Hinweispflichten der Werkstatt: Grenzwertig?

Eine aktuell im Volltext veröffentlichte Entscheidung des BGH vom 14.09.2017 könnte nach dem Leitsatz missverstanden werden. Sie beschäftigt sich mit einem in der Praxis häufiger vorkommenden Fall, dass die Behebung eines festgestellten Defekts nicht den erwarteten Reparaturerfolg bringt und weiterer Reparaturbedarf die Rentabilität für den Kunden in Frage stellt. Wenn der Kunde bereits anfänglich zu erkennen gegeben hat, dass er im Hinblick auf den Wert des Fahrzeuges nur eine wirtschaftlich sinnvolle Reparatur beauftragen möchte, "müssen ihm vom Unternehmer die für die Entscheidung maßgeblichen Umstände mitgeteilt werden" (BGH, Az. VII ZR 307/16). Anders als man meinen könnte, bedeutet dies jedoch nicht die Verpflichtung der Werkstatt zu vorab eingehenden und kostenintensiven Untersuchungen, um den Kunden aufklären zu können. Ausreichend ist alleine der Hinweis auf mögliche weitere Schadensursachen. Der Fall Der Kläger stellte an seinem Fahrzeug atypische Motorgeräusche fest. Es handelte sich um einen sieben Jahre alten Pkw mit einer Laufleistung von ca. 212.000 Kilometern und einem Zeitwert von 4.000 Euro. Die Werkstatt wurde mit der Fehlersuche beauftragt, wobei der Kläger im Hinblick auf die Daten seines Fahrzeuges keine unwirtschaftliche Reparatur durchführen lassen wollte. Festgestellt wurde ein Defekt an den Einspritzdüsen. Weitere Untersuchungen nahm die Werkstatt hierauf hin nicht vor und erneuerte nach entsprechender Auftragserteilung die Injektoren. Für die Reparatur bezahlte der Kläger die veranschlagten 1.668,39 Euro. Das atypische Motorgeräusch war damit aber nicht behoben. Wie sich im Rahmen eines gerichtlichen Beweisverfahrens ergab, bestand tatsächlich ein - beim vorliegenden Fahrzeugtyp nicht häufig auftretender - Defekt am Pleuellager, der ohne kostenintensive Demontage der Ölwanne und der Lagerschalen nicht erkannt werden konnte. Solche Arbeiten waren vom Kläger nicht beauftragt. Die nun weiter erforderlichen Reparaturkosten überstiegen den Zeitwert des Fahrzeuges. Der Kläger verlangte daraufhin von der Werkstatt die bezahlten Reparaturkosten zurück und war hiermit in drei Instanzen erfolgreich. Die Argumente der Instanzen Der Kläger begründete sein Zahlungsverlangen damit, die Werkstatt hätte ersichtlich falsche und damit unnötige Reparaturmaßnahmen durchgeführt. Obwohl das Berufungsgericht der Werkstatt bescheinigte, sowohl bei der Fehlerprüfung als auch bei der Erneuerung der Einspritzdüsen fehlerfrei gearbeitet zu haben, wurde sie zur Rückzahlung der Reparaturkosten verurteilt. Maßgeblich habe die Werkstatt gewusst, dass der festgestellte Defekt bei den Einspritzdüsen bei einem atypischen Motorgeräusch nicht die alleinige Ursache sein müsse. Nachdem der Kläger im Rahmen der beauftragten Fehlersuche zu erkennen gegeben hatte, sein Fahrzeug nur dann reparieren lassen zu wollen, wenn dies wirtschaftlich sinnvoll ist, hätte die Werkstatt den Kläger auf das Risiko weiterer Reparaturkosten hinweisen müssen. Nur auf der Grundlage dieser zusätzlichen Information hätte der Kläger dann das Risiko insgesamt abwägen und entscheiden können, ob er den Tausch der defekten Injektoren beauftragen möchte. Nachdem ein Hinweis auf eine möglicherweise nicht vollständige Reparatur unterblieben ist und der Kläger behauptete, er hätte bei Kenntnis der Umstände keinen Reparaturauftrag erteilt, sei die Werkstatt unter dem Gesichtspunkt der Verletzung ihrer vertraglichen Aufklärungspflicht schadensersatzpflichtig für die vom Kläger nutzlos bezahlten Reparaturkosten. Der BGH bestätigte die Hinweispflicht, die immer dann auch ohne besondere Nachfrage gegeben ist, "wenn der andere Teil nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung redlicherweise die Mitteilung von Tatsachen erwarten durfte, die für seine Willensbildung offensichtlich von ausschlaggebender Bedeutung sind". Von diesem Juristendeutsch umfasst sind allgemein auch die Fälle, in denen von Anfang an vorhersehbar (oder sich im Verlauf der Reparatur ergebend) die Reparaturkosten den Zeitwert des Fahrzeuges erreichen oder übersteigen. Die Hinweispflicht auf zusätzlich weitere mögliche Schadensursachen für das atypische Motorgeräusch entfällt laut BGH nicht, weil beispielsweise ein Defekt am Pleuellager beim vorliegenden Fahrzeugtyp nicht häufig auftritt. Von der Werkstatt dagegen gesetzte allgemeine Überlegungen, dass der Kläger um die Reparaturanfälligkeit seines betagten Fahrzeuges wusste und mit weiterem Reparaturbedarf deshalb rechnen musste, ließ der BGH in Anbetracht des Kundenwunsches nach Abklärung der zu erwartenden Reparaturkosten nicht gelten. Ebenso wenig das grundsätzlich beim Kunden liegende Risiko für eintretende Schäden an seinem Fahrzeug und die Rentabilität der Reparatur. Auch ein Verweis darauf, dass ein - kostenpflichtiger - Auftrag zur Prüfung weiterer Schadensursachen vom Kläger nicht erteilt war, konnte der Werkstatt nicht helfen. Auch ohne diesen Auftrag zur konkreten Untersuchung musste die Werkstatt nach der Auffassung des BGH bei der gegebenen Sachlage abstrakt auf das nicht völlig fernliegende Risiko des Bestehens weiterer Ursachen für das atypische Motorgeräusch hinweisen. Schlussfolgerungen für die Praxis Die Hinweispflichten sollten ernst genommen und ihre Einhaltung zu Beweiszwecken auch dokumentiert werden. Im vorliegenden Fall hätte sich auf dem Reparaturauftrag zur Beseitigung des atypischen Motorgeräusches durch Erneuerung der Einspritzdüsen ein Vermerk empfohlen wie "Schadensfeststellung möglicherweise nicht abschließend" oder "weitere Schadensursachen möglich". Der Kunde hätte dann nachfragen können, was ihn sonst noch erwarten kann. Möglicherweise hätte er tatsächlich - wie im Prozess behauptet - auf die Erteilung des Reparaturauftrages verzichtet. Für die Werkstatt wäre es zu diesem Zeitpunkt kein Schaden gewesen. Grundsätzlich trägt der Kunde das Risiko, dass an seinem Fahrzeug über einen konkret festgestellten Fehler hinaus weiterer Reparaturbedarf besteht. Für diesen ist dann eine Auftragserweiterung zu erholen. Hat der Kunde von Anfang an zu erkennen gegeben, dass er sein Fahrzeug nur dann reparieren lassen möchte, wenn es sich noch "lohnt", besteht ohne Auftrag keine Verpflichtung der Werkstatt, zur Klärung der Frage aufwändige Untersuchungen durchzuführen, die der Kunde nicht bezahlen möchte. Ergibt sich für die Werkstatt aber keine - zumindest relative - Gewissheit, den Reparaturbedarf des Fahrzeuges mit der Behebung des diagnostizierten Fehlers tatsächlich abschließen zu können, ist in den Fällen einer vom Kunden gewünschten Beschränkung der Reparaturkosten der allgemeine Hinweis auf möglicherweise darüber hinaus bestehenden Reparaturbedarf ausreichend - aber auch notwendig, um im Fall einer nicht abschließend erfolgreichen Reparatur nicht dem Risiko einer nachträglichen Rückforderung des Werklohnes ausgesetzt zu sein. Möchte der Kunde den Hinweis nicht akzeptieren, dürfte es in schwierigen Fällen günstiger sein, auf den Reparaturauftrag zu verzichten. Kurzfassung 1. Das Risiko für auftretende Fehler und Reparaturbedarf am Fahrzeug trägt grundsätzlich der Eigentümer. Hinweispflichten der Werkstatt bestehen, wenn die Rentabilität der Reparatur fraglich ist.2. Ist die Rentabilität der Reparatur eines festgestellten Fehlers gegeben, besteht darüber hinaus auch dann eine Hinweispflicht der Werkstatt, wenn der Auftraggeber bereits anfänglich erkennbar nur eine wirtschaftlich lohnende Reparatur durchführen lassen möchte, der Anfall weiterer Reparaturkosten wegen zusätzlich möglicher Schadensursachen aber nicht vollständig fernliegt.3. Die Werkstatt genügt dieser Hinweispflicht alleine dadurch, dass sie den Auftraggeber auf die Möglichkeit weiter erforderlicher Reparaturen aufmerksam macht. Konkrete Untersuchungen zu weiterem Reparaturbedarf sind ohne entsprechenden Auftrag und Kostenübernahme nicht durchzuführen. Kommentar Der vom BGH entschiedene Fall ist ein gutes Beispiel für die oft unrealistischen Erwartungen der Werkstattkunden: Ihr Fahrzeug muss nur an das Diagnosegerät angeschlossen werden, um treffsicher die Fehlerursache zu finden. Die Vorstellung, dass ein Fehler gleichzeitig verschiedene Ursachen haben kann, überfordert ohnehin. Vorliegend stellt die Werkstatt einen Defekt der Einspritzdüsen fest. Naheliegend wird dies als mögliche Ursache der untypischen Motorgeräusche beurteilt und die Reparatur an dem festgestellten Mangel angesetzt. Prompt behauptet der Kunde, es sei ein falscher Reparaturweg beschritten worden und verlangt sein Geld zurück. Auch wenn die Gerichte der Behauptung eines falschen Reparaturweges nicht gefolgt sind, beruht der Erfolg des Klägers alleine auf der Kleinigkeit einer unterbliebenen Mitteilung zu Selbstverständlichkeiten: Natürlich kann und muss die Werkstatt für den Kunden nicht das Reparaturrisiko übernehmen; verlangt wird aber, dass sie dem Kunden das ausdrücklich mitteilt, wenn dieser wissen möchte, ob sich die Reparatur seines Fahrzeuges noch lohnt. Einmal mehr zeigt sich, wie wichtig die Kommunikation mit dem Kunden ist.Rechtsanwalt Robert Glocker

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