Der Autohandel in Deutschland steht vor vielfältigen Herausforderungen. Diese sind nur zu bewältigen, wenn sie strukturiert angegangen werden. Der IfA Autohausgipfel 2023 in der Zukunftswerkstatt 4.0 in Esslingen griff am ersten der zwei Veranstaltungstage, mit "Mitarbeitergewinnung und -bindung" sowie "Geschäftsfelder abseits des Kerngeschäfts" zwei Themen auf, die es auf dem Weg zum Erfolg zu behandeln gilt. Jeweils sechs Autohändler pro Themenkomplex stellten ihre Herangehensweise an die Herausforderung dar. Für die insgesamt 120 Teilnehmer gab es im Anschluss an jeden Themenblock eine kurze Podiumsdiskussion, die die einzelnen Vorträge abrundete und vertiefte.
IfA-Chef Prof. Stefan Reindl veranschaulichte in seiner Einleitung den fortschreitenden Konsolidierungsprozess im Handel. Die großen Herstellergruppen stellte er dabei als Gewinner dar. Um zu den Champions zu gehören, müssten sich die Betriebe den Herausforderungen stellen. Prof. Reindl schaffte so eine Basis für die weitere Veranstaltung und übergab an Ingo Frank, Geschäftsführer effisma.group. Dieser ging auf die anstehenden Fachvorträge ein: Die Aufgabenstellung im Bereich Personal liege darin, dass sich ein Wechsel vom Arbeitgebermarkt zum Arbeitnehmermarkt vollzogen habe. Der Wandel zum Mobilitätsdienstleister über Geschäftsfelder abseits des Kerngeschäfts war der Ansatz im zweiten Themenkomplex.
Prof. Benedikt Meier startete die Vortragsreihe "Mitarbeitergewinnung und -bindung" mit der These, dass der Automobilhandel seine Attraktivität im Verhältnis zur Industrie steigern müsse. Robert Grgic, Bereichsleiter Personal bei procar, stellte dar: "Wir brauchen eine Vision”. So könne die nötige Orientierung im Rahmen der Unternehmenskultur geschaffen werden. Grgic: "Daraus resultieren Werte, die es ermöglichen, ein eigenes Image zu bilden. Dieses kann man dann weiterentwickeln, indem man Themen aufsetzt, die darauf einzahlen." Einen weiteren Kern für die Mitarbeiterbindung benannte er mit "Führungsverhalten prägt Mitarbeiterverhalten".
Händler sprechen für Händler
Alphartis-Personalleiter Markus Bodenmiller führte aus, dass die Mitarbeiterbindung am ersten Arbeitstag mit einem gezielten Onboarding beginne. Bei der Hahn Gruppe, vertreten durch Antonio Caruso, Leiter der Hahn Akademie, war auch Onboarding – neben "Preboarding", Integration und digitales Ausbildungsmanagement – ein wichtiges Schlagwort im Rahmen der Azubi-Ausbildung. Im Rahmen der Hahn-Strategie 2028 seien die Weiterentwicklung und die Qualifizierung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen wichtige Bestandteile.
IfA Autohausgipfel 2023
BildergalerieTanja Schmidt, HR-Managerin bei Schloz & Wöllensten, formulierte in ihrem Referat die Kernaussage: "Eine Arbeitgebermarke muss authentisch sein". Für eine professionelle Umsetzung brauche man eine hauptamtliche Personalabteilung. Mit “Active Sourcing über Social Media” brachte Daniel Hennig, Kaufmännischer Leiter Herbrand Gruppe, einen weiteren Ansatz in die Vortragsreihe mit ein. Bei Herbrand sei Recruiting Chefsache.
Martina Stoppanski-Auracher, Geschäftsführer im Autohaus Stoppanski, vertrat den kleinsten Betrieb in dieser Runde. Sie sah das als Chance – durch Persönlichkeit und intensives Kümmern um jeden einzelnen Mitarbeiter. "Ich schreibe noch jedem persönlich eine Karte zum Geburtstag", sagte sie. Ein besonderes Augenmerk werde im Zuge dessen auf Praktikanten gelegt. "So ergeben sich die guten Azubis von Morgen."
Autohändler und Fahrradhersteller
Das zweite Forum, moderiert von effisma-Geschäftsführer Ingo Frank, widmete sich den Geschäftsfeldern abseits des Kerngeschäfts. Andreas Weeber, Inhaber der Weeber Mobilitätsgruppe, gab das Motto aus: "Wir wollen das Grundbedürfnis der Mobilität bedienen." Um dies zu erreichen, brauche man einen intelligenten Mix, der mobilisiert. Exemplarisch präsentierte Weeber, wie sein Unternehmen zum Fahrradhersteller wurde und die Marke "Waldbike” ins Leben gerufen hat. Bei der Herstellung stehe die Regionalität im Vordergrund. Das größte Wachstumspotenzial im Vertrieb sieht Weeber bei Firmen und deren Personal, wie den Fuhrparks.
Mit "CarAbos" stellte Julius Wick, Leiter kaufmännisches Management & strategische Projekte Wackenhut, eine Umsetzung vor, die zentral vom Kunden gedacht sein soll. "Wir wollten dabei in Lösungen denken", erklärte er. Ein eingespieltes Video zeigte, wie dem Kunden das Auto-Abo nahe gebracht werden kann. Eine attraktive Customer Journey für den Abonnenten wurde entwickelt, bis dahin, dass dieser am Steuer des "eigenen" Fahrzeugs sitzt.
Bei AVP Autoland hat Inhaber Franz-Xaver Hirtreiter die Gunst der Stunde genutzt und ein vorhandenes Team ohne Standort mit Erfahrung im Reisemobil-Bereich in einen vorhandenen Standort ohne Nutzung integriert. So gibt es jetzt in Zwiesel die Marke "AVP Campingland", mit der erste Geschäftserfolge verbucht werden konnten. Als weiteres Geschäftsfeld wird gerade die komplette Wertschöpfungskette vom Verkauf des E-Mobil bis hin zur Photovoltaikanlage auf dem Dach des Käufers aufgebaut – inklusive begleitender Dienstleistungen für Privat- und Geschäftskunden. Aus Sicht von Hirtreiter funktioniert das nur mit eigens dafür aufgebauten Teams.
Elektro – oder doch Wasserstoff?
Jörn Lüdemann, Geschäftsführer Lüdemann & Zankel, brachte als Impuls für den Service bei E-Autos die Frage “Wer repariert bisher leistungsschwach gewordene Batterien?" mit. Nur wenige, ist die Antwort darauf. Lüdemann & Zankel ist ein Unternehmen, das dies umsetzen konnte. In den vergangenen zwölf Jahren habe man das nötige Know-How dafür aufgebaut, berichtete Lüdemann. Mit dem richtig geschulten Personal sei das ein mögliches Potenzial für viele Betriebe.
Mit Joachim Schober, Inhaber Autohaus Schober, ging es dann in eine komplett andere Richtung. Er sieht für sich als Unternehmer den Erfolg im Wasserstoff. Mit der größten Wasserstoff-Flotte Europas – 40 Fahrzeuge im Landkreis Landshut – setzt Schober dabei ein deutliches Zeichen. Das nächste Großprojekt sei ein Neubau, der energetisch völlig autark sein werde, inklusive der Betankung der vorhandenen Wasserstoff-Fahrzeuge. Möglicher Überschuss soll an einer angeschlossenen Tankstelle verarbeitet werden.
Zum Schluss der Vortragsreihe kam Maik Siebrecht, Inhaber Autohaus Siebrecht, auf die Bühne. Mit seinen Teams und in Zusammenarbeit mit Digital 35 hat der Unternehmer einen Onlineshop aufgesetzt, der dem Kunden die komplette Customer Journey eines Autokaufs bieten soll – und das selbst "am Sonntagnachmittag auf dem Sofa". Mit einem beeindruckenden Video zeigte Siebrecht den kompletten Prozess aus Kundensicht. Ab 1. Juni geht das Portal mit dem Namen Echt.autos live. Man darf gespannt sein, wie diese Kaufoption angenommen wird. Die darin implementierten Prozesse und Dienstleistungen werden weitestgehend in die eigene Wertschöpfungskette integriert. Die folgende Podiumsdiskussion beleuchtete die verschiedene Aspekte der vorher dargestellten Umsetzungen und die Weiterentwicklung in der Zukunft.
Weller: "Ich bin für die Agentur"
Zum Abschluss des ersten Kongresstages stand ein Gespräch mit Burkhard Weller und Prof. Reindl auf der Tagesordnung. Kurzweilig stellte der Chef der Wellergruppe seine Beweggründe für die Kandidatur zum ZDK-Präsidenten dar. Ausdrucksvoll ging er auch auf die Personal-Problematik in den Unternehmen ein. Sein klares Statement: "Die Arbeitsplätze in der Branche müssen in der Breite attraktiv werden, dann wollen auch die Leute dort arbeiten." Auf die Frage, wie sich der Vertrieb weiterentwickeln wird, waren vor allem drei Aussagen Wellers bemerkenswert: "Der stationäre Verkauf wird bleiben, online wird parallel laufen", "Gemeinsam mit dem Hersteller muss man das Meiste aus dem Kunden herausholen" und "Ich bin für die Agentur – sie wird so oder so kommen, also muss ich sehen, wie man da sich mit einbringt."
Der zweite Veranstaltungstag startete mit einem Impulsvortrag von Jürgen Stackmann zur Lage und Entwicklung des Autohandels in Deutschland. Der frühere Topmanager zeigte klar auf, dass Mobilität in der absehbaren Zukunft nur über reine Elektroautos (BEV) gehe. "Zum einen haben sich Politik und Industrie darauf eingeschossen und dementsprechend die Weichen gestellt. Hohe Investitionen und Versprechungen lassen ein Zurück nicht als wahrscheinlich erscheinen." E-Fuels und Wasserstoff als Treibstoff könnten aus seiner Sicht in einigen Jahren wieder auf den Plan treten, sobald die klimaneutrale Herstellung in großem Maße sichergestellt ist.
Zeitgleich zur Frage des Antriebs beschäftigt den potenziellen Käufer die Frage, wie ein normaler Haushalt die gestiegenen Kosten für Individualmobilität auffangen soll. Als plastisches Beispiel führte Stackmann eine Preissteigerung des Basis-Golfs seit 2018 um 72 Prozent an. "Die Spitze des Autobesitzes ist erreicht", betonte der Experte. Aus diesem Grunde planten die Hersteller bereits mit geringeren Verkaufsvolumina. Im Rahmen dessen werde auch das Produktportfolio angepasst. Dies passiere hauptsächlich durch Streichungen von Modellen. "Die OEM werden Vertriebskosten senken und so weiter zur Konsolidierung der Händlerschaft beitragen", so Stackmann.
Gebrauchtwagen und Service stärken
Am IfA geht man davon aus, dass ein Plateau bei 3.000 bis 4.000 Händlern erreicht wird. Ein erster Ansatz ist, die Säulen Gebrauchtwagen und Service weiter zu stärken. Das Motto: Je weniger man vom Neuwagen-Verkauf abhängig ist, desto besser. Stackmann: "Wer 2030 noch erfolgreich sein will, muss heute und nicht morgen erst damit beginnen, sich um weitere Geschäftsfelder zu kümmern."
Dies war die perfekte Überleitung zum weiteren Programm der Veranstaltung. Jeder Teilnehmer konnte aus drei Sessions mit den Themen “Mit der Elektromobilität Geld verdienen”, "Kerngeschäftsfelder zukunftsfähig machen" und "Kaufen – Verkaufen –Fusionieren – Kooperieren. Welche Strategie ist für mein Autohaus die richtige?" wählen. So konnte je nach Interesse das Informationsbedürfnis befriedigt werden. Im Anschluss fächerte sich das Angebot noch weiter auf und es bestand die Möglichkeit, in einem Art Marktplatz-Konzept an neun Ständen das Gespräch mit Experten zum jeweilig angebotenen Thema im Kontext der vorangegangenen Sessions zu führen.