkeit (s. Abb 1). Integration statt Insellösung Warum hängt die Digitalisierung im Autohandel anderen Branchen hinterher? Sicherlich sind die Hersteller besser in der Lage, entsprechende Investitionen zu tätigen. Im Vergleich dazu zeigt sich der Handel, bei dem die Renditesituation alles andere als rosig ist, verständlicherweise deutlich zurückhaltender. Doch auch hier gibt es Lösungen, die bereits Anwendung finden. Z. B. die Fahrzeugannahme mit Hilfe von Tablets, die so genannte digitale Dialogannahme. Viel wichtiger als die Digitalisierung ist den Händlern eine reibungslos funktionierende Systemlandschaft. Dazu zählt ein flexibles DMS sowie ein umfangreiches Customer Relationship Management (CRM). Allerdings steht der Systemintegration oftmals die schwierige Schnittstellenpolitik in Deutschland gegenüber. Andauernde Schnittstellenproblematik Das weiß auch Dr. Jörg von Steinaecker. Der Inhaber der gleichnamigen Unternehmensberatung und Vorstand von Innovation Point, einer Wirtschaftsvereinigung von aktuell 37 Unternehmen aus der Automobilbranche, die es sich zum Ziel gemacht hat, wirtschafts- sowie IT-Prozesse in der Branche zu optimieren. "Die Systemlandschaft im deutschen Automobilhandel ist zwar sehr vielseitig, aber besonders in den letzten zwei, drei Jahren wird der stärkere Einfluss der Hersteller sichtbar", sagt der Branchenkenner. Zwar gäbe es insgesamt mehr Autohaus-Software auf dem deutschen Markt, die sehr zu einer Verbesserung von Prozessen im Handel beitragen könnte, allerdings komme es doch recht häufig vor, dass Hersteller entsprechende Schnittstellen verweigern, um ihre eigenen Lösungen an den Mann zu bringen. Steinaecker zufolge sei das schlichtweg Netzpolitik, die da betrieben werde und so mancher digitalen Innovation im Autohaus den Riegel vorschiebe. Allerdings muss man laut Steinaecker das Wort Schnittstellenpolitik genauer definieren. "Nicht die Anbindung eines CRM oder eines Leadmanagementsystems ist das Problem, schwierig ist insbesondere das Zurückspielen der gewonnenen Daten in das DMS." BI vs Big Data Es muss also darum gehen, eine so gute Integration bestehender Systeme im Handel zu erreichen, damit eine möglichst hohe Prozessqualität gewährleistet ist. Und die ist dann erreicht, wenn Daten so zur Verfügung gestellt und nutzbar gemacht werden können, dass sie für eine umfassende, ja quasi 360°-Kundenansprache verwendet werden können. Eine Handvoll solcher Lösungen gibt es zwar, sie unterscheiden sich aber stark in der vorhin beschriebenen Integrationstiefe. Ausdrücke, die in diesem Zusammenhang häufiger fallen, sind zum einen Business Intelligence (BI) und - wie kann es anders sein, wenn es um Daten geht - Big Data. Allerdings handelt es sich dabei um zwei verschiedene Dinge, die leider häufig über einen Kamm geschert werden. BI geht von einer wiederholten Auswertung strukturierter Daten aus. Dreh- und Angelpunkt ist bei BI das sog. "Data Warehouse", das sind Daten aus Geschäftstransaktionen, internen Applikationen, Mainframe-Systemen und vorhandenen Datenbanken zusammengefasst und analysiert. Big Data ergänzt diese Daten nun um weitere Datenquellen, die größtenteils unstrukturiert sind. Darunter fallen Sensordaten, sämtliche Daten der Plattformen der sozialen Medien, Textdaten etc. Die Herausforderung liegt nun darin, diese Daten für Geschäftsprozesse auszuwerten. Und hier hat die Industrie (noch) zweifellos die Nase vorn. Besonders, wenn man sich dem Thema Connected Car nähert, das eng mit Big Data verbunden ist. Vernetzte Fahrzeuge Die Studie "Cars Online 2014", ebenfalls von Capgemini, brachte es zutage: Mit der Bekanntheit des Connected Car steigt auch dessen Beliebtheit. Hierfür hatte das Beratungshaus rund 10.000 Autofahrer befragt. Von diesen sind im Vergleich zum Vorjahr auch immer mehr besser über die Vorteile der Vernetzung informiert. Für den Handel dürfte noch eine weitere Erkenntnis aus der Studie interessant sein. Erstaunlich hoch sei demnach die Bereitschaft der Autofahrer, eigene Daten mit OEMs oder Händlerbetrieben zu teilen (s. Abb. 2). Waren es 2012/2013 nur drei von vier Fahrzeugführern, die bereit waren, ihre Daten weiterzugeben, sind dies in diesem Jahr 81 Prozent. Allerdings spielt der Datenschutz hier eine wichtige Rolle: Nur jeder siebte sei bereit, eigene Informationen ohne Beschränkungen zu teilen. Cloud-Lösungen: Immer noch kaum praktische Erfahrung Weniger Fixkosten, höhere Flexibilität und Ausfallsicherheit sind Vorteile, die mit der Nutzung von Cloud-Services in Verbindung gebracht werden. Gemäß der eingangs erwähnten Studie von Capgemini sehen fast 50 Prozent sowohl der Autohäuser als auch der Hersteller bei allen genannten Aspekten einen hohen oder mittleren Nutzen für ihr Unternehmen. Aber beide Seiten haben bisher kaum praktische Erfahrung gesammelt, da es an branchenspezifischen Lösungen mangelt: Nur maximal 18 Prozent der Hersteller nutzen die Cloud für die Bereitstellung von Software für den Neu- und Gebrauchtwagenverkauf, das Marketing oder CRM. Bei den Händlern sind es sogar jeweils nur vier Prozent. Die Zukunft ist vernetzt Stellt sich nun die Frage, wohin die Reise der IT in den nächsten 20 Jahren gehen wird. Branchenexperten gehen davon aus, dass sich die genannten Trends weiter entwickeln werden. Fahrzeuge werden immer weiter vernetzt, Kunde wie Händler noch stärker informiert, was zu einer neuen Qualität der Kundenansprache führen dürfte. Voraussetzung dafür ist aber wieder: die optimale Integration. Das wird wohl eine der größten IT-Herausforderungen im Handel bleiben. Kurzfassung Was hat sich bei der IT im Handel in den letzten Jahren getan? Was beschäftigt Hersteller und Autohandel? Wohin geht die Reise und was haben Big Data und Connected Cars damit zu tun? Ein Überblick. IT-TRENDS IT verändert nicht nur unsere privaten Kommunikationsgewohnheiten, im Handel sind eindeutige Trends erkennbar, die sich in den nächsten Jahren weiter verstärken dürften. Dazu zählt die fortschreitende Digitalisierung, ebenso wie die damit verbundene Forderung nach mehr Integration in bestehende DMS- oder CRM-Systeme.Die Datenauswertbar- und -nutzbarkeit wird stark zunehmen und es bleibt abzuwarten, welche neuen Geschäftsfelder sich aus den gewonnenen Daten des sog. vernetzten Fahrzeugs gewinnen lassen.

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