Ausgabe 21/2010: Fristen-Lösung

Fristen-LösungHinweispflichten E Urteile zur präziseren Beratungspflicht zu Wartungsintervallen bei GW-Verkauf oder Inspektion. Autohaus Juristen Rechtsanwälte G. Haug & Partner Für jeden Fall eines Gebrauchtwagenverkaufes oder einer beauftragten Inspektion gehört es zum geringsten Standard, die Betriebsflüssigkeiten wie auch die Bremsen und Reifen zu überprüfen, das Datum des letzten Ölwechsels festzustellen sowie insbesondere auch den Zahnriemen in Augenschein zu nehmen und dessen letzten Austausch zu überprüfen. Gerade ein verschlissener Zahnriemen kann zu einem kapitalen Motorschaden und zu nicht abschätzbaren Kosten führen. In der Praxis kommt es nicht allzu selten vor, dass sich ein Kunde schon kurz nach dem Kauf oder nach einer Inspektion wegen eines gerissenen Zahnriemens an das Autohaus wendet und Schadensersatz verlangt. Zur Begründung wird vom Kunden hierbei angegeben, er sei nicht darauf hingewiesen worden, dass ein fälliger Zahnriemenwechsel kurz bevorstehe, er habe daher auch nicht für einen schadensvermeidenden Austausch sorgen können. Je geringer die restliche Kilometerlaufleistung bzw. je kürzer die zeitliche Frist bis zum nächstfälligen Zahnriementausch ist, umso höher ist das Risiko des Autohauses.1. Fall: GebrauchtwagenverkaufDas Landgericht (LG) Karlsruhe entschied mit Urteil vom 26. 1. 2010 (Aktenzeichen 6 O 82/09) über folgenden Fall: Ein Autohaus verkaufte an einen Kunden einen knapp vier Jahre alten Gebrauchtwagen zum Preis von 9.750 Euro. Die Laufleistung betrug 53.000 km. In der Betriebsanleitung befand sich eine Aufstellung, wonach bei 60.000 km eine „Sichtkontrolle auf Zustand des Zahnriemens der Motorsteuerung“ und eine „Auswechslung des Zahnriemens“ bei 120.000 km, bzw. alle fünf Jahre unabhängig von der Laufleistung vorzunehmen war. Die Übergabe des Fahrzeuges an den Käufer erfolgte am 28. 8. 2007. Direkt vor der Aushändigung des Gebrauchtwagens wurden an diesem noch diverse Wartungsarbeiten durchgeführt. Dem Käufer wurde vom Autohaus keinerlei Hinweis auf herstellerseitig festgelegte Fristen für die Kontrolle oder den Austausch des Zahnriemens gegeben. Insbesondere wurde vom Autohaus – im Übrigen mangels eigener Kenntnis – nicht darüber aufgeklärt, dass der Hersteller bereits eineinhalb Jahre vor dem Verkauf in einer Servicemitteilung bekanntgegeben hatte, dass abweichend von der Betriebsanleitung für den konkreten Fahrzeugtyp ein Zahnriemenaustausch alle 60.000 km erforderlich ist. Acht Monate nach dem Kauf und beim Kilometerstand von 72.000 km riss der Zahnriemen und verursachte einen kapitalen Motorschaden. Der Käufer verlangte vom Autohaus deshalb Schadensersatz in Höhe von 6.000 Euro und zog vor Gericht.Bedienungsanleitung ist „Sache des Käufers“Das zuständige LG Karlsruhe wies die Klage ab. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass vom Käufer eines Gebrauchtwagens grundsätzlich erwartet werden kann, dass dieser sich selbst darum kümmert, dass die Wartungsintervalle eingehalten werden. Es wäre dessen Sache gewesen, sich mit der Bedienungsanleitung entsprechend auseinanderzusetzen. Nach Auffassung des LG ist eine Hinweispflicht bezüglich Wartungsintervallen lediglich bei einem unmittelbar bevorstehenden Ablauf anzunehmen. Angesichts der Tatsache, dass bis zum nächsten Inspektionsintervall noch 7.000 km fehlten und dass seit Übergabe des Fahrzeuges bereits acht Monate vergangen waren, sah das LG weder einen sachlichen noch einen zeitlichen Zusammenhang zwischen einem unterlassenen Hinweis des Autohauses und dem Riss des Zahnriemens. Auch war das Gericht der Auffassung, dass einen gewerblichen Verkäufer eines gebrauchten Pkw nicht die Verpflichtung trifft, die in einem Serviceheft angegebenen Inspektionsvorgaben zu aktualisieren oder dem Käufer ungefragt Änderungen der Servicebestimmungen des Herstellers mitzuteilen. Das LG beurteilte solche Hinweise als nicht verkehrsüblich und im Hinblick auf den zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrag als zu weitgehend. Nachdem dem Autohaus nach dessen glaubhaften Aussagen auch die nachträgliche Änderung des Wartungsintervalls nicht bekannt war, konnte der Käufer im Prozess insgesamt keinen Erfolg haben.2. Fall: InspektionDas Amtsgericht (AG) Brandenburg entschied mit Urteil vom 8. 1. 2007 (Aktenzeichen 31 C 59/06) über folgenden Fall: Die Eigentümerin eines Opel Vectra war ständige Kundin in einer Opel-Vertragswerkstatt. Erstzulassung des Fahrzeuges war der 10. 6. 1996. Im Oktober 2001 ließ die Kundin in der Werkstatt beim Kilometerstand von knapp 85.000 km den Zahnriemen auswechseln. Die Kundin ließ für ihren Pkw nachfolgend jedes Jahr eine Inspektion in der Vertragswerkstatt durchführen, so auch im April 2005. Bei dieser letzten Inspektion betrug der Kilometerstand am Pkw 117.023 km. Die Bedienungsanleitung des Herstellers sah einen Austausch des Zahnriemens nach Ablauf einer Vier-Jahres-Frist bzw. nach Ablauf einer Laufleistung von 60.000 km seit dem letzten Zahnriemenwechsel vor. Die Kundin hatte für die letzte Inspektion keinen Auftrag erteilt, den Zahnriemen zu tauschen. Auch wiesen die Mitarbeiter der Werkstatt die Kundin nicht darauf hin, ggf. einen Zahnriemenaustausch vorzunehmen. Siebeneinhalb Monate nach der Inspektion riss der Zahnriemen, das Fahrzeug erlitt einen Motorschaden. Die Kundin verlangte von der Werkstatt Schadensersatz und reichte Klage zum zuständigen AG ein.Differenzierung nach FristenDas AG Brandenburg wies die Klage der Kundin ab. Nach Auffassung des AG gebietet der allgemeine Grundsatz von Treu und Glauben zwar, dass ein fachkundiger Unternehmer, der mit einem Kunden einen Werkvertrag abschließt, diesen umfassend aufklärt und berät. Die Reichweite von Aufklärungs- und Beratungspflichten erstreckt sich grundsätzlich aber nur auf den konkret erteilten Auftrag und die damit zusammenhängenden Umstände. Zu berücksichtigen ist insbesondere der vorhandene Beratungsbedarf des Kunden. Eine Werkstatt, insbesondere eine Vertragswerkstatt, hat mit Sorgfalt zu ermitteln, ob ein Kunde einen solchen Beratungsbedarf hat. Demgemäß sind bei Vorhandensein eines solchermaßen ermittelten Bedarfes Hinweise auszusprechen.Nach Auffassung des AG (unter Hinweis auf das OLG Koblenz, VersR 1996, 601) ist jedoch immer auch nach Zeitabläufen zu differenzieren. Dies bedeutet, dass erst dann, wenn eine vom Fahrzeughersteller vorgegebene Frist (hier: vier Jahre oder 60.000 km) zum Zeitpunkt der Jahresinspektion bereits abgelaufen gewesen wäre oder aber nur weniger als drei Monate oder 5.000 km nach der Jahresinspektion abgelaufen wäre, sich Hinweis- und Beratungspflichten für die Werkstatt ergeben hätten. Weil jedoch im konkreten Fall die restliche Laufleistung bis zur Erreichung der 60.000-km-Grenze noch ca. 27.000 km betrug bzw. in zeitlicher Hinsicht bis zur Erreichung der Vier-Jahres-Grenze noch mehr als sechs Monate Zeit waren, konnte das AG keinen Verstoß gegen Hinweis- oder Beratungspflichten erkennen.Rechtsanwalt Rainer Bopp,kanzlei@raehaug-partner.deKurzfassung 1a Nach dem Urteil des LG Karlsruhe vom 26. 1. 2010 ist es zunächst und grundsätzlich Sache des GW-Käufers, sich mit der Bedienungsanleitung auseinanderzusetzen und dafür zu sorgen, dass Wartungsintervalle eingehalten werden.1b Hinweispflichten im Hinblick auf Wartungsintervalle treffen einen GW-Verkäufer nur bei deren unmittelbar bevorstehendem Ablauf. 2a Gemäß Urteil des AG Brandenburg vom 8. 1. 2007 ergeben sich für eine Werkstatt bei der Durchführung einer Fahrzeuginspektion zwar Aufklärungs- und Beratungspflichten, diese erstrecken sich jedoch nur auf den konkret erteilten Auftrag und die damit zusammenhängenden Umstände. 2b Keine Hinweis- oder Beratungspflichten bestehen hiernach für eine Werkstatt, wenn die Frist bis zum Ablauf der nächstfälligen Inspektion mehr als drei Monate beträgt oder die restliche Laufleistung größer als 5.000 km ist.Kommentar< Angesichts eines mittlerweile sehr hohen Verbraucherschutzes, nicht zuletzt aufgestellt durch die Instanzgerichte, stellen die im vorliegenden Beitrag besprochenen Urteile einen für Fahrzeughändler und Werkstätten erfreulichen Kontrast dar. Insbesondere die Oberlandesgerichte Düsseldorf und Köln vertreten in diversen Entscheidungen die Auffassung, dass einen ‚professionellen‘ Unternehmer generelle Überprüfungspflichten treffen. Allerdings haben sich das OLG Düsseldorf und das OLG Köln von der Spruchpraxis des Bundesgerichtshofs (BGH) verabschiedet, wonach einen Unternehmer – es sei denn ein besonderes Beratungsverhältnis läge mit dem Kunden vor – nur dann eine besondere Untersuchungspflicht trifft, wenn „handgreifliche Anhaltspunkte“ für mängelbegründende Tatsachen vorliegen. Das LG Karlsruhe und das AG Brandenburg befinden sich hierbei letzten Endes auf der Linie des BGH. Allerdings steht ein Urteil des BGH zur Frage aus, ob diejenigen Händler oder Werkstätten, die das ZDK-Vertrauenssiegel oder das Zeichen ‚Meisterbetrieb der Kfz-Innung‘ führen, eventuell intensivere Pflichten trifft als ‚normale‘ Unternehmen. >

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